Auf individuelle Eigenheiten baut Marco da Silva Ferreira sein Tanzstück „Carcaça“. Der portugiesische Choreograf fragt im Theaterhaus, was Tanz und Menschen zusammenhält.
Sehr bunt und divers ist das Team, das Marco da Silva Ferreira in „Carcaça“ an den Start schickt.
Von Andrea Kachelrieß
Gemeinschaft lautet das Thema der aktuellen Colours-Ausgabe. Programmmacher Meinrad Huber widmet ihm das Theaterhaus-Tanzfestival nicht ohne Grund, schließlich ist man als Einzelperson gegen die Krisen unserer Zeit machtlos. Dass Veränderung nur gelingt, wenn sie alle mitnimmt, klingt auch in Marco da Silva Ferreiras Colours-Beitrag „Carcaça“ an.
Weil der portugiesische Choreograf und Tänzer aus einem Land kommt, das bis zur Nelkenrevolution 1974 eine Diktatur war, erzählt er aber auch von der Würde des Individuums, die respektiert werden will. Sehr bunt ist deshalb die 12-köpfige, männlich dominierte Mannschaft, die er in „Carcaça“ versammelt, und sehr sportlich unterwegs.
Vom Schwimmen zum Tanz
Ferreira, der als Teenager nach einem Burnout eine Schwimmkarriere an den Nagel hängte und sich in den Tanz rettete, lässt sein Team nicht ohne Grund in Sneakers antreten. Tanz entwickelt er aus schnellem Lauf oder einem über die Fußkanten rollenden Hüpfen heraus. Mit großer Lust und individuellem Spielraum zelebrieren das die zehn Tänzer, zu denen auch Ferreira zählt, angetrieben von einem Perkussionisten und einem DJ, der von der Seite aus Electroklänge zuspielt.
Michael Jacksons Moonwalk, afrikanisch geerdete Fußarbeit oder portugiesische Folklore, von zweistimmigem Gesang begleitet, gehören zu dem, was die zehn Tanzenden zudem ins Spiel bringen. Doch tatsächlich ist „Carcaça“ in den seltenen Momenten am besten, wenn die Gruppe wie ein Körper tanzt und nicht nur den Raum, sondern auch die Energie teilt.
Diese Ambivalenz klingt schon im Titel an: Eine Karkasse ist das Häufchen einzelner Knochen, das am Ende von uns übrig bleibt, aber auch das, was uns davor stützt. Haltung will Ferreiras Team nicht als bis auf die Knochen disziplinierte Tänzer beweisen, sondern als Summe freier Individuen – die am Ende rote T-Shirts wie Fahnen über ihre Köpfe ziehen und ein Arbeiterlied anstimmen. Und so lernt man von „Carcaça“, dass ein Tanzboden auch als Manifest taugt.
Info
Termin„Carcaça“ ist nochmals am 9. Juli um 20.15 Uhr beim Colours-Festival im Theaterhaus zu erleben. Die Vorstellung ist ausverkauft; es gibt eventuell Resttickets unter Telefon 0711/4020720