Sendung „Oh Baby“ von Evelyn Weigert

„Mir war null bewusst, was es heißt, Eltern zu werden“

Autorin und Moderatorin Evelyn Weigert ist dafür bekannt, ungefiltert auch Tabuthemen anzusprechen. In zwei neuen Sendungen spricht sie schonungslos über die Freuden und Leiden des Elternseins.

„Mir war null bewusst, was es heißt, Eltern zu werden“

Evelyn Weigert zwischen Glück und Überforderung.

Von Ina Schäfer

Evelyn Weigert ist Autorin, Influencerin, Moderatorin und Künstlerin. Die 35-Jährige steht für schonungslose Offenheit in allen Lebenslagen. Seit sie selbst Mutter ist, zeigt sie auf Instagram ehrlich und humorvoll, wie chaotisch ein Leben mit zwei kleinen Kindern sein kann. Nun starten in der ARD zwei neue Formate mit ihr, in denen es ums Elternsein geht.

In Ihrer neuen Dokumentation geht es um Ihr Dasein als Mutter. Wie weit ist Ihre aktuelle Realität von den Vorstellungen entfernt, die Sie hatten, bevor Sie Mutter von zwei kleinen Töchtern wurden?

Ich glaube, ich komme meiner Vorstellung von einer perfekten Mutter schon ganz nahe. Aber ich stoße dabei absurd an meine Grenzen! Wenn man versucht, all seinen Prinzipien und seinen Vorstellungen treu zu bleiben, macht man sich immer ein Stück weit fertig. Aber man weiß ja, wofür man es macht und wofür man eine Weile durch eine krasse Zeit geht.

Was ist für Sie die größte Veränderung, seit Sie Mutter sind?

Dass man nie mehr richtig frei im Kopf ist. Selbst wenn ich gerade allein eine gute Zeit habe, denke ich immer: Geht es meinen Kindern gerade gut? Und dann vermisse ich sie. Die Freiheit ist erst einmal weg.

Können Sie das Chaos gut aushalten, das mit Job und Kindern manchmal herrscht?

Ja und nein. Inzwischen wäge ich gut ab. Alles, was mit dem Haushalt zu tun hat, bleibt auch einfach mal liegen. Da denke ich mir: Daran wird jetzt keiner sterben. Ich versuche, die Dinge gut zu machen, die mir wirklich wichtig sind. Und die Dinge, die keine so hohe Priorität haben, hintanzustellen. Das ist zwar manchmal sehr belastend, wenn die Wohnung aussieht, als hätten da fünf Leute reingekackt. Aber am Ende des Tages bringt es mir nichts, eine aufgeräumte Wohnung zu haben, dafür aber selbst komplett am Arsch zu sein.

Sie haben kurz nacheinander zwei Kinder bekommen und immer weitergearbeitet, haben Podcasts gemacht und recht bald nach der Geburt Ihrer zweiten Tochter Ihr erstes Buch abgegeben. Wie haben Sie das geschafft?

Nicht so gut. Ich verstehe im Nachhinein, weshalb es eine Elternzeit gibt und warum die auch wichtig ist. Ich habe mich komplett übernommen und mich dabei verloren.

Sie hatten nach der Geburt Ihrer zweiten Tochter ein Burn-out.

Eine Zeit lang hat alles gut funktioniert. Ich habe alle Warnzeichen erfolgreich überhört und einfach weitergemacht. Irgendwann kommt leider die Quittung. Ich hatte einfach zwei Fulltimejobs. Ich habe alles mit Baby auf dem Arm gemacht. Das war irgendwann zu krass.

Sie erzählen in Ihren Formaten häufiger von Ihrem Mann Alex. Versuchen Sie, alles gleichberechtigt aufzuteilen?

Wir sind in der Erziehung und generell allem, was die Kinder betrifft, absolut gleichberechtigt. Trotzdem ist es, Stichwort Mental Load, definitiv so, dass ich Klamotten und Windeln kaufe, die Kinderarzttermine ausmache und das alles immer im Blick habe. Mein Mann ist fürs Essen zuständig, aber vieles andere mache ich. Wir reden da auch sehr offen darüber, er sagt dann netterweise, dass das stimmt (lacht). Aber es ist trotzdem schwer rauszukommen. Und ich merke auch, dass es mir schwerfällt abzugeben. Da ist noch Platz nach oben, wenn es darum geht, alles fair aufzuteilen.

Vor allem, wenn die Kinder noch sehr klein sind.

Wenn man stillt, ist man in der Zeit einfach die Person, die definitiv mehr leisten muss. Und: Wir sind neun Monate lang schwanger! Also ich finde schon, dass Frauen den krasseren Part haben. Schon allein durch die Veränderungen am eigenen Körper. Mein Mann sieht halt aus wie vorher und ich ehrlich gesagt nicht.

Damit gehen Sie sehr offen um, zeigen sich etwa nur in Unterwäsche bekleidet auf Instagram.

Ja, was bleibt mir denn anderes übrig?! Ich werde mich definitiv nicht unters Messer legen. Deshalb muss ich eine Lösung finden, cool damit umzugehen (lacht).

Wie sind Sie aus dem Burn-out wieder herausgekommen?

Ich habe zwei Monate lang nur das Nötigste gemacht. Ich habe mich von Sachen gelöst, die mir Druck machen. Ich dachte mir, wie soll ich jetzt auf eine Bühne gehen und lustig sein? Das konnte ich nicht mehr. Ich konnte die banalsten Dinge nicht mehr erledigen, weil ich einfach richtig erschöpft war.

Humor spielt bei Ihnen eine riesige Rolle. Hat Ihnen das durch diese Zeit geholfen?

Zwei Tage nach dem großen Zusammenbruch konnte ich schon wieder darüber lachen. Doch in dem Moment habe ich mich gefühlt wie eine leere Verpackung. Ich habe Leute auf der Straße gesehen, die lachen, und dachte mir: Oh Gott, ich werde nie wieder fröhlich sein. Wenn man in so einem Tief ist, hat man das Gefühl, dass das nie wieder wird. Doch es wird wieder.

In Ihren Formaten wie in Ihrem Buch sprechen Sie Themen sehr offen an, die heute immer noch häufig als Tabu gelten. Es geht um Reise-Vibratoren, Scheidenpilz und alles rund um die Periode.

Ich hab da nicht so eine Angst, mich zu öffnen. Und ich finde es einfach total wichtig, über alles zu sprechen.

Sie plädieren dafür, auch im Privaten alles anzusprechen, auch Unangenehmes.

Das geht schon los bei Themen wie PMS. Wir Frauen haben halt einmal im Monat unsere Periode und sind dann auch mal beschissen drauf. Dann ist es geiler, zu seinem Partner zu sagen: Du, pass auf, ich kriege meine Tage, es tut mir leid, dass ich ein Kotzbrocken bin. Aber ich kann gerade nicht anders! Das ist viel besser, als alles in sich reinzufressen und dann komische Stimmungen zu ertragen. Man sollte immer ehrlich kommunizieren, wie man sich gerade fühlt. Das tut auch im Freundeskreis unglaublich gut oder bei einer fremden Person auf dem Spielplatz! Damit zeigt man sich gegenseitig, dass es Zeiten gibt, die extrem hart sind.

In den sozialen Netzwerken wird das Leben mit Kindern häufig idealisiert dargestellt. Gleichzeitig gibt es eine Gegenbewegung, zu der ich Sie zählen würde, die schonungslos zeigt, wie es eben auch sein kann. Tut sich da etwas?

Definitiv. Man fragt sich immer häufiger: Warum spielen wir uns alle so ein komisches Gedöns vor? Am Ende bringt das niemandem was. Und ich glaube, es gibt eine neue Bewegung, die vor allem Frauen aus einem neuen Blickwinkel zeigt. Gerade das Thema Mental Load klingt häufig so bescheuert, nach Großstadt-Bubble. Aber es ist einfach ein Fakt, dass meistens Frauen in einer Partnerschaft mit Kindern an vieles denken: an Geburtstage, Kinderarzttermine und so weiter. Das klingt nach Kleinigkeiten, aber das läppert sich am Ende des Tages! Und es ist sauwichtig zu wissen, dass man damit nicht allein ist.

Erfordert es Mut, ehrlichen Einblick in sein Leben zu geben?

Ich mache mich dadurch natürlich angreifbar. Allein, wenn ich ehrlich kommuniziere, dass wir uns als Paar auch mal streiten. Ich hatte am Anfang eine krasse Hemmschwelle, darüber zu sprechen, weil jemand denken könnte, Alex und ich seien nicht füreinander gemacht. Das ist absoluter Quatsch, jedes Paar streitet! Und Streit kann auch unglaublich bereichernd für eine Beziehung sein. Wenn man eine gute Streitkultur hat, kommt man als Paar weiter und lernt dazu.

Warum ist es Ihnen so wichtig, in diesem Themenbereich aufzuklären?

Wissen Sie, was ich krass finde? Jeder, den ich hier sehe, hat Eltern. Und trotzdem ist es einem null bewusst, was es heißt, Eltern zu werden. Es ist wirklich wunderschön, und ich hätte am liebsten zehn Kinder. Aber es hat auch einfach so verrückte Seiten, die einen heftig fordern! Und ich habe nicht das Gefühl, dass da vorher jemand groß darüber redet.

In der Dokumentation wird auch gezeigt, wie Nachwuchs die Partnerschaft verändert.

Ich spreche mit vielen anderen Eltern, die ganz offen und ehrlich erzählen, wie es ihnen geht. Und dadurch erfährt man, dass die auch oft in ihrem Familienalltag denken: Welcome to hell! Das haben wir uns irgendwie anders vorgestellt, und jetzt stecken wir hier drin, sind beide fix und fertig und kacken uns wegen jedem Scheiß an! Oft denkt man, man ist ein Versager, weil man es nicht besser hinbekommt. Aber diese Phasen gehören dazu. Also lass uns das Beste draus machen.

Sie erzählen oft von Ihrem innigen Verhältnis zu Ihren Eltern. Dass es ein Grund dafür ist, dass Sie keine Angst haben, Ihre Meinung zu sagen. Wie fließt das in die Erziehung Ihrer Kinder ein?

Ich will meinen Töchtern absolutes Urvertrauen mitgeben. Alle Emotionen sollen erlaubt sein. Meine Erziehung besteht aus einem richtig großen Haufen Liebe, Akzeptanz, Toleranz und Verständnis – und das klappt echt ganz gut.

Das Thema Erziehung ist ein sehr heikles, bei dem die Meinungen auseinandergehen.

Das ist ein krass sensibles Thema! Jeder hat eine Vorstellung, wie es zu laufen hat, und jeder hat seine eigene Situation. Das fängt beim Thema Fernsehschauen an. Wir sind da sehr streng. Fernsehen ist bei uns die absolute Notlösung und zwanzig Minuten die Höchstgrenze. Aber ich habe Freunde, die das viel lockerer sehen. Ich glaube, da muss man sich in Toleranz üben. Man muss nicht immer einer Meinung sein.

Sendungen

„Oh Baby. Sowas von Mama“In der dreiteiligen Doku-Serie nimmt Evelyn Weigert ihr Publikum mit auf die Reise des Mutterseins und gibt Einblick in die unterschiedlichen Perspektiven von Müttern und Vätern, ab 28. März in der ARD-Mediathek.

„Unter Eltern – Jetzt reden wir!“In der sechsteiligen Show trifft die Moderatorin jeweils drei verschiedene Elternteile und spricht mit ihnen ungefiltert übers Familienleben. Ab 17. April immer montags in der ARD-Mediathek, ab 3. August, 22.45 Uhr, im BR-Fernsehen.