Im Theaterstück tobt der Gänsekrieg auf dem Backnanger Freithof

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erkämpften sich die Backnangerinnen ihr Recht auf die Gänsehaltung zurück. Das Geschehen von damals haben Jasmin Meindl und Christian Muggenthaler vom Backnanger Bandhaus-Theater in ihrem Theaterstück „Der Gänsekrieg“ aufgearbeitet.

Im Theaterstück tobt der Gänsekrieg auf dem Backnanger Freithof

Auf dem Freithof hinter der Stiftskirche stehen Ursula Berlinghof (von links) als Bachin, Emily Schmeller als Violetta und Leslie Roehm als Hagin bei einer Probe gemeinsam auf der Bühne. Fotos: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Backnang. „Hättet ihr das auch gemacht, wenn ihr gewusst hättet, wie viel Arbeit dahintersteckt?“ Die Frage von Regieassistent Xaver Niedhammer bringt Jasmin Meindl noch immer ein bisschen zum Schmunzeln. Meindl, die zusammen mit Juliane Putzmann das Bandhaus-Theater in Backnang leitet, ist sich des Aufwands durchaus bewusst, den eine Freilichttheaterproduktion im Großformat bedeutet. 2017 wurde ihr Theaterstück „Judith von Backnang“ auf dem Freithof hinter der Backnanger Stiftskirche aufgeführt.

„Der Gänsekrieg“ ist das zweite Stück des Bandhaus-Theaters, das auf der von Kastanienbäumen beschatteten Bühne zur Aufführung kommt. Und es ist der zweite historische Stoff, den Autorin Jasmin Meindl und Autor Christian Muggenthaler aufgearbeitet haben. Zusammen haben die beiden auch die Vorlage für die „Judith“ geschrieben.

Die Idee für den „Gänsekrieg“ hatte die Bandhaus-Leiterin bereits im vergangenen Herbst. Den Anstoß gab die ehemalige Gemeinderätin Dorothee Winter. „Schon als sie es ausgesprochen hatte, dachte ich: Stimmt, das ist eine ganz tolle Episode aus der Stadtgeschichte von Backnang, die wie fürs Freilicht gemacht ist“, erzählt Meindl.

Von einem Tag auf den anderen wurde die Gänsehaltung verboten

Das Stück stützt sich auf wahre Begebenheiten: Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde in Backnang von einem Tag auf den anderen das Recht auf Gänsehaltung verboten. Gänse beziehungsweise ihr Fleisch und ihre Federn waren zu jener Zeit eine wichtige Einkommensquelle. Ihr Futter suchten sich die Tiere selbst. Durch die Gassen wurden sie auf die Felder getrieben. Doch mit der Zeit häuften sich die Klagen über zerstörte Gärten und Felder und den Unrat, den die Gänse hinterließen. 1606 folgte das Verbot. Doch das nahmen die Backnangerinnen nicht stillschweigend hin. Sie wandten sich an den Herzog im nahen Stuttgart – der Auftakt für eine mehrjährige Auseinandersetzung, die mit einem Erfolg für die Frauen endete, „allem Widerstand zum Trotz“, wie Meindl betont.

Herausforderung: Alle gemeinsam auf die Bühne bringen

Diese Geschichte reizte auch Annalena Maas, die zum ersten Mal mit dem Bandhaus-Theater zusammenarbeitet. Ihr seien feministische Themen wichtig, sagt die 1985 in Saarbrücken geborene Regisseurin, die Regie an der Theaterakademie August Everding studiert hat und hauptsächlich im bayerischen Raum inszeniert. Interessant findet sie auch die Frage, was Minderheiten bewirken können. „Der Backnanger Gänsekrieg ist der erste dokumentierte Widerstand von Frauen gegen die Obrigkeit. Es ist spannend zu sehen, wie so eine Bewegung organisch entsteht“, sagt sie neben der Bühne, die mittlerweile auf dem Freithof aufgebaut ist. Und für die Backnangerinnen und Backnanger habe es bestimmt noch einmal einen besonderen Reiz, die eigene Geschichte an den Plätzen nachzuerleben, an denen sie vielleicht tatsächlich passiert ist, fügt sie hinzu.

Außerdem könne sich das Publikum auf tolle Musik freuen. „Das Stück ist dazu noch sehr kurzweilig geschrieben. Die Szenen und Dialoge sind sehr schnell und lustig“, so Maas. Das Ensemble sei ein Traum. Eine Herausforderung sei es nur, alle Beteiligten gemeinsam auf die Bühne zu bringen, denn die professionellen Schauspielerinnen und Schauspieler, welche die Hauptrollen spielen, stehen abends häufig anderswo auf der Bühne, die Laiendarsteller der Backnanger Bürgerbühne gehen vormittags und nachmittags ihren Berufen nach.

An diesem Spätvormittag proben Leslie Roehm in der Rolle der Hagin und Ursula Berlinghof als Bachin auf der hölzernen Bühne eine Schlüsselszene. „Wir leben in einer gottgegebenen Ordnung, in der jedem sein Platz zugewiesen ist“, weist die Bachin die Hagin zurecht, nachdem Letztere sich über das Verbot der Gänse empört hat. Wie lange diese Ordnung aufrechterhalten wird, auch das ist Inhalt des Stücks.

Leslie Roehm, Jahrgang 1974, spielte schon bei der „Judith von Backnang“ mit. In der Komödie „Ein Geschenk der Götter“ steht sie am 2. und am 9. Juli in Pforzheim als Kinderpflegerin Betty auf der Bühne. Als sie die Anfrage aus Backnang bekam, sagte sie sofort zu, berichtet Roehm. „Ich fand das Stück toll und wollte unbedingt dabei sein. Auch weil eine junge Frau Regie führt.“ Die Person, die sie spielt, die Hagin, beschreibt die Schauspielerin als eine „sehr pragmatische Frau, die versucht, ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten“.

Der Reiz an der Figur der Bachin sei es, „dass man zeigen kann, wie lang und schwer der Weg sein kann, bis man sich traut, den Mund aufzumachen“, so Ursula Berlinghof über ihre Rolle. Jasmin Meindl und Juliane Putzmann fragten die 1961 geborene Schauspielerin an, nachdem sie sie in Stuttgart in der Komödie im Marquardt im Stück „Willkommen bei den Hartmanns“ gesehen hatten. Berlinghof hatte zunächst terminliche Probleme, aber als die Premiere ihr zuliebe verschoben wurde, konnte sie nicht anders als zuzusagen, erzählt sie. Mit Regisseurin Annalena Maas hat sie bereits in München zusammengearbeitet.

In zwei Stunden werden die Ereignisse aus einem halben Jahrzehnt nacherzählt

Beim Schreiben haben sich Jasmin Meindl und Christian Muggenthaler sehr an die Fakten gehalten. Einiges sei selbstverständlich für die Aufführung verdichtet worden: In rund zwei Stunden werden die Ereignisse aus mehr als einem halben Jahrzehnt nacherzählt. Aus der historischen Vorlage – ein paar wenigen Zetteln aus dem Staatsarchiv in Stuttgart – sei ein modernes Märchen geworden, eine klassische Heldinnenreise mit allen Stationen sagt Meindl: „Wir erzählen exemplarisch, wie es Frauen ergeht, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen.“

Bei der Umsetzung des Stücks habe sie auf die Erfahrungen mit „Judith von Backnang“ zurückgreifen können. „2017 war es wirklich so, dass wir von Null anfangen mussten. Jetzt konnten wir zum Beispiel einfach den Sitzplan übernehmen, die Treppen und Podeste waren noch beim Bauhof eingelagert und Peter kannte den Platz schon“, sagt Meindl. Peter Engel war schon beim ersten Freilichtstück für die Bühne zuständig. Er freute sich, an den „wunderschönen Ort unter den Kastanien und mit der Stiftskirche im Hintergrund“ zurückzukehren. Auf der absichtlich schlichten Holzbühne hat Engel ein Drehelement geschaffen, das zugleich Skulptur und Zimmer der Bachin ist. Das komme den schnellen Szenenwechseln entgegen. Für das Bühnenbild macht Engel das meiste selbst: „Es ist viel Schreinerarbeit.“ Gute zwei Wochen hat er noch für die letzten Handgriffe und den Feinschliff. Am 16. Juli findet die Uraufführung des „Gänsekriegs“ statt – sofern das Wetter mitspielt.

Termine und Tickets

Termine Am Samstag, 16. Juli, findet von 20.30 Uhr an die Uraufführung des Stücks „Der Gänsekrieg“ auf dem Freithof hinter der Stiftskirche in Backnang statt. Weitere Termine sind Sonntag, 17. Juli, Donnerstag, 21. Juli, Freitag, 22. Juli, Samstag, 23. Juli, Sonntag, 24. Juli, Donnerstag, 28. Juli, Freitag, 29. Juli, Samstag, 30. Juli und Sonntag, 31. Juli. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr.

Tickets Karten für die Aufführung kosten zwischen 10 und 28 Euro. Sie sind erhältlich unter www.easyticket.de/veranstalter/B14.

Informationen Weitere Infos rund um das Stück gibt es unter www.gaensekrieg.de.