Lebenswelten zwischen Wannenbad und Puppenklinik

Claudia Ackermann und Peter Wolf sind tief in die Backnanger Geschichte eingetaucht und legen nun den vom Heimat- und Kunstverein herausgegebenen Band „Backnang. Rückblicke. Bilder und Geschichten“ vor. Sie laden am Sonntag zu Signierstunden im Helferhaus ein.

Lebenswelten zwischen Wannenbad und Puppenklinik

Claudia Ackermann und Peter Wolf bei der Präsentation ihres Backnang-Buchs im Helferhaus. Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

Backnang. Nach unzähligen Stunden der Recherche, der Gespräche mit Zeitzeugen, Historikern und dem Stöbern im mehrere Hundert historische Bilder umfassenden Archiv von Peter Wolf stellten die Autorin Claudia Ackermann und der Fotodesigner Peter Wolf nun das Buch „Backnang. Rückblicke. Bilder und Geschichten“ vor. Eine solch umfassende, höchst unterhaltsame Präsentation an kolorierten Backnang-Ansichten und Schwarz-Weiß-Fotografien, denen Fakten, Anekdoten und Geschichten über Backnang zugeordnet werden, hat es bisher nicht gegeben. Wer das vom Heimat- und Kunstverein herausgegebene Buch gelesen hat, erfährt indes nicht nur viel über Backnang, sondern auch über vergangene Lebenswelten, wie sie überall in unseren Breiten mehr oder weniger ähnlich ausgesehen haben. Zum Beispiel war es um die 1950er- und 1960er-Jahre nichts Besonderes, sich in einem der Wannenbäder gründlich zu waschen, die in Hallenbädern zu finden waren. So auch im ersten Backnanger Hallenbad im Schlachthof in den Etzwiesen.

Die Zeitungsserie „Blick ins Archiv von Peter Wolf“ war die Initialzündung

Inspiriert wurden Ackermann und Wolf zu dem Backnang-Buch durch ihre über ein Jahr lang laufende Serie in der Backnanger Kreiszeitung mit dem Titel „Blick ins Archiv von Peter Wolf“. Diese wurde in einer Zeit gestartet, als alle Museen wegen der Coronapandemie geschlossen hatten. Die Resonanz auf die Serie war so groß, dass immer wieder nachgefragt wurde, ob die einzelnen Folgen nicht in einem Buch zusammengefasst werden könnten. Schließlich überarbeiteten Claudia Ackermann und Peter Wolf ihre ab Mai 2020 in der BKZ erschienenen Artikel noch einmal grundlegend neu. Durch die Zeitungsveröffentlichungen hatten sich einige Backnanger gemeldet, die verschollen geglaubtes Wissen zu dem einen oder anderen Thema beitragen konnten oder sich auf einem Foto wiederfanden. Peter Wolf: „Wie die Frau, die uns sagte, dass ein Jugendbild von ihr in der Zeitung war.“ Ihr Name war ihm bis dahin nicht bekannt. Die neuen Erkenntnisse wurden in die bestehenden Texte genauso eingearbeitet wie die Ergebnisse weiterer Recherchen zu einzelnen Themen. „Ich habe selbst viel über Backnang gelernt – und ich bin in Backnang aufgewachsen. Das war für mich in der Coronazeit wie eine Reise in die Vergangenheit. Und ich habe Dinge entdeckt, die ich vorher noch nie bemerkt habe“, sagt Claudia Ackermann. „Seither gehe ich mit anderen Augen durch die Stadt.“ Sie empfiehlt vor allem, immer mal wieder hochzuschauen: „Dann siehst du die alten Strukturen.“ So wie bei der einstigen Post an der Ecke Marktstraße/Wassergasse. Einer der Anlässe für Ortsbegehungen war zudem, dem Standort des Monn’schen Fraunstifts am Ölberg, dem „Wohnsitz für hiesige arme Bürgers Witwen und auch für ältere ledige Weibspersonen“ nachzuspüren. Kaum einer erinnert sich mehr daran.

Entstanden ist nicht nur ein Backnang-Nachschlagewerk, sondern auch ein Buch zum Schmökern, in dem jedes Kapitel auch für sich stehen kann. Wer in seiner Kindheit und Jugend in der Aspacher Vorstadt gelebt hat, wird sich sicher erst einmal in diese Thematik vertiefen. Dabei geht es beispielsweise um den als „die Limpurg“ bekannten Christian-Hämmerle-Bau oder das Seminar, das Backnang zum Hochschulstandort machte. Gegliedert ist der Band in Beiträge zur Innenstadt, zur Oberen, Sulzbacher und Aspacher Vorstadt. Überdies werden unter der Rubrik „Verschiedene Standorte“ Themen wie der Anschluss an das internationale Eisenbahnnetz oder Überschwemmungen behandelt, die zu Katastrophen führten.

Fast jedes Kapitel beginnt mit einer kolorierten Ansicht. Bei diesen Ansichten können Realität und Fantasievorstellungen durchaus verschmelzen, erklärt Peter Wolf und weist augenzwinkernd auf die azurblaue Murr auf einem Bild hin. Bemerkenswert findet Wolf auch, dass der Schlachthof zum Motiv auf einer Ansichtskarte wurde.

Was es mit den kolorierten Bildern auf sich hat – viele davon hat der Backnanger Ansichtskartensammler Daniel Waack zur Verfügung gestellt –, erklärt Heimat- und Kunstvereinsvorsitzender Ulrich Olpp im Vorwort: „Beim Anblick der wunderschönen Ansichtskarten stellt sich die Frage, sind das nun gedruckte Fotografien oder kolorierte Zeichnungen? Beides ist der Fall. Sämtliche Farbpartien sind manuell auf den Druckstöcken hineinretuschiert, nur die zeichnungsgebende Schwarzplatte wurde fotografisch übertragen...“ Und schon wieder sind wir mittendrin in der allgemeingültigen Zeitgeschichte.

Die Freude, mit der Claudia Ackermann und Peter Wolf Backnanger Geschichten nachgegangen sind, spiegelt sich in ihren Erzählungen bei der Buchpräsentation. Ackermann kommt zum Beispiel auf das Treffen mit Maria Kübler im Sommer 2020 zu sprechen, diese war zu jenem Zeitpunkt 99 Jahre alt. Noch im Alter von 97 Jahren hat Maria Kübler Puppen repariert. Geschichten wie die vom „Herrenfriseur mit Puppenklinik und Spielzeugladen“, dort, wo heute das Haus Adenauer-Platz 1 steht, und was Kübler damit zu tun hat, flossen nebst O-Tönen in das Buch mit ein. Und immer wieder gibt es Stoff zum Schmunzeln.