Neue Ausstellung im Helferhaus: Körper und Landschaft im Dialog

Körperdrucke von Renate Gross und Landschaften von Carmen Ulrich sind vom kommenden Sonntag an im Helferhaus in Backnang im Rahmen der Reihe „Doppelpass“ zu sehen. Bis vor Kurzem kannten die beiden Künstlerinnen sich noch nicht, doch ihre Werke harmonieren wunderbar.

Neue Ausstellung im Helferhaus: Körper und Landschaft im Dialog

Zwischen den Werken von Carmen Ulrich (links) und Renate Gross (jeweils vor ihren Bildern) gibt es auch viel Verbindendes. Fotos: Alexander Becher

Von Annette Hohnerlein

Backnang. Die Arbeiten der beiden Künstlerinnen sind auf den ersten Blick gegensätzlich: Die eine beschäftigt sich mit Landschaften, in denen kein lebendes Wesen vorkommt, die andere widmet sich der menschlichen Figur unter Einsatz ihres eigenen Körpers. Geht das zusammen? Ja, und zwar so gut, dass die Bilder der beiden Malerinnen bei der Ausstellung „Körperdruck und Malerei, Renate Gross und Carmen Ulrich“ in der Backnanger Galerie im Helferhaus im Wechsel nebeneinander hängen können.

Das funktioniert, weil es auch Verbindendes zwischen den Werken gibt: die große, teilweise dramatische Geste, der starke malerische Ausdruck, die Vielschichtigkeit des Farbauftrags. In diesem Spannungsfeld entsteht ein Dialog zwischen den beiden künstlerischen Positionen, der den Betrachter fordert, aber auch inspiriert.

Dabei kannten sich Gross und Ulrich bis vor Kurzem noch gar nicht. Beide setzten sich unabhängig voneinander mit dem Heimat- und Kunstverein wegen einer Ausstellung in Verbindung. „Wir haben so viele Anfragen, und ich möchte so viel zeigen“, sagt Ulrich Olpp, der erste Vorsitzende des Vereins. So entstand die Idee zu dem Format „Doppelpass“, bei dem schon mehrfach zwei Kunstschaffende gemeinsam ausgestellt haben.

Das Meer, die Dünen und derHimmel sind zentral bei Carmen Ulrich

Carmen Ulrichs Thema ist die nordische Landschaft. Bei ihren regelmäßigen Reisen, unter anderem nach Dänemark, legt sie sich einen „inneren Fundus im Kopf“ an, so nennt sie es, wenn sie Stimmungen, Farben, Strukturen und Kompositionen in sich aufnimmt. Sie malt nicht vor der Natur, macht auch keine Skizzen, allenfalls ein paar Fotos als Gedankenstütze. In ihrem Atelier setzt sie sich später mit den Fundstücken in ihrer Erinnerung auseinander: den Farben des Himmels, dem stillen oder aufgepeitschten Meer, den geschwungenen Dünen, dem vom Wind zerzausten Strandhafer.

Und sie experimentiert in einem ergebnisoffenen Prozess. „Ich finde es spannend, Techniken auszuprobieren“, sagt sie, „Ich weiß oft nicht, was dabei rauskommt.“ Was bei diesem Prozess an Versuchen und Vorarbeiten, also quasi an Abfallprodukten anfällt, ergibt wieder etwas Neues. Diese Kleinformate bilden, in lockerer Anordnung gehängt, ein eigenständiges Werk.

Auf diese Weise entstehen Bilder, die als Prototypen für die Meereslandschaft im Norden Europas stehen können, in klaren Schwarz-Weiß-Kontrasten oder sensiblen Farbkompositionen, als großes Panorama oder in der Detaildarstellung, mit starker Tiefenwirkung oder als flächige Struktur. Dabei bewegt sich Ulrich weit in Richtung Abstraktion. Dennoch ist dem Betrachter in diesem Kontext klar: Die geschwungenen weißen Linien auf dunklem Grund stellen Strandhafer dar, die blauen Flächen mit Rinnsalen und Punkten Meerwasser.

Die dreiteilige Serie „Vom Meer“ entstand übrigens, indem die Malerin die Farbe vom Balkon ihrer Wohnung im dritten Stock aus auf den Malgrund tropfen und danach ablaufen ließ. Ulrich hat an der Kunstakademie Esslingen studiert und lebt in Winterbach.

Bei Renate Gross geht es um etwas ganz anderes

Ein völlig anderes Thema hat sich Renate Gross zu eigen gemacht: die menschliche Figur. Vor 30 Jahren begann sie, mit Abdrücken ihres eigenen Körpers zu arbeiten. Aus dieser Zeit stammt ein 17-teiliger Passionszyklus, der das Leiden Jesu im wahrsten Sinn des Wortes verkörpert. Die Künstlerin bestrich ihre Haut mit einer mit Erdpigmenten vermischten Zellulosesubstanz und machte dann Abdrücke auf Papier.

Das schnitt sie in Stücke, teils groß wie ganze Gliedmaßen, teils fingernagelklein, und setzte diese in Form einer Collage neu zusammen. Das Ergebnis sind Arbeiten von gewaltiger Kraft, die Schmerz und Aggression, aber auch in der Darstellung der Auferstehung die Überwindung dieser Gefühle darstellen. Den körperlichen Einsatz der Künstlerin, die Hingabe an und auch das Leiden durch die Arbeitsweise, meint man als Betrachterin der Bilder unmittelbar mitzuerleben. Diese Art, den eigenen Körper einzusetzen und wahrzunehmen, hat Gross auch schon in Workshops für Frauen nach einer Krebserkrankung vermittelt.

Zum Teil dauert es bis zu sieben Jahre, bis so ein Bild fertig ist

Die Technik des Körperdrucks wendet die Künstlerin auch in ihrer umgekehrten Form an. Dabei wird die Farbe nicht mit dem Körper auf das Papier aufgebracht, sondern von einer vorab mit Farbe bestrichenen Fläche teilweise abgenommen. Diese Negativdrucke bearbeitet Gross anschließend weiter, indem sie bestimmte Partien übermalt, auswäscht, einreibt oder auch mit Tee, Kaffee oder Wein behandelt. „Zum Teil dauert das bis zu sieben Jahre, bis so ein Bild fertig ist“, erzählt sie. Bei manchen Werken geht die Nachbearbeitung so weit, dass vom Körperabdruck selbst kaum noch etwas zu sehen ist. Nur ein paar Spuren auf dem Papier wie Knicke oder Verformungen erinnern daran.

Die Körperdrucke sind bis heute ein wichtiger Teil der Arbeit von Renate Gross, die an der Freien Kunstschule Stuttgart studiert hat und in Urbach lebt. „Ich bin noch nicht zu Ende damit“, sagt sie. „Die Faszination hält an.“