Spannende Identitätssuche fesselt Generationen

Tourneetheater Liberi mit dem Musical zum „Dschungelbuch“ im Backnanger Bürgerhaus zu Gast – Sechs Darsteller spielen teilweise in mehreren Rollen

Rudyard Kiplings Klassiker aus dem Jahre 1894/95 ist bis heute geeignet, Jung und Alt zum Nachdenken über das Leben anzuregen und zu begeistern. Das Bochumer Theater präsentierte ihn mit sechs Darstellern, die zum Teil in Mehrfachrollen agierten.

Spannende Identitätssuche fesselt Generationen

In Backnang fieberten Kinder und Erwachsene mit dem Findelkind Mogli (rechts) mit, hier im Gespräch mit dem Bären Balu. Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

BACKNANG. Liberi-Autor und -Regisseur Helge Fedder zeichnet für die Textfassung des Musicals verantwortlich. Er hat auch selbst schon Regie geführt und als Schauspieler gearbeitet, kennt also alle Seiten einer solchen Produktion genau, was ihm hilft: Bereits beim Schreiben hat er bestimmte Bilder im Kopf und spricht die Dialoge schon während sie entstehen laut mit, „sodass sie nicht hölzern, sondern lebendig daherkommen – so soll am Ende schließlich auch das Stück sein“.

Das ist gelungen. In Backnang fieberten Kinder und Erwachsene mit dem Findelkind Mogli mit, das von einem Wolfsrudel aufgezogen wird und eine Reihe von Freunden findet, aber auch Gefahren ausgesetzt ist. „Im Kern geht es in diesen Geschichten immer um zentrale Werte, die einfach aktuell bleiben: Das kann Freundschaft sein, Toleranz, Selbstvertrauen oder Mut“, so Helge Fedder. Es gehe darum, Werte „auf unbeschwerte Art erlebbar zu machen“.

In aufwendig gearbeiteten Kostümen (Annette Pfläging) kommen die Botschafter solcher Inhalte zu Wort, der weise Panther Baghira beispielsweise oder Moglis herzensguter Freund Balu, der Bär, aber auch die Wolfsmama Akela oder die geheimnisvolle Schlange Kaa, Affen, Geier und andere Wesen mehr.

Natürlich ist da der gefährliche Tiger Shir Khan, der, wie Mogli herausfinden wird, eigentlich nur einsam und deshalb böse geworden ist. Solcherlei Weisheiten reihen sich aneinander wie die Perlen auf einer Kette: „Jeder hat seinen Platz und seine Bestimmung“, „Wölfe sind nie allein“, „Du musst nur lachen“, „Gestern warst du der, morgen wirst du vielleicht ein anderer sein“, „Das Böse ist ein Teil von uns“, „Alle Wesen können schreckliche Dinge tun“, „Wichtig ist, dass du dich annimmst“, „Geh einfach los! Wenn du nicht weitergehst und nur nach hinten schaust, kommst du nie voran“, „Ohne Freunde geht es nicht, Freunde sind das Beste“, „Manchmal muss man sich auch entschuldigen“... Versteckt sind die Bonmots in den Dialogen und Songs der Figuren (Kompositionen: Christoph Kloppenburg und Hans Christian Becker). In der Hauptrolle zu sehen ist Ali Marcel Yildiz, der im Interview bekennt, dass Mogli ihm in mancher Hinsicht ähnlich sei: „Ich glaube, Mogli und ich haben schon ein paar übereinstimmende Charakterzüge, wie zum Beispiel die Verspieltheit, aber ich teile auch seine Neugierde und seinen Wissensdurst.“ „Voll und ganz“ könne er Moglis innere Zerrissenheit nachvollziehen. „Vielleicht habe ich deshalb auch so leicht Zugang zu dieser Figur gefunden.“

In den weiteren Rollen agieren Okan Sen (als Balu), Lisa Perner (Baghira), Rick Middelkoop (als Shir Khan sowie als Affe), Laura Brümmer (als Kaa, Akela, Affe und Geier) sowie Wiebke Isabella Neulist (als Mädchen Narami, Wolf Raksha, Affe und Geier). Hinter den Kulissen fleißig sind 26 Künstler, Techniker und Assistenten unter der künstlerischen Gesamtleitung von Lars Arend.

So ist eine bunte Produktion entstanden, die Kinderherzen höher schlagen und auch musikalisch keine Wünsche offen lässt. Bluesrock, Jazzanklänge und Funk fließen ineinander über und sind den Figuren auf die Leiber geschrieben. Highlights hier der böse Tiger Shir Khan, den Darsteller Rick Middelkoop furchterregend brüllen lässt, die geschmeidigen Bewegungen von Lisa Perner als Panther und Laura Brümmer als Schlange oder die eher tapsigen Schritte des Okan Sen als Bär (Choreografie: Carolin Pommert).

Kinder und Erwachsene im Publikum gehen aus dem Saal, wie Autor Helge Fedder es sich gewünscht hat: „Mit einem guten Gefühl.“ Das Happy End wurde ihnen nicht geschenkt. Schließlich gelte es, auch Kinder ernst zu nehmen. Fedder: „Es kommt nicht einfach die gute Fee, die das Happy End bringt. Das ist ja keine Lösung.“ Dennoch fällt der Schluss harmonisch aus. Er kommt in Gestalt des Mädchens mit der roten Blume (Wiebke Isabella Neulist) mit ganz viel Poesie und Zauberkraft.