Das SWR-Symphonieorchester hat in der Leitung von Giedrė Šlekytė im Beethovensaal Werke von Dvořák und Zemlinsky gespielt.
Sie dirigierte das SWR-Symphonieorchester im Beethovensaal: die litauische Dirigentin Giedrė Šlekytė.
Von Verena Großkreutz
Ein Happy End, wie es später Walt Disney für sie bereithielt, gönnte der berühmte Märchenautor Hans Christian Andersen seiner „Kleinen Meerjungfrau“ nicht. Er ließ die zärtlich-naive, pubertäre Nixe in ihrer unstillbaren Sehnsucht nach der anderen Welt sterben, sich zu Meeresschaum auflösen und in einen Luftgeist verwandeln. Seine romantische Deutung des uralten Undine-Mythos inspirierte bis heute Kunstschaffende aller Sparten, so auch den Postromantiker Alexander Zemlinsky (1871–1942).
Zemlinskys „Seejungfrau“ ist selten im Konzertsaal zu hören
Als Lehrer und Schwager von Arnold Schönberg zeigte er sich als Komponist avantgardistischen Entwicklungen gegenüber offen, den Schritt zur Atonalität ging er selbst aber nicht. Theodor W. Adorno betrachtete ihn als „eine der denkwürdigsten Figuren seiner Generation“. Dennoch erklingen Zemlinskys Werke heute äußerst selten im Konzertsaal. Gelegentlich zu hören ist seine sinfonische Fantasie „Die Seejungfrau“. So wie jetzt im Abo-Konzert des SWR-Symphonieorchesters im Beethovensaal.
Und das Orchester in der Leitung der litauischen Dirigentin Giedrė Šlekytė machte mehr als deutlich, dass es sich um ein großartiges Werk handelt: plastisch in seiner musikalischen Sprache, in seinen schäumenden, wirbelnden, tosenden, wellenschlagenden Meeresmalereien, seinen albtraumartigen Stimmungen, seinen dramatischen Eskalationen und seiner sehnsuchtsvollen Melodik. Fließend verbindet es impressionistisch anmutende Klangflächen mit dichter, aufregender Polyfonie bis hin zum verlöschenden, verklärenden Ende.
Die Energie der Dirigentin floss ins Orchester
Šlekytė ist ein Energiebündel, und sie wusste ihre Energie dank ihrer präzisen Dirigiertechnik ins Orchester hineinzuleiten. Der große dramatische Bogen, der die drei Sätze zusammenhält, gelang ihr gut, die zentralen Aspekte des Märchens ließen sich problemlos assoziieren. Was die Klarheit und Balance des Klangbildes angeht, haperte es immer wieder. Zemlinsky zielte auf atmosphärische Dichte, die auch durch eine klanglich äußerst raffinierte Instrumentation hergestellt wird. Die ging des Öfteren unter, weil Blasinstrumente zu laut dröhnten, Einsätze holperten oder die Streicherfraktion sich zu wenig transparent artikulierte.
Die Balance zwischen den Instrumentengruppen war auch im ersten Stück des Abends, in Antonín Dvořáks gewaltigem Cello-Konzert, nicht optimal. Was zu Lasten des Solisten ging, dessen Ton zu oft vom Orchester verschluckt wurde. Gleichwohl konnte sich auch hier die Qualität des Werks offenbaren, seine drei als große instrumentale Tableaus angelegten Sätze, die spektakulär reich sind an innigster Melodik. Und Jean-Guihen Queyras ist ein interessanter Cellist. Weniger der auftrumpfende, vor Energie strotzende Virtuose als vielmehr einer, der reflektierend zur Sache geht, besondere Farben sucht und findet. Wunderschön seine Duette mit den Orchestersolisten, berückend sein warmer kantabler Ton im pastoralen Mittelsatz. Das Publikum feierte ihn.