Inspiration durch Kalbsleberwurst und Hochwasser

Im Rahmen des Kultursommers hat die Backnanger Künstlergruppe ihre Werke einmal ganz anders präsentiert, als „Kunst am Geländer“.

Inspiration durch Kalbsleberwurst und Hochwasser

Die Künstler Herbert Seybold, Rainer Vogt, Kurt Entenmann, Elke Vetter und Sieghart Hummel ( von links) waren am Nachmittag vor Ort, sodass Besucher mit ihnen ins Gespräch kommen konnten. Foto: J. Fiedler

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Die Balustrade gegenüber dem Markgrafenhof bis zur Städtischen Galerie wurde am Samstag zum Ausstellungsort für Kunstwerke. Als bei der Künstlergruppe angefragt wurde, ob sie sich am Backnanger Kultursommer beteiligen würden, bestand nur kurz die Überlegung, welchen Raum sie für eine Ausstellung nutzen könnten. Elke Vetter, erste Vorsitzende der Künstlergruppe, hatte die Idee, die Arbeiten einfach mal im Freien auszustellen. Natürlich birgt ein solches Vorhaben auch seine Tücken. Der zunächst angesetzte Termin musste verschoben werden, weil Regen angesagt war. Nur wenige Tropfen hätten die Bilder beschädigt. Am Samstag konnte die Aktion dann stattfinden.

Am Geländer zeigte Elke Vetter Kompositionen in Collagetechnik. Für ihre abstrahierten Werke benutzt sie etwa selbst bedrucktes Papier oder Makulaturpapier und kombiniert das Ganze mit Materialien wie dem Gewebe eines Kartoffelsacks. Viele Arbeitsschritte sind nötig, wenn eine Collage entsteht. Bei Sieghart Hummels Bildern ist für den Betrachter nicht mehr ersichtlich, dass der Ausgangspunkt eigentlich ein Foto von einem Hund mit Hut war. Dieses hat er am Computer verfremdet, sodass abstrakte Flächen und Formen entstehen. Beim endgültigen Ölbild erscheint ein Gebilde, das einem Stachel ähnelt, was der Serie mit drei Bildern den Namen „Stachelfritz“ gegeben hat. Die meisten der ausstellenden Künstler waren am Samstagnachmittag anwesend, sodass Besucher, die gezielt kamen, oder auch zufällig vorbeikommende Passanten die Möglichkeit hatten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

„Wurstbilder“ sind die Spezialität von Herbert Seybold und er nähert sich diesem Thema auf vielfältige Weise. Der Titel eines Bildes lautet „3 im Golddarm“. Beim Metzger ließ er sich vom Anblick der Hülle einer Kalbsleberwurst inspirieren und hat den Bildhintergrund in einer Farbe gemalt, die dem nahekommt, „was drin ist“, wie er erläutert. Seine Wurstbilder sind schon vor längerer Zeit entstanden. Ein neueres Bild ist eine Auseinandersetzung mit Stillleben, in der es auch um Nahrungsmittel geht. Der Titel lautet „Stillleben mit Bierkrug“.

Ein neueres Mitglied der Backnanger Künstlergruppe ist Kurt Entenmann. Er ist seit etwa einem Jahr dabei und beschäftigt sich mit der Fotografie. Dabei hat er einen Blick für außergewöhnliche Strukturen und Kompositionen. Im Warteraum eines Flughafens hat er etwa die geometrischen, zum Teil spitz zulaufenden Formen der Deckenkonstruktion im Bild festgehalten. In einer Kirche in Italien faszinierte ihn die Lichteinstrahlung, die bei einer Renovierung durch einen Bauvorhang fiel. Auch Ursula Draxlers Fotoarbeiten führen nach Italien und erinnern gleichzeitig an das Hochwasser 2009, von dem ihr Atelier in Oppenweiler betroffen war. In den schlammigen Fluten, die damals fast einen Meter hoch in ihrem Atelier standen, fand sie Fotos mit Urlaubserinnerungen an Venedig. Durch chemische Prozesse in der Schlammlache des Hochwassers war die Oberfläche der Fotos verändert und mit Resten von Zeitungspapier behaftet, die sie eigentlich zum Trocknen benutzen wollte. Die Umwandlung durch zufällige, äußere Einwirkungen hat sie gezielt in Fotoausschnitten in Szene gesetzt. Ernst Hövelborn gab Einblicke in Arbeiten, die vor rund 40 Jahren entstanden sind und sich mit Verpackungsmaterial beschäftigen. Auf besondere Weise ist die Schnürung angeordnet. Die Drucke von Rainer Vogt wirken auf den ersten Blick wie abstrakte Arbeiten. Sie sind jedoch stark vergrößerte Ausschnitte aus Porträtbildern, bei denen der dynamische Pinselstrich im Vordergrund steht und Details wie etwa eine Lippe oder ein Auge kaum noch erkennbar sind.

Mehrere Ausstellungen hatte die Backnanger Künstlergruppe für das Jahr 2020 geplant, die alle wegen Corona abgesagt werden mussten, so Elke Vetter. Bei der Aktion „Kunst am Geländer“ war den Künstlern vor allem wichtig, zum ersten Mal nach langer Zeit ihre Arbeiten wieder bei einer gemeinsamen Aktion zu präsentieren.