Neue Ausstellung in Backnang: Die Sprache der Mode in Grafiken

„À la mode“: Unter diesem Oberbegriff zeigt das Graphik-Kabinett der Stadt Backnang im Helferhaus in diesem Jahr eine zweiteilige Ausstellungsreihe zum Thema Kleidung im Spiegel der altmeisterlichen Grafiken aus der Ernst-Riecker-Sammlung.

Neue Ausstellung in Backnang: Die Sprache der Mode in Grafiken

„Die Dame zu Pferd und der Landsknecht“, Kupferstich von Albrecht Dürer. Repro: Janine Kyofsky

Von Ingrid Knack

Backnang. Nachdem Kuratorin Simone Scholten die Landschaftsdarstellungen im Hintergrund altermeisterlicher Grafiken aus der Ernst-Riecker-Sammlung in den jüngsten Ausstellungen im Backnanger Graphik-Kabinett in den Blick genommen hatte, geht es nun in der neuen zweiteiligen Präsentation „À la mode“ zunächst um Dresscodes im 15. und 16. Jahrhundert und darum, wie Künstler wie Albrecht Dürer, Heinrich Aldegrever oder Hans Schäufelein diese für ihre Bildinhalte einsetzten. Das ist auch die Zeit, aus der in der Backnanger Sammlung viele Grafiken vorhanden sind und in der so langsam ein Modeverständnis entstanden sei, sagt Scholten in einem Gespräch über ihre Ausstellungskonzeption. Am morgigen Samstag, 18. März, um 19 Uhr, führt sie in die Ausstellungsreihe im Riecker-Raum im Helferhaus ein.

Heute aktuelle Themen wie Selbstwahrnehmung, Selbstkritik, Selbstbespiegelung oder Ausdruck der eigenen Persönlichkeit durch Kleidung seien bereits „mit dem Aufziehen der Renaissance“ aufgekommen. Das Individuum tritt praktisch aus der Gruppe hervor und bekommt eine eigene Bedeutung. Neue handwerkliche Möglichkeiten tragen dazu bei, sich in Szene setzen zu können. Kleidungsstücke sind zum Beispiel zur Zierde mit Schlitzen versehen, die mit andersfarbigem Stoff unterlegt wurden. Schlitzmode heißt der Fachbegriff. Auch Ausschmückungen der Gewänder mit Knöpfen, Perlen und Goldfäden sind nun beliebt. „So kann man aus der Mode insgesamt eine interessante Kulturgeschichte entwickeln“, so Simone Scholten.

Mode transportiert politische Aussagen

Das Thema Mode hat sie für die neue Werkschau im Riecker-Raum ausgewählt, weil die Kleidung der Figuren von den Betrachtern der Grafiken genauso wie die Hintergründe normalerweise nur beiläufig wahrgenommen wird. Und: „Man sieht, dass die Künstler großen Spaß daran hatten, sich damit auseinanderzusetzen.“ Darüber hinaus habe Mode seit den Darstellungen im Mittelalter nicht nur dokumentarischen Charakter, vielmehr seien damit auch politische Aussagen transportiert worden.

Dürer erkannte die Bedeutung von Kleidung früh

„Die Dame zu Pferd und der Landsknecht“ von Albrecht Dürer von 1497 gehört zu den Blättern, die relativ kompliziert auszudeuten sind, wie Scholten sagt: Die auf dem Pferd sitzende Dame verabschiedet sich von dem Landsknecht. Eine durchaus außergewöhnliche Situation zu jener Zeit. Eher hätte man erwartet, dass der Landsknecht auf dem Pferd sitzt. „Dürer scheint hier die Geschlechterverhältnisse umzukehren“, erklärt die Kunsthistorikerin. Durch ihre Kleidung ist die Dame einer höheren Gesellschaftsschicht zuzuordnen, dem Landsknecht ist sie überlegen. „Nicht der Landsknecht verlässt seine Frau, um in den Krieg zu ziehen. Es ist vielmehr die elegant im Damensitz reitende junge Frau, die den traurig dreinschauenden Soldaten zurücklässt. Das ausladende Barrett auf ihrem Kopf ist ungewöhnlich für die Mode der Zeit und charakterisiert die Trägerin als unverheiratet“, kommentiert Simone Scholten. Da es merkwürdig sei, dass der Landsknecht seinerseits keinen Kopfschmuck trägt, sei verschiedentlich vermutet worden, dass die Dame ihm sein Barett als Erinnerungsstück weggenommen habe.

Dürer hat laut Scholten schon früh die Bedeutung von Gewandung erkannt. Er habe einmal geäußert, dass das Antlitz, die Landschaft und die Gewandung die drei wichtigsten Zutaten für ein Kunstwerk seien, mit denen man am meisten Inhalt transportieren könne. Dürer habe auch früh Kleidungsskizzen angelegt, „um für jede inhaltliche Situation gewappnet zu sein“. Er habe sich intensiv mit der Wirkung von Kleidung auseinandergesetzt. „Da ist er sicher auch bahnbrechend gewesen.“

Dürer und van Leyden haben sich aneinander gemessen

Dass es den alten Meistern gelingt, „trotz der kleinen Formate die Aussage so zu verdichten, dass sehr viel transportiert werden kann“, fasziniert die Kunsthistorikerin immer wieder. Zum Beispiel bei dem Kupferstich aus dem Jahr 1523 „Der Alte mit der Weintraube“ von Lukas van Leyden. „Hier sieht man sehr schön, wie van Leyden es auch auf ziemlich kleinem Format schafft, so ins Detail zu gehen, dass man in der Physiognomie des Mannes sehr viele Details erkennt“. Offensichtlich trinkt der Mann gerne ein Glas über den Durst, was man an seiner Säufernase sieht. Auf dem Kopf trägt er eine Sattelhaube. „Wenn man andere Darstellungen anschaut, treten diese häufig in Kombination mit Narren auf“, weiß Scholten. „Wenn man die Haube so in die Interpretation mit einbezieht, dann ergibt sich ein schlüssiges Bild: Dass sich dieser Mann durch Alkoholkonsum zum Narren macht.“ Lukas van Leyden aus dem niederländischen Raum ist ein Zeitgenosse und „wichtiger Mit- und auch Gegenspieler“ von Dürer. „Das sind zwei Künstler, die sich auch aneinander gemessen und sich gegenseitig zitiert haben in ihren Werken.“

Im 15. und 16. Jahrhundert gab es nach den Worten der Kuratorin in allen Städten Kleiderordnungen. Sehr genau wurde vorgeschrieben, wer welche Kleidung tragen durfte – da spielten der Stand, die Gesellschaftsschicht und die Berufsgruppen eine Rolle. Wer dagegen verstieß, musste mit Strafen rechnen. „Das zeigt natürlich schon, wie wichtig Kleidung war.“

Manche Kleidung überrascht

In der Ausstellung sind auf einigen Blättern tanzende Paare abgebildet, die ganz schön verrückt gekleidet sind. Ein Tänzer auf dem Blatt „Tanzendes Paar I“, um 1535 von Hans Schäufelein, trägt beispielsweise einen Hut mit Straußenfedern, die in alle Richtungen abstehen, und Strumpfhosen, die auf einer Seite gestreift und auf der anderen Seite einfarbig daherkommen. Dieser Tänzer ist zudem mit einer aufwendig gestalteten Hose in Schlitzoptik bekleidet, was ein Zeichen für Reichtum war.

Bei anderen Werken wiederum trifft man auf Kleidung, die überrascht. Zum Beispiel auf dem Kupferstich „Der Glaube“ (Fides) aus dem Jahr 1528 von Heinrich Aldegrever. Scholten: „Man wird sofort in den Bann gezogen von der wahnsinnig üppigen Kleidung, die die Frau trägt. Man könnte denken, dass es sich um eine Darstellung einer antiken Königin handeln würde. Erst, wenn man die weiteren Details in die Betrachtung mit einbezieht, wird einem klar, dass es sich um Maria Magdalena handelt, die sich als Büßerin am Kreuz eingefunden hat.“

Einführungsvortrag am Samstag

Dresscodes Zur Eröffnung der ersten Ausstellung der Reihe „À la mode“ im Riecker-Raum des Helferhauses mit dem Titel „Dresscodes – Kleidungskonventionen im Bild“ am Samstag, 18. März, um 19 Uhr, führt Kuratorin Simone Scholten im Rahmen eines lichtbildgestützten Vortrags in die Thematik ein. Die Ausstellung läuft bis 2. Juli. Danach, ab 4. Juli bis 5. November , folgt der zweite Teil mit dem Titel „Der letzte Schrei – Mode im Wandel“.

Öffnungszeiten Die Öffnungszeiten des Graphik-Kabinetts sind Dienstag bis Freitag von 16 bis 19 Uhr sowie Samstag von 11 bis 18 Uhr und Sonntag von 14 bis 18 Uhr. An Feiertagen ist von 14 bis 18 Uhr geöffnet – mit Ausnahme Karfreitag, 7. April, und Tag der Arbeit, 1. Mai, da ist geschlossen.