Reichlich abgefahrene Arrangements

Berliner Gesangsquartett DeltaQ begeistert im Backnanger Bürgerhaus mit seinem Programm „Brandneu!“

Ein Fest für Fans von A-cappella-Bands war der gut besuchte Auftritt der Herrren des Berliner Gesangsquartetts DeltaQ im Backnanger Bürgerhaus. Die Sänger hatten ihr Programm „Brandneu!“ der Vorweihnachtszeit angepasst und ernteten stehende Ovationen.

Reichlich abgefahrene Arrangements

Da sitzt nicht nur der Ton, da sitzt jede Bewegung: Die A-cappella-Formation DeltaQ wird bei ihrem Konzert im Backnanger Bürgerhaus gefeiert. Foto: A. Becher

Von Thomas Roth

BACKNANG. Eine Textzeile lautet: „Wenn wir alle gegen den Strom schwimmen, in welche Richtung fließt er dann?“ Neben viel humoristischem und zum Teil sinnfreiem Small Talk beziehen die Musiker doch auch ein bisschen Stellung und finden es gut, dass sich, wie der „tiefgründige Bassist“ Matthias Graf erzählt, heute fast jeder zweite Jugendliche ehrenamtlich im sozialen oder umweltpolitischen Bereich engagiere.

Die Show von DeltaQ hat auch jüngeres Publikum angelockt. Sie besticht neben der gesanglichen Qualität durch gut ausgefeilte, unaufdringliche Choreografie. Da sitzt nicht nur der Ton, da sitzt jede Bewegung. Auch die Lichteffekte sind auf den Punkt gemalt und bei alledem dezent. Sie werden also eher unbewusst angenehm wahrgenommen.

Musikalisch experimentieren Thorsten Engels, Sebastian Hengst und ihre Kollegen wie die meisten A-cappella-Gruppen gern Grenzen auslotend. Das Lied „Oh du fröhliche“ gerät hier fast zu einer Persiflage, die dem geneigten Zuhörer, wie eigentlich bei allen Songs, neben Überraschungsmimik ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Bachs bekannteste Toccata geht folgerichtig nach kurzer Zeit über in „Final Countdown“. Der aus Belgien stammende Bariton Tom Dewulf, ebenso wie Matthias Graf erst vor Kurzem ins Ensemble gekommen (daher auch der Name des Programms), hat neben seinem Gesangs- und Stepp- auch ein manifestes Comedytalent. Köstlich seine Kurzperformance über den nur marginal verstellbaren Flugzeugsitz, der in aufrechter Stellung und nur so den Passagier im Falle eines Absturzes aus 10000 Metern Höhe vor ernsthafteren Verletzungen bewahren soll.

Stilistischer Mix von Volksliedton bis zu Pop-, Jazz- und Rapklängen

Das Medley über Musik aus den 1990er-Jahren, der Zeit, als die vier Sänger alle noch Kinder waren, animiert viele zum Mitklatschen. Der Streifzug durch Deutschlands 16 Bundesländer ist ein Rundumschlag durch das Volksliedrepertoire einerseits, zum anderen erklingen auch Songs wie „Beinhart wie ’n Rocker“, „Auf der Reeperbahn“, „Berliner Luft“, „Küssen verboten“ oder „Zu spät, die Hesse komme“. Das macht allen Beteiligten so richtig Spaß, noch dazu sind die Arrangements von DeltaQ sowohl stilistisch (von ganz wenig klassisch dargebotenen Takten über Pop, Jazz und Rap) als auch Rhythmus und Harmonisierung betreffend reichlich abgefahren. Das alles zu singen ist in der Tat nicht einfach und recht beeindruckend. Der Moment, in dem am Ende des Konzerts der Saal in „Stille Nacht, heilige Nacht“ einstimmt, hat da fast schon etwas Eigentümliches, etwas Berührendes. War bis hierhin doch eher musikalisch gesehen Trash und Klischeevermeidung vorherrschend.

Ein Zuckerl bieten die charmant daherkommenden vier in ihrer letzten Zugabe „Ode an die Freude“. Auch hier servieren sie wieder einen stilistischen Mix: Nach ein paar Takten Originalsatztönen wird’s russisch, arabisch, rappig, karibisch und so weiter. Mit berechtigter Begeisterung erheben sich die Menschen von ihren Sitzen. Und dann ist es aus – das Fest für Fans von A-cappella-Bands.