Im Kupferstich „Der Bauer und seine Frau auf dem Markt“ von Jan Saenredam von 1615 geht es nur vordergründig um Essen. Die Teigtaschen und das Gemüse symbolisieren auch Erotik. Reproduktion: Janine Kyofsky
Von Klaus J. Loderer
Backnang Was wäre der Mensch ohne Nahrung, ob flüssig oder fest, in allen Darreichungsformen? Hungrig und durstig, sicher, aber auch um eine kulturelle Komponente ärmer. Und so geht es in der neuen Ausstellung „Aufgetischt“ im Graphik-Kabinett im Backnanger Helferhaus um nicht weniger als um das Essen und das Trinken.
Kuratorin Simone Scholten hat entsprechende Werke der Ernst-Riecker-Stiftung herausgesucht, vor allem Kupferstiche und Radierungen, die vom 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein entstanden sind. Auf vielen der Bilder geht es um Mahlzeiten an einem Tisch. Insofern passt der Ausstellungstitel „Aufgetischt“ sehr gut. Darum ist es nicht erstaunlich, dass eine Szene mit dem letzten Abendmahl Christi eines der einleitenden Bilder ist. Ambrosius Gumplein hat dieses kleine Blatt im späten 15. Jahrhundert gestochen. Durch das Hochformat sitzen die Jünger gedrängt um den Tisch herum. Christus wendet sich gerade Judas zu, der, am Geldbeutel erkennbar, aufgestanden ist und sich am Tisch geradezu festkrallt. Der Weinkrug im Vordergrund und die Brote verweisen auf die Eucharistie. Da aber das Passahfest gefeiert wird, nimmt das Zentrum des Tischs eine Platte mit einem kleinen Lämmchen ein, das gleichzeitig auf den Opfertod Christi hinweist.
Adamsapfel und Zankapfel
Im Kupferstich des Sündenfalls hat der Apfel zwar eine wichtige Rolle, doch fällt bei dieser Arbeit aus dem Zyklus „Die Weltschöpfung“ auf, dass Antonio Tempesta die Schlange mit einem menschlichen Kopf versehen hat. Über die umgebenden eigentümlichen exotischen Tiere darf man sich amüsieren. In der benachbarten Szene aus der griechischen Mythologie trägt die Göttin Venus den Apfel siegesbewusst vor sich her, hat sie diesen doch gerade vom trojanischen Prinzen Paris als Siegerin eines Schönheitswettbewerbs erhalten.
Was die essbaren Dinge dem Betrachter sagen sollen, ist auf allen Bildern ganz unterschiedlich. Jedenfalls zeigt sich, dass es sowohl in der Mythologie als auch in der christlichen Ikonografie viele Themen mit Essen gibt. Das ist zwar oft eher im Hintergrund oder gehört beiläufig zur Handlung, kann aber auch ganz konkrete Deutungen beinhalten. Jedenfalls geht es in der kleinen Ausstellung um Sinne und Sinnlichkeit. Darum ist die Ausstellung
Teil eins einer Doppelausstellung
„Aufgetischt“ auch nur der erste Teil eines zweiteiligen Projekts mit dem Obertitel „Tafelmusik“. Der aktuelle Teil widmet sich der Tafel und was darauf ist, der im Sommer folgende zweite Teil wird dann die Musik betrachten.
Ein Werk fällt zwischen den Abbildungen teilweise üppig gedeckter Tafeln auf. Da sitzt ein Holzfäller in seiner ärmlichen Stube und löffelt Brei aus einer Pfanne. Und doch hat der Petrarca-Meister dem Holzschnitt einen interessanten Detailreichtum gegeben. Überhaupt sind alle ausgestellten Grafiken von einer bemerkenswerten Liebe zum Detail beseelt. Man hat den Eindruck, je kleiner die Blätter sind, desto feiner haben die Künstler daran gearbeitet.
Völlerei ist allgegenwärtig
Wenn es um Essen geht, ist die Völlerei nicht weit. So ist das auch in dieser Ausstellung. Von Georg Pencz stammt der um 1535 entstandene Kupferstich, der zur Sammlung „Die sieben Todsünden“ gehört. Die symbolische, von Weinlaub umrankte Frauengestalt wird von einem sich übergebenden Wildschwein begleitet. Um Wein geht es in einigen der Bilder. In einem Kupferstich Francesco Villamenas, der ein Motiv Carraccis aufgriff, sieht man einen Silen, der sich den Wein von einem Faun und einem Satyr aus einem Schlauch einflößen lässt. Positiver ist das Thema Wein in Hans Sebald Behams Kupferstich „Die Hochzeit zu Kana“ aufgefasst, in dem man am linken Rand die vielen Krüge sieht, deren Wasser Christus in Wein verwandelt. Auffällig ist auf dem Blatt der große Papagei über Maria. Von Beham ist noch einer seiner wunderbar feingliedrigen Kupferstiche zu sehen. Dieser bezieht sich auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn und zeigt, wie ältere Herren sich ihren jüngeren Begleiterinnen annähern. Beham hat hier wie in einem Comic einen Handlungsfortschritt gezeigt. Was hier nur angedeutet wird, ist auf Jan Saenredams nach Hendrik Goltzius entstandenem Blatt „Der Bauer und seine Frau auf dem Markt“ eine deftige Botschaft. Mit Teigtaschen und Gemüse wird Erotik symbolisiert. Zwei genüssliche Genreszenen aus dem frühen 19. Jahrhundert sind die beiden Blätter mit Motiven aus Neapel, die von einem Melonen- und einem Wasserverkäufer mit ihrer Kundschaft erzählen.
Erstaunlicherweise gibt es in der doch so vielfältig sortierten Sammlung Ernst Rieckers keine Stillleben im klassischen Sinn. Denn selbst in der Mezzotinto-Radierung „Der Wildmarkt“ mit üppig gestapeltem totem Wild trägt ein junger Mann gerade einen toten Pfau hinzu und Hund und Katze versuchen, Leckerbissen zu erhaschen. Zwischen den vielen ganz kleinen Arbeiten hat dieses Bild eine gewisse Größe, ist aber doch gegenüber dem in der Eremitage in Sankt Petersburg befindlichen gemalten Vorbild von Frans Snyders auch geradezu winzig.
Den Abschluss der Ausstellung bilden einige Radierungen von Eugen Napoleon Neureuther aus dem 19. Jahrhundert, in denen es um die Rheinromantik geht. Als besonderen Gag wird es bei der Ausstellungseröffnung genau die Weine geben, die auf diesen Blättern erwähnt werden.