Lustvolle Grenzüberschreitungen

Spark eröffnen die Klassikreihe des Backnanger Bürgerhauses mit ihrem Programm „On the Dancefloor“

„Hier hat alles begonnen“, erinnert sichFlötist und Spark-Frontmann Daniel Koschitzki. Vor rund zehn Jahren im Rahmen der KEH-Konzertreihe trat er mit Spark das erste Mal im Backnanger Bürgerhaus auf. Jetzt hat „Die klassische Band“ eben dort die Klassikreihe 2019/20 mit ihrem Programm „On the Dancefloor“ eröffnet.

Lustvolle Grenzüberschreitungen

Bieten dem Klassikpublikum im Backnanger Bürgerhaus eine bunte Mischung an Kompositionen aus verschiedenen Genres: Spark. Vereinzelt gibt es am Schluss Standing Ovations. Foto: A. Becher

Von Thomas Roth

BACKNANG. 18 Blockflöten stehen auf der Bühne, barocke und solche mit Klappen, von der kleinen Sopranino bis zur mächtigen Tenorflöte. Auf diesem so warmtönigen Instrument spielt Andrea Ritter „Tristans Klage“, eines der eher wenigen ruhigen Stücke des Abends. Ansonsten bieten die fünf Musiker ein Cross-over mittelalterlicher, barocker, (früh-)klassischer und moderner Kompositionen, durchsetzt mit kleinen Ausflügen in den Jazz (Pianist Christian Fritz spielt Gershwin) oder in die Popmusik (Abbas „Dancing Queen“). Den meisten gemeinsam ist hohes Tempo, reichlich Virtuosität und viel Groove, für den nicht nur Victor Plumettaz mit seinem Cello sorgt. Auch mit Koschitzkis Melodica lässt sich durch konsequent durchgespielte Sechzehntel wie bei Michael Nymans „In Re Don Giovanni“ ein Rhythmusteppich legen. Der Slowake Stefan Balazsovics wechselt von der Geige zur Bratsche und wieder zurück, als ob es identische Instrumente wären, spielt elegische Melodien oder macht Rhythmusarbeit. Der Einsatz der Instrumente geht über deren ursprüngliche Bestimmung hier generell weit hinaus – ein Markenzeichen von Spark. Diese hoch professionellen Musiker loten stilistische Grenzen aus, um sie dann lustvoll zu überschreiten. Das gilt für Melodiegestaltung ebenso wie für Rhythmus und harmonische Gestaltung. So springt der Funke sofort auf die etwa 350 Besucher über. Natürlich werden Gassenhauer wie die „Badinerie“ aus Bachs H-Moll-Suite oder das brasilianische „Tico Tico“ vom Publikum dankbar aufgenommen, aber auch die für die meisten Zuhörer bis dato noch nicht (so) gehörten Stücke sind von einer faszinierenden Kraft, der man sich nicht entziehen kann. Technische Souveränität mischt sich bei Spark mit tiefer Emotion. Besonders beeindruckt Plumettaz mit seinem Cello. Aus dem schweizerisch-ungarischen Virtuosen wäre sicher auch ein famoser Rockmusiker geworden. Er behandelt sein Cello bisweilen ähnlich wie der frühe Blackmore seine Stratocaster und entlockt ihm neben fast verzerrt klingenden kräftigen, andererseits nur über feinen Bogenstrich hervorgezauberte flageolettartige, sphärisch klingende Sounds. „On the Dancefloor“ gibt thematisch den Rahmen vor: Von barocken Tanzsuiten bis zum gleichnamigen Titelsong dreht sich das Programm um Tanz in seiner vielfältigen Form. So erfährt der Besucher nebenbei, dass vor etwa 60 Jahren in Aachen die erste Diskothek namens Scotch-Club eröffnet wurde, in der ein DJ Platten aufgelegt hat. 1992 wurde der Club geschlossen, lebt aber jetzt noch weiter in Plumettaz’ gleichnamiger Komposition. Dem gegenüber stehen dann Kompositionen wie etwa ein „Rigaudon“ aus Maurice Ravels „Le Tombeau de Couperin“, eine Hommage an den berühmten Barockkomponisten. Der Titelsong „On the Danceflloor“ ist eine Auftragskomposition. Geschrieben hat sie der Stuttgarter Sebastian Bartmann. Immer wiederkehrende Melodiefetzen und schnelle staccatoartige Rhythmustöne – auch hier wieder sehr wirkungsvoll die Rhythmusflötentöne von Andrea Ritter und Daniel Koschitzki –, sie verstärken diese technotypische Hektik, dazu gezupfte Klaviersaiten, pulsierend, treibend die Cellostaccati und drüber hohe Geigenmelodien: Man hört gut, was gemeint ist. Mit diesem Stück nähert sich der furiose Abend dem Ende zu. Greensleeves mit Variationen führt den Besucher nochmals zurück in die Zeit Heinrichs des Achten. Dann führt ein Bräutigam seine Braut im Hochzeitskleid an die Bühne. Aus Böblingen angereist wünschten sie sich das Lied „Don’t cry for me Argentina“. Daniel Koschitzki erfüllt, begleitet von Pianist Christian Fritz, diesen Wunsch gerne und offenbart dabei eine wirklich schöne Baritonstimme. Ein in der Tat „sparkling concert evening“.