Kurklinikaufenthalt in Schwäbisch Sibirien

Premiere des Stückes „Glaubersalz zum Nachtisch“ in der Gruschtelkammer – Geschichte, wie aus dem echten Leben gegriffen

Mit einer fulminanten Aufführung ihrer Theatergruppe ging die Gruschtelkammer in Auenwald am Freitag mit ihrer 22. Spielsaison in den Endspurt.

Kurklinikaufenthalt in Schwäbisch Sibirien

Amadeus Motzer muss sich nicht durch eine Fastenkur kämpfen, sondern leidet auch unter zu vielen strengen Frauen in seinem Leben. Foto: A. Becher

Von Wolfgang Gleich

AUENWALD. Besser hätte die Premiere von „Glaubersalz zum Nachtisch“ in der Sängerhalle nicht laufen können. Lachsalven begleiteten das Spiel von der ersten bis zur letzten Minute, und der Beifall wollte schier kein Ende nehmen, als nach der dreistündigen Vorstellung im Saal endgültig die Lichter angingen. Das Rezept für den Erfolg war auch kaum zu toppen: Ein Zweiakter mit einer Geschichte, fast wie aus dem richtigen Leben gegriffen, eine vordergründig durchschaubare Handlung, die aber dennoch die eine oder andere verblüffende Wendung parat hielt und ihrer Auflösung entgegen mäanderte, dazu ein Ensemble, das trotz oder gerade wegen des grassierenden Lampenfiebers die Spielfreude und gute Laune verschwenderisch großzügig in den Saal hinein versprühte.

Mit Glaubersalz in der Blutbahn ist man sexy wie ein Truthahn

Heidi Magers Komödie, die Werner Papst wortgewaltig ins Schwäbische übertragen und jedem einzelnen der Akteure mundgerecht zubereitet hatte, ließ nostalgische Erinnerungen an eine gute alte Zeit vor einem halben Jahrhundert wieder auferstehen, als hierzulande die Überzeugung fröhliche Urstände feierte, jedes Krankenkassenmitglied über 40 verfüge über ein gottgegebenes Naturrecht darauf, alle zwei Jahre einen kostenlosen Erholungsurlaub, genannt „Kur“ genießen zu dürfen. Für jüngere Semester mag dies mittlerweile wie eine Mär aus vergangenen Zeiten klingen, von den älteren wird sich der Eine oder Andere noch an diese, in der Welt der Zuzahlungen geradezu paradiesisch anmutenden Verhältnisse erinnern.

Vor allem sie fühlten mit Günther Greiner, dem Neuzugang in der Theatergruppe, der sich in der Rolle des frisch pensionierten Bankfilialleiters Amadeus Motzer in einer Kurklinik „in der Pampa Schwäbisch Sibiriens“ durch eine Fastenkur kämpfen musste – welch krasser Kontrast zu dem opulenten Wurstsalat, den habhaften Maultaschen oder dem würzigen Leberkäs, den das Publikum im Saal verputzte, während es gebannt verfolgte, wie Amadeus Motzer auf den Brettern oben litt und gegen den quälenden Hunger, die Schwertgosch seiner Ehefrau Ellen (Petra Graf), die Penetranz seiner Schwägerin Uschi, der Mary Schweinberger geradezu zwingendes Leben verliehen hatte, ankämpfen musste. Erschwerend hinzu kam Schwester Monika (Stephanie Arcuria), die wie ein Zerberus darüber wachte, dass Amadeus auch penibel seine Diät einhielt, Chefärztin Dr. Schnabel (Nicole Mehl), die Motzer und seine beiden Begleiterinnen partout in eine Familientherapie hineinzwingen wollte, und der Mitzimmerbewohner und -kurgast Markus Junghans (Bernd Brendike), dem die Frauenherzen nur so zuzufliegen schienen. Für Amadeus ein Grund mehr, ihm nicht über den Weg zu trauen.

Und was es mit dem Glaubersalz auf sich hat? Das enthüllt Schwester Monika, die zum Glück alle Fäden in der Hand behält: „Hast du Glaubersalz in der Blutbahn, bist du sexy wie ein Truthahn.“ Von ihr stammt auch die letztendlich alles entscheidende Erkenntnis: „Die Liebe ist eine ganz schlimme Krankheit, da müssen immer gleich zwei ins Bett.“

Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch Monika Kieninger, die als Souffleuse hinter dem Vorhang textsicher durch die Vorstellung führte und das geradezu geniale Bühnenbild, mit dem Bernd Brendike alle Blicke auf die Bühne bannte.

Info
Es gibt noch Restkarten

„Glaubersalz zum Nachtisch“ wird am 3. und 4. sowie 10. und 11. Mai in der Gruschtelkammer in der Sängerhalle in Oberbrüden aufgeführt. Für die ersten drei Vorstellungen sind noch Restkarten erhältlich.