Lichtkunstinstallation am Wasserturm in Backnang

Bertil Mark hat für den Backnanger Beitrag zum Projekt „Über:Morgen“ der Kulturregion Stuttgart eine Arbeit speziell für die besondere Backnanger Landmarke konzipiert. Bei der Vernissage gibt es frisch gezapftes Wasserturmwasser.

Lichtkunstinstallation am Wasserturm in Backnang

Um 19.30 Uhr wurde gestern erstmals der Strom für die Lightshow am Wasserturm eingeschaltet. Backnang ist eine von 22 Stationen des Kulturregion-Festivals. Fotos: Alexander Becher

Von Ingrid Knack

Backnang. Mit einem außergewöhnlichen Projekt am Wasserturm ist Backnang beim neuen Kunstfestival der Kulturregion Stuttgart „Über:Morgen“ vom 23. September bis 16. Oktober vertreten. Angesichts des Klimawandels und technologischer Transformation fragt die Kulturregion Stuttgart dabei nach der Identität der Region und nach Werten. Dabei steht beispielsweise die Frage im Vordergrund: Wie wollen wir in Zukunft leben? Das Backnanger Projekt konzentriert sich auf den Backnanger Wasserturm am Dresdener Ring 68. Der Licht- und Bühnendesigner Bertil Mark wird den Turm, den viele Autofahrer und Passanten als besondere Landmarke kennen, mit Licht und Ton in Szene setzen: In dem dreiwöchigen Festivalzeitraum wird das Spektakel täglich um 19.30 und um 19.50 Uhr jeweils für zehn Minuten zu sehen sein.

Die Energiekrise hat die Umsetzung des Lichtkunstprojekts erschwert

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich sagt in diesem Zusammenhang: „Mehr denn je beschäftigt uns alle die Frage: Wie sieht unsere Welt von Über:Morgen aus, wie gestaltet sich unser Zusammenleben oder der Umgang mit Natur und Ressourcen? Das ist ein Thema, das gerade in den letzten Monaten nochmals an Bedeutung und Brisanz gewonnen hat. Was könnte in diesen Kontext des Festivals besser passen als ein Wasserturm, unser Backnanger Wasserturm? Der gut 60 Jahre alte Turm ist ein typisches Beispiel der Stilepoche der 60er-Jahre. Gebaut wurde er damals als gewagte, zukunftsgerichtete Architektur des Aufbruchs, in bewusst geradliniger, direkter Formensprache. Anfangs war der Turm sogar öffentlich begehbar. Ein Café oder Höhenrestaurant im Zwischengeschoss waren auch geplant, wurden aber nie realisiert.“ Es sei gut und richtig, dass sich Kunst immer wieder auch entlegener Orte annehme, sie ins Bewusstsein und auch ins „öffentliche Licht rückt“, so Friedrich.

Vor anderthalb Jahren haben die Planungen begonnen

Die historische Baukultur sowie die wechselvollen Nutzungsüberlegungen, die der Turm im Laufe der Jahre erfahren habe, seien für das Festival ein Anlass, sich den Turm einmal genauer anzuschauen. „Natürlich sind wir uns bewusst, dass wir gerade in Zeiten, in denen wir Strom sparen, indem wir auf die Beleuchtung öffentlicher Denkmäler verzichten, einen besonders kontrovers diskutierten Akzent setzen. Doch auch hier hat unser Geschäftsführer der Stadtwerke Backnang im Zusammenwirken mit unserem Kultur- und Sportamt eine Lösung erarbeitet, die das Thema des Über:Morgens aufgreift, die Kunst durch eine technische Komponente erweitert, legitimiert und komplettiert.“ Im Einzelnen sieht das so aus: Nach einer Idee der Stadtwerke Backnang wird auf der Freifläche vor dem Turm eine Fotovoltaikanlage installiert, die den überwiegenden Teil des für die Licht-Ton-Inszenierung benötigten Stroms über Batteriespeicher zur Verfügung stellt. Die PV-Anlage und der Batteriespeicher werden von der in Oberstenfeld ansässigen Firma AET Beck mietfrei zur Verfügung gestellt. Damit soll die Energiebilanz des Kunstprojekts möglichst ausgeglichen werden. „Wir tun alles, was hier technisch möglich ist“, bekräftigt Thomas Steffen, Geschäftsführer der Stadtwerke. Auch mit der Beschränkung der Inszenierung auf zweimal zehn Minuten täglich sei man bei dem Projekt an die unterste Grenze des noch gut Wahrnehmbaren gegangen, um den Energieverbrauch möglichst gering zu halten. Start der Planungen war vor anderthalb Jahren.

Elektronische Beats gibt es obendrein

Kultur- und Sportamtsleiter Johannes Ellrott spricht von einem großen Glück, dass sich der international gefragte Künstler Bertil Mark, der die Bühnenshows der großen Künstlerinnen und Künstler unserer Zeit wie Jan Delay, Nico Santos oder Cro ins rechte Licht rücke, des Wasserturms als ganz besonderes Bauwerk in Backnang annehme. „Bis heute führt der Wasserturm frisches Wasser, ein Element, das wieder zunehmend mehr in den Fokus rückt, da seine scheinbar endlose Verfügbarkeit doch keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Umso wichtiger, dass dieses Bauwerk und seine Funktion im Rahmen des Festivals Über:Morgen der Kulturregion Stuttgart ganz besondere Aufmerksamkeit erfährt.“ Die Gebäudehülle des Wasserturms werde durch eine speziell für Backnang konzipierte Lichtkunstinstallation völlig neu wahrnehmbar. Diese wird verbunden mit elektronischen Beats, die von den Höhen des Turms erklingen. Ellrott: „Die Installation ist ein Erlebnis für Augen und Ohren.“ Sicher werde diese Licht- und Toninstallation dabei ganz verschiedene Eindrücke, Gefühle und Assoziationen bei den Rezipienten hervorrufen. „Und das ist doch das Schöne: dass frei zugängliche Kunst im öffentlichen Raum etwas in uns bewegen, einen Diskurs auslösen und Resonanzen hervorrufen kann – von Backnang ausgehend hinein in die Kulturregion Stuttgart.“

Ein besonderer Gag bei der Vernissage: Es wurde „frisch gezapftes“ Wasser aus dem Turm an die Besucher ausgeschenkt. Somit wurden das Bauwerk, dessen Funktion sowie „Inhalt“ und die nun erstrahlende Lichtinstallation zu einem Gesamterlebnis. Bertil Mark ist übrigens auch als Schlagzeuger und Produzent tätig. Für das Wasserturmprojekt steuert er zudem den Sound bei – unterstützt wird er dabei von der Backnanger Firma d&b Audiotechnik.

Die verschiedenen Projekte entdecken

Der Wasserturm Dem gut 60 Jahre alten Turm, einem typischen Beispiel der „Brutalismus“ genannten Stilepoche der 60er-Jahre, würde man heute einen eher spröden Charme bescheinigen, und er ist fast ein wenig in Vergessenheit geraten. Gebaut wurde er einst mit einer damals gewagten, zukunftsgerichteten Architektur des Aufbruchs, in bewusst geradliniger, roher Formensprache. Anfangs war der Turm sogar öffentlich begehbar. Ein Café oder Höhenrestaurant im Zwischengeschoss war geplant, wurde aber nie realisiert. Die kontroversen und wechselvollen ästhetischen Bewertungen und Nutzungsüberlegungen, die der Turm im Laufe der Jahre erfahren hat und vielleicht noch erfahren wird, sind für die Festivalmacher ein Anlass, den Turm in den Mittelpunkt zu rücken.

Kunsttouren Um auch andere Orte des Festivals in der Region erkunden zu können, werden wieder Bustouren organisiert. Die Touren werden von der Kunstvermittlerin Sara Dahme begleitet. Weitere Informationen gibt es unter https://t1p.de/kunsterlebnistour. Die Anmeldung ist möglich unter anmeldung@kulturregion-stuttgart.de.

Der Backnanger Beitrag Veranstalter des Projekts sind die Kulturregion Stuttgart und das Kultur- und Sportamt der Stadt Backnang. Der Projektkurator des Festivals, Julian Warner, freut sich, dass er Bertil Mark für das Backnanger Projekt verpflichten konnte. Bekannt wurde Mark durch seine Arbeit mit Musikerinnen und Musikern wie Sarah Connor, Die Ärzte, Rammstein oder Sportfreunde Stiller.