Minutenlanger Applaus für „Der Taucher“

Mit seiner Hofkapelle Stuttgart und dem Kammerchor Stuttgart bringt Frieder Bernius Conradin Kreutzers Oper „Der Taucher“ auf die Backnanger Bürgerbühne. Die Aufführung des lang vergessenen Werks wird vom SWR aufgezeichnet. Das Publikum ist begeistert.

Minutenlanger Applaus für „Der Taucher“

Sopranistin Sarah Wegener brilliert als Alphonsine. Foto: Alexander Becher

Von Thomas Roth

Backnang. Zum siebten Male nun erweckt Frieder Bernius mit seiner Hofkapelle Stuttgart und dem Kammerchor Stuttgart wieder ein lange vergessenes Werk ehemaliger Stuttgarter Hofkomponisten zu neuem Leben. Dieses Mal befasst er sich mit Conradin Kreutzers Oper „Der Taucher“, die 1813 im Königlichen Hoftheater zu Stuttgart uraufgeführt wurde. Bernius hat eine hochkarätige Besetzung und, trotz der eingeschränkten (Opern-)Bühnensituation, dramaturgische Überraschungen im Gepäck wie Einspielungen aus dem Off und einen Erzähler, der in launigen Reimen von Bernd Schmitt durch die Opernhandlung führt. Und wieder wird eine Wiederuraufführung unter dem Dirigat des Maestros Bernius vom SWR aufgezeichnet, um endlich auch von Conradin Kreutzers Oper „Der Taucher“ Tonaufnahmen, weltweit die ersten überhaupt, zu haben.

Philipp Mathmanns Sopran klingt so rein wie eine Knabenstimme

Mit Spannung erwarten die Besucher im Backnanger Bürgerhaus dann die Ouvertüre, gibt sie doch einen ersten Höreindruck von der kompositorischen Stilistik Kreutzers. Das Publikum erlebt Musik mit starker Dynamik, Tempowechseln, Melodienreichtum und abwechslungsreicher Harmonik.

Mit Spannung erwartet wird auch Philipp Mathmann. Warum? Er ist Sopranist. Das bedeutet, seine Stimmlage ist tatsächlich Sopran und klingt so rein wie eine Knabenstimme – meist ohne jedes Tremolo. Solch eine Stimme ist, im Gegensatz zu „normalen“ Countertenören, eher selten zu hören, und vom Orchester ist da dynamische Zurückhaltung erforderlich – damit die Stimme, vor allem im unteren Register, nicht überdeckt wird. Neben Mathmann brilliert die Sopranistin Sarah Wegener als Alphonsine. Schön anzuhören sind nicht nur die kraftvollen hohen Fortetöne, sondern besonders die Mezza-Voce-Passagen. Vokal bestens flankiert bei dieser Wiederuraufführung im Rahmen von „Bernius in Backnang“ werden die beiden vom Tenor Daniel Schmid als Antonio, dem Herzog von Calabrien und bisherigen Galan Alphonsines, sowie von dem kraftvoll-lyrisch klingenden Bassisten Johannes Hill als Lorenzo, dem Herzog von Messina.

Eine weitere tragende Rolle in dieser Aufführung spielt Pascal Zurek als Erzähler mit seiner sonoren Bass-Sprechstimme. Beim Grande Finale, als alle Mitwirkenden musizieren und singen, kommt ganz kurz auch sehr schön seine Bass-Gesangsstimme zu Gehör. In dieser Oper gibt es bereits – übrigens etwa ein Jahrzehnt vor dem „Freischütz“ – einen Jägerchor sowie einen Fischerchor. Dem Kammerchor Stuttgart zu lauschen ist immer ein großes Vergnügen. Auch wenn, wie hier, nur ein Männerchor gefragt ist.

Das Libretto von Samuel Gottlieb Bürde ist im Stile der Zeit und des Genres des frühen 19. Jahrhunderts. Es geht um Liebe, Heirat, Eifersucht, unberechtigte Machtansprüche und – wichtig – alles wird am Ende gut. In der heutigen Zeit wirkt dies vielleicht ein wenig altmodisch, vordergründig simpel. Wenn man allerdings, wie Bernius nicht zum ersten Mal, einen Musiktheaterregisseur und Autor wie Bernd Schmitt mit im Aufführungsboot hat, sieht die Sache schon anders aus: Schmitts Zwischentexte und Handlungsinterpretationen in Reimen sind dermaßen ironisch und witzig, dass die Leute während Zureks Vortrag immer wieder schmunzeln, ja lachen. Die Zuhörer erfahren von Schmitt respektive Pascal Zurek: „Ivo, Mitte fünfzig, löffelt gequollenen Bucheckernbrei ...“ Das ist ein herrlich kluges Stilmittel, um Humorfallhöhe zu schaffen und für Entspannung im ernsten Klassikkonzertbetrieb zu sorgen.

Mit dem „Oh wie schön ist diese Stunde“ und, ganz am Ende, wie passend zur aktuellen Weltlage mit dem Schlusschor „Sehet dort den lichten Bogen wie so lieblich, wie so mild, er bekränzt die hellen Wogen, sehet dort das Friedensbild. Friede, dir sei Lob und Preis, weiche nie aus diesem Kreis, aus unserem Kreis“, endet der Auftritt offiziell. Minutenlanger Beifall für Bernius und sein Ensemble, der auch nach der Wiederholung des „Rittertanzes“ nicht abebben will, sodass Bernius mit seiner Hofkapelle Stuttgart auch „Melodram und Ballett“ für das begeisterte Publikum wiederholt. Und wer weiß, vielleicht taucht Conradin Kreutzers Werk „Der Taucher“ nach diesem Abend im Backnanger Bürgerhaus auch an anderer Stelle mal wieder in den Spielplänen auf.