Fashion Week

Neue Generation von Designern prägt die Modewelt

In der Modebranche häufen sich Neubesetzungen. Mit dem Tod Giorgio Armanis, dem letzten großen Altmeister, endet eine Ära – und beginnt eine Zeit, in der Stardesigner nicht mehr den Ton angeben.

Neue Generation von Designern prägt die Modewelt

Matthieu Blazy bei der Präsentation der Chanel Frühjahr/Sommer 2026 Kollektion.

Von Von Estelle Marandon, dpa

Paris - Chanel, Dior, Balenciaga: In der internationalen Modebranche zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Eine neue Riege von Kreativdirektoren übernimmt das Ruder. Mit ihnen verändert sich nicht nur der Stil auf den Laufstegen, wie sich bei der Fashion Week in Paris beobachten lässt - sondern auch das Selbstverständnis der Branche. Die Zeit, in der einzelne Stardesigner den Ton angeben, ist vorbei.

Ein Neuanfang bei Chanel - wichtigster Kreativposten der Branche

Gerade fand in Paris das Chanel-Debüt von Matthieu Blazy statt, es war mit Spannung erwartet worden. Der erste Look: ein grau karierter, maskulin geschnittener Hosenanzug mit kurzer Jacke, die Ärmel lässig hochgekrempelt, das Haar offen und wild, an den Ohren weiße Pompons, die deformierte Chanel-Tasche locker in der Hand. Ein Auftritt, wie ihn Gabrielle "Coco" Chanel selbst kaum souveräner hätte inszenieren können – maskulin und feminin zugleich, nonchalant und doch meisterhaft elegant.

Blazy hatte, so scheint es, Coco Chanel selbst vor Augen – eine imaginäre Unterhaltung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Weiße Männerhemden werden über ausgestellte Volant-Röcke getragen, lange Perlenketten schwingen im Überfluss, Seidenkleider sind locker an der Hüfte geknotet. Selbst der Tweed wirkt plötzlich wieder modern: stellenweise transparent gewebt oder mit ausgefransten Rändern, das Gewebe aufgelöst in handgeknüpfte Maschen.

Ein triumphales Debüt und eine Kollektion, die als Wendepunkt in die Modegeschichte eingehen dürfte. Matthieu Blazy, ein eher zurückhaltender Kandidat, überzeugte zuvor bei Bottega Veneta mit stiller Präzision und einem tiefen Sinn für Handwerk. Nun besetzt er den wichtigsten Kreativposten der Branche.

Neue kreative Köpfe bei Dior, Balenciaga, Mugler, Loewe

Es ist nicht der einzige große Personalwechsel dieser Pariser Fashion Week. Innerhalb weniger Monate wurden zahlreiche der wichtigsten Posten in der Modewelt neu besetzt: Jonathan Anderson übernahm die kreative Leitung bei Christian Dior, Pierpaolo Piccioli wechselte von Valentino zu Balenciaga. Auch bei Mugler und Loewe präsentierten sich neue kreative Köpfe.

Diese Häufung von Neubesetzungen fällt in eine Zeit, in der sich die Branche neu orientiert. Der Tod von Giorgio Armani, dem letzten großen Altmeister, markiert das Ende einer Ära, in der Designer noch echte Galionsfiguren waren. Karl Lagerfeld, Yves Saint Laurent oder Jean Paul Gaultier prägten die Mode mit ihren extravaganten Persönlichkeiten – und wurden somit selbst zu Marken. Solche Stars sind heute nicht nur selten geworden, sondern von vielen Häusern gar nicht mehr gewünscht.

Kritik an der Dominanz einzelner Stardesigner

Wie "Vogue Business" in einem Bericht analysierte, kann die Dominanz einzelner Stardesigner langfristig problematisch sein – für die Labels ebenso wie für die Designer selbst. Von ihnen wird erwartet, zugleich kreative Visionäre, Marketingstrategen und Geschäftsleute zu sein – ein Anforderungsprofil, das kaum noch zu erfüllen ist. 

Der Druck hat sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht: Mode ist zum Hochfrequenzgeschäft geworden, getaktet nach Quartalszahlen und Social-Media-Zyklen. Kaum ein Designer kann heute noch eine Idee in Ruhe entwickeln, ohne bereits an die nächste Kampagne, Kooperation oder digitale Inszenierung denken zu müssen.

Jonathan Anderson gilt in diesem Zusammenhang als Ausnahmeerscheinung. Seit seiner Ernennung zum Kreativdirektor der Dior Männer- und Frauenkollektionen entwirft er parallel für sein eigenes Label JW Anderson und arbeitet weiterhin mit Uniqlo zusammen – insgesamt bis zu 18 Kollektionen im Jahr. Damit übertrifft er das Arbeitspensum, das zuletzt Karl Lagerfeld meisterte, der zeitweise 15 Kollektionen gleichzeitig verantwortete. 

Beständigkeit ist die Ausnahme, nicht mehr die Regel

Während Anderson diese Belastung bislang scheinbar mühelos bewältigt, können die meisten Designer ein solches Tempo auf Dauer nicht halten. Entsprechend verkürzen sich ihre Amtszeiten. Die Spitze der Mode ist zu einer Art Drehtür geworden, bei der Beständigkeit die Ausnahme ist und nicht die Regel.

Für die Labels ist das Starsystem in anderer Hinsicht problematisch: Wird das Image eines Designers zu dominant, muss das Modehaus nach seinem Weggang gewissermaßen wieder von vorn anfangen. Viele Marken sehen darin ein Risiko, das sie künftig vermeiden wollen. Die Rolle der Kreativdirektoren hat sich dementsprechend verändert. Die Marke ist heute die Hauptfigur, der Designer nur ihr Interpret. Das sichert Stabilität – nimmt der Mode aber auch ein Stück ihres einstigen Glamours.

Weniger Selbstinszenierung, mehr Teamarbeit

Tatsächlich scheint das Zeitalter der großen Stardesigner vorbei. Die neue Generation kreativer Köpfe steht für eine andere Form von Kreativität: weniger Selbstinszenierung, dafür mehr Teamarbeit, Handwerk und konzeptionelle Tiefe. Nicht mehr das schillernde Ego prägt die Mode, sondern die Idee von Kontinuität – und ein System, in dem die Marke über allem steht.

Matthieu Blazy verkörpert diesen Wandel auf exemplarische Weise. In Jeans und T-Shirt nahm er am Ende seiner Show bescheiden den Applaus entgegen – Standing Ovations für einen Designer, der seine Arbeit für sich sprechen lässt.

Neue Generation von Designern prägt die Modewelt

Models präsentierten Kreationen der Chanel-Kollektion Frühjahr/Sommer 2026.

Neue Generation von Designern prägt die Modewelt

Jonathan Anderson nach der Präsentation der Dior Frühjahr/Sommer 2026 Kollektion.