Hommage an Wanderkino-Urgesteine

Die Weltpremiere des Dokumentarfilms „Kultourhelden – vom Ende einer Ära“ von Wolfram Hannemann wird am 3. Juli im Schlossgarten in Oppenweiler bei einer Open-Air-Kinonacht gefeiert. Die Protagonisten sind Klaus Friedrich und Gerhard Göbelt, die seit den 1980er-Jahren in kleinen Kommunen Filme vorführen.

Hommage an Wanderkino-Urgesteine

Das Kinomobil in Oppenweiler: Während der Dreharbeiten zu dem Film ist diese Drohnenaufnahme entstanden. Fotos: Laser Hotline

Von Ingrid Knack

OPPENWEILER. Sie sind Urgesteine der Wanderkino-Szene: Klaus Friedrich vom Mobilen Kino mit Sitz in Esslingen und Gerhard Göbelt vom MoKi in Ludwigsburg. Sie spielen in dem Dokumentarfilm „Kultourhelden – vom Ende einer Ära“ Hauptrollen. Die Weltpremiere ist am Samstag, 3. Juli, im Schlossgarten in Oppenweiler. Warum ausgerechnet Oppenweiler? Dazu der Regisseur und Drehbuchautor Wolfram Hannemann: „Das Open-Air-Kino in Oppenweiler bekommt in meinem Film einen sehr breiten Raum; unter anderem kommen auch Bürgermeister Bernhard Bühler und Standesbeamtin Antje Welz zu Wort. Zudem gibt es faszinierende Drohnenaufnamen von dieser einmaligen Location.“ Stilecht vorgeführt wird die 105-minütige Dokumentation von einem der im Film porträtierten Wanderkinos bei den Open-Air-Kinonächten in Oppenweiler. Die Moderation übernimmt Peter Kreglinger. „Der langjährige Redakteur des SDR-(heute: SWR-)Hörfunkprogramms hat insbesondere durch seine stets auf den Punkt gebrachten Filmkritiken große Bekanntheit erlangt und ist vielen Fernsehzuschauern als Moderator der Sendung Kinokalender in guter Erinnerung geblieben“, erklärt Hannemann. Er selbst und die Protagonisten sind ebenfalls vor Ort.

Gerhard Göbelt und Klaus Friedrich sind gleich alt: 1956 wurden sie geboren. Seit den 1980er-Jahren touren die beiden, die ihre Passion in jungen Jahren zunächst im Lehrerberuf gesehen und eine entsprechende Ausbildung gemacht hatten, regelmäßig durchs Land und bringen Kinokultur in die kleinen Kommunen, in denen es keine Lichtspielhäuser gibt. Nicht nur in Gemeindehallen oder auf der grünen Wiese. Klaus Friedrich zeigte beispielsweise schon mal auf einer Bodenseefähre „Die Fischerin vom Bodensee“. Das Kino und das Tingeln liegen ihm offensichtlich im Blut. Im Trailer zu der Dokumentation verrät er, dass seine Großmutter väterlicherseits in der Nähe von Freiberg ein Stummfilmkino hatte und Verwandte mütterlicherseits mit einem Jahrmarktkarussell ihre Brötchen verdienten. „Wenn man die zwei zusammenaddiert, kommt natürlich das Wanderkino heraus“, sagt er. Anfangs arbeiteten Friedrich und Göbelt für das Kinomobil Baden-Württemberg, dann aber sollte ihnen die Programmplanung entzogen werden. Deshalb machten sie sich zunächst in einem gemeinsamen Unternehmen selbstständig. Seit 1998 ist jeder sein eigener Chef. Damit es keine Konkurrenz unter ihnen gibt, teilten sie die Gemeinden, in denen sie ihre Filme zeigen wollten, einfach auf. Bald aber wird auch dies Geschichte sein. Wolfram Hannemann: „Denn für Göbelt und Friedrich beginnt schon bald das Rentenalter. Und weil es keine Nachfolger für sie gibt, droht nun auch noch das letzte Kulturgut in vielen kleinen Gemeinden Baden-Württembergs wegzubrechen.“ Der Dokumentarfilm, in dem Hannemann die „Kultourhelden“ porträtiert, ist eine Bestandsaufnahme und eine Hommage an die beiden und ihr Wirken über mehrere Jahrzehnte hinweg. Sie selbst sind damit Teil der Filmgeschichte geworden. Entstanden ist der Streifen während der Coronapandemie, in der auch bei den Wanderkinos über weite Strecken nichts mehr ging. Die Transporter, in denen die schweren, für die Filmvorführungen benötigten Utensilien von Ort zu Ort gebracht wurden, standen still.

Der privat finanzierte und im Eigenverleih vertriebene Film ist ein Herzensprojekt von Filmemacher Wolfram Hannemann: „Ich kenne die beiden Kinomacher schon seit vielen Jahren und schätze ihre Arbeit und ihren unermüdlichen Einsatz für die Filmkultur im ländlichen Raum sehr. Als ich mir darüber bewusst wurde, dass beide Kultourhelden gerade dabei sind, ins Rentenalter einzutreten, wurde mir augenblicklich klar, dass es hier in absehbarer Zeit einen Umbruch geben wird. Mit der Folge, dass es in vielen kleinen Gemeinden in Baden-Württemberg bald keine Filmvorführungen mehr geben könnte. Mit meinem Film möchte ich nicht nur auf diese Gefahr hinweisen, sondern vor allem auch das Lebenswerk der beiden Wanderkino-Betreiber würdigen. Mein Team und ich haben den Film in der Rekordzeit von einem Jahr fertiggestellt, wobei uns hier der Lockdown in die Hände gespielt hat, weil es für uns während dieser Zeit praktisch nichts anderes zu tun gab.“

Der Dokumentarfilm wird nach der Premiere ab 5. August in ausgewählten Kinos zu sehen sein.

Der Film „Kultourhelden“ wird nach den Worten Hannemanns seine reguläre Kinoauswertung ab Anfang August erfahren. Im Rahmen einer Kinotour wird die Dokumentation dann auch in größeren Städten wie Stuttgart und Heilbronn zu sehen sein. „Unter anderem auch in der renommierten Schauburg in Karlsruhe“, so Hannemann. Auch wenn der Filmstart in eine schwierige Zeit fällt, da es nach fast einem Jahr der Kinoschließungen besonders viele neue Filme gibt, die sozusagen gleichzeitig in die Kinos drängen, bleibt der Filmemacher optimistisch: „Wir werden unser Publikum finden – auch wenn wir ausgerechnet am Termin in Oppenweiler parallel zum EMViertelfinale antreten. Ich denke, dass die Menschen nach den langen Einschränkungen geradezu nach solchen Open-Air-Veranstaltungen lechzen.“ Wenigstens hofft der Filmemacher, dass sich der Deal des gesamten Teams mit Petrus auszahlt und die Laser-Hotline-Produktion unter klarem Sternenhimmel angeschaut werden kann.

Wolfram Hannemann stammt aus Ludwigsburg und lebt in Korntal. Nach dem Studium der Technischen Informatik und 14 Jahren Softwareentwicklung für einen großen Telekommunikationskonzern gründete er 1992 „Laser Hotline“, einen Versandhandel für den Vertrieb von Medien wie Laserdiscs sowie DVDs und Blu-Ray-Discs. 2011 stieg der von Kind an filmbegeisterte Allrounder in die Film- und Videoproduktion ein und hatte bald schon einen eigenen Youtube-Kanal, für den er Stuttgarter Filmpremieren mit Featurettes in Bild und Ton festhielt. Mit der Zeit wurden die Videoprojekte ambitionierter und führten 2014 zu seinem ersten längeren Dokumentarfilm „Remembering Widescreen“, der auf dem „Widescreen Weekend“ im Rahmen des Bradford International Film Festivals in England mit großem Erfolg der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Seine zweite Arbeit für die große Kinoleinwand, „Think Big“, wurde als Beitrag für das „10. Todd-AO 70mm Filmfestival“ in der Karlsruher Schauburg ausgewählt. 2016 realisierte er seinen ersten abendfüllenden Dokumentarfilm „Lob ist schwerer als Tadel“, in dem er Stuttgarts Filmkritiker porträtiert. Auch er selbst schreibt Filmkritiken unter anderem für die Stuttgarter Nachrichten.

Filmstart ist um 22 Uhr

Die Kinonacht am Samstag, 3. Juli, im Schlossgarten Oppenweiler mit der Präsentation der „Kultourhelden“-Dokumentation startet um 22 Uhr. Einlass ist ab 20 Uhr. Es gibt eine Bewirtung. Der Eintritt kostet acht Euro. Karten gibt es an der Abendkasse.

Es wird darum gebeten, eigene Stühle und Sitzgelegenheiten mitzubringen. Und: „Denken Sie an entsprechende Kleidung und Decken“, so der Veranstalter. Zudem bittet er darum: „Beachten Sie bitte die an diesem Tag aktuell gültigen Coronaregelungen.“ Alle weiteren Informationen gibt es unter: www.kultourhelden.de.