„So gingen wir alle vergnügt nach Hause“

Interview Die Bläserphilharmonie Rems-Murr gibt am Palmsonntag im Backnanger Bürgerhaus ihr zweites Konzert nach dem Lockdown im März 2020. Dirigentin Heidi Maier spricht über Herausforderungen in den letzten Jahren, den Auftritt am Wochenende und Ideen für die Zukunft.

„So gingen wir alle vergnügt nach Hause“

Heidi Maier hat sich für das Konzert am 10. April im Backnanger Bürgerhaus ein pfiffiges Programm überlegt. Foto: Ursula Schreckenhoefer

Eigentlich sollten Sie im März 2020 erstmals ein großes Konzert der Bläserphilharmonie dirigieren, dann kam die Pandemie. Wie sah die Probenarbeit mit dem Orchester in den letzten zwei Jahren aus?

In den letzten zwei Jahren blieben wir so aktiv, wie es eben möglich war: In der Zeit des Lockdowns im vergangenen Jahr stellte ich per Videokonferenz dem Orchester unser neues Konzertprogramm mit Hörbeispielen und Hintergrundinformation vor, das hat den Musikern sehr gut gefallen und motivierte zum Üben. Anschließend probten wir – wie auch viele andere Amateurensembles – jeder von zu Hause aus per Videoschaltung stummgeschaltet vor dem Rechner oder mittels Handy.

Eine wirklich große Herausforderung.

Für einzelne Registerproben war das zumindest eine Möglichkeit, um in Kontakt zu bleiben und erste Informationen zur Spielweise der Stücke zu bekommen – insgesamt natürlich nur ein schaler Ersatz für gemeinsames freudvolles Musizieren. Sobald ein gemeinsames Üben wieder möglich war, probten wir im Sommer 2021 im Freien und haben unten im Hof musiziert, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Dieses Frühjahr haben wir in geteilter Besetzung begonnen zu proben, um die Zahl der Kontakte zu reduzieren, und erst vor wenigen Wochen wieder das ganze Orchester zusammengefasst.

Sind alle Musiker dabei geblieben?

Bei jedem Amateurorchester gibt es regelmäßig eine gewisse Fluktuation. Diese hat meistens mit beruflichen, privaten oder familiären Veränderungen zu tun. So gab es seit 2020 auch einige wenige Spieler, die die Bläserphilharmonie verlassen haben, dies hat nichts mit der Pandemie zu tun gehabt. Im Gegenteil: Nach dem Lockdown waren alle Musiker voller Freude, endlich wieder gemeinsam spielen zu können. In den letzten Jahren kamen sogar über zehn Musiker neu zum Orchester hinzu. Das ist auch gut, da ich ein doch recht kleines Orchester übernommen habe und es mittelfristig auf 60 Musiker erweitern möchte. Wir würden uns besonders über Zuwachs in den Instrumenten Klarinette, Oboe, Fagott, Horn, Posaune, Schlagwerk und Kontrabass freuen.

Das Konzert jetzt am Sonntag ist das zweite seit März 2020. Wie haben Sie Ihre Bläserphilharmoniepremiere im Oktober 2021 erlebt?

Das war ein tolles Konzert. Im Bürgerhaussaal klingt es wunderbar, das ist ein schöner Konzertsaal und die Musiker waren voller Spielfreude. Nach der langen Zeit der Stille hatte ich auch das Gefühl, dass das Publikum besonders dankbar war für unsere Musik und uns besonders reich mit Applaus beschenkte. So gingen wir alle vergnügt nach Hause.

Wo lagen die größten Herausforderungen nach so langer Zeit, in der keine Konzerte möglich waren?

In den letzten zwei Jahren haben wir mehrere Konzerte begonnen zu proben und mussten dann mehrmals zum Teil sehr kurzfristig absagen. Wir haben also monatelang geübt und uns vorbereitet und zu einem Zeitpunkt, als wir eigentlich fast bereit fürs Konzert gewesen wären, war dann alles vorbei. Für die Musiker war das sehr frustrierend – jeder möchte das geprobte Programm auch zu Gehör bringen. Im Lauf der Zeit führte das dazu, dass die Musiker schon gar nicht mehr daran glaubten, dass ein Konzert tatsächlich auch stattfindet, und in der Konsequenz kamen die Musiker weniger regelmäßig zur Probe und übten zu Hause weniger. Wir hoffen sehr, dass wir diesen Kreislauf nun wieder durchbrechen können.

Wie kam der Kontakt zwischen Ihnen und der Bläserphilharmonie zustande?

Im Jahr 2020 hat die Bläserphilharmonie Rems-Murr einen Gastdirigenten für ein Konzert gesucht. Über persönliche Kontakte wurden mehrere potenzielle Kandidaten von der Vorstandschaft zu Gesprächen eingeladen – so auch ich. Schnell kristallisierte sich auf beiden Seiten heraus, dass wir uns eine gemeinsame Zusammenarbeit gut vorstellen könnten.

Was planen Sie für die Zukunft, wenn hoffentlich nicht mehr fünf von normalerweise sechs Konzerten in zwei Jahren ausfallen?

Oh, Ideen gibt es viele, konkrete Pläne noch keine.

Was steht bisher auf dem Plan?

Nun, es gibt unsere regelmäßigen drei jährlichen Konzerte im Bürgerhaus, das Open Air und unser Kirchenkonzert. Diese bewährten Konzerttermine werden weiterhin bestehen bleiben. Dann gibt es mögliche Varianten, da sprechen wir im Moment nur von Ideen, die wir im Laufe der Zeit auf ihre Umsetzbarkeit prüfen wollen. Im Freibad in Backnang finden im Sommer Konzerte statt, vielleicht auch mal eines mit der Bläserphilharmonie? Im letzten Jahr gab es den Backnanger Kultursommer, er soll weitergeführt werden – kammermusikalische Ensembles der Bläserphilharmonie könnte ich mir dabei gut vorstellen. Und noch ein letzter Gedanke: Ein Open-Air-Kino mit Livemusik schwebt mir schon seit Längerem vor, geeignete Filme und Musik für Blasorchester gibt es dazu, eine dafür geeignete Location hätte ich bereits im Hinterkopf. Allerletzter Gedanke: Zukunftsmusik wäre auch die Teilnahme an einem Wettbewerb im Ausland, um die Bläserphilharmonie überregional bekannter zu machen. Aber wie gesagt, das sind derzeit nur Wunschgedanken – im Moment brauchen wir erst mal einen neuen Probenraum und eine stabile Orchesterbesetzung.

An Beethoven sollte beim Konzert im Jahr 2020 erinnert werden, dessen 250. Geburtstag man in jenem Jahr feierte. Beethoven steht jetzt auch auf dem Programm...

Beethovens Septett Opus 20 ist ein wunderbares Werk für gemischtes Ensemble – ein Werk, auf das der Komponist zu Lebzeiten sehr stolz war, er widmete es der Kaiserin Maria Theresia. Bald schon war das Werk sehr beliebt und wurde in der Vergangenheit bereits vom Meister selbst und von anderen Bearbeitern für die jeweils vor Ort vorhandene Besetzung angepasst. Speziell für die Musiker der Bläserphilharmonie hat unser Soloklarinettist Volkmar Schwozer eine Bearbeitung für Flöte, drei Klarinetten, Horn, Fagott, zwei Bassklarinetten angefertigt. Wir freuen uns darauf, den ersten Satz aus dem Septett am Sonntag aufzuführen und Herrn Beethoven damit nachträglich ein Geburtstagsständchen zu bringen.

Ihre Setlist beinhaltet eine interessante Auswahl an Kompositionen, die nicht immer und überall zu hören sind. „Joyride“ von Michael Markowski etwa spielt mit Beethovens „Ode an die Freude“ und modernen Klängen. Wohin wollen Sie mit dem Orchester musikalisch gehen?

Seit jeher sind die Programme der Bläserphilharmonie bekannt dafür, dass die Werkauswahl ebenso originell wie in sich stimmig ist. Dafür hatte mein Vorgänger Wilhelm Müller immer ein fantastisches Händchen. In diesem Sinne möchte ich die Tradition pflegen und stets „besondere“ Programme gestalten. Natürlich kommt dazu meine eigene Handschrift: Mein musikalischer Geschmack ist breit, da gibt es eine klassische Prägung, die sich in den Konzerten in den Transkriptionen widerspiegelt, sowie eine Begeisterung für musikalisch gehaltvolle originale Werke für Blasorchester. Und manchmal bin ich frech, wie bei dem von Ihnen genannten Eröffnungswerk. „So hat die Bläserphilharmonie noch nie ein Konzert eröffnet“, haben meine Musiker gesagt und freuen sich auf den temperamentvollen Opener.

Beibehalten wird das Konzept, das
auch auf einen Moderator setzt. Armin Fechter folgt in dieser Rolle Georg Götzemann nach. Auch hier gibt es also einen Wechsel. Steht für Sie dabei der unterhaltende Aspekt im Vordergrund oder sehen Sie die Moderationen als Ohrenöffner?

Unser langjähriger Moderator Georg Götzelmann kann leider aus persönlichen Gründen bei diesem Konzert nicht dabei sein. Sie werden ihn jedoch voraussichtlich beim Open Air wieder hören. Wir freuen uns sehr, dass wir Armin Fechter für dieses Konzert als Moderator gewinnen konnten: Für mich ist das gesprochene Wort zwischen den Werken eine wunderbare Verbindung zu den unterschiedlichen Charakteren der Stücke und damit ein wesentlicher Bestandteil eines Konzerts. Ein Moderator kann Hintergrundwissen liefern oder bei komplexerer Musik das Gehör in eine bestimmte Richtung lenken. Er kann bei programmatischen Werken die außermusikalische Geschichte erzählen – einfach immer einen Vorgeschmack geben und Appetit machen auf das jeweils folgende Werk.

Das Gespräch führte Ingrid Knack.