Der Innenarchitektur-Wettbewerb „Best Workspaces“ zeigt eindrücklich: das zeitgemäße Büro ist ein Wohlfühlort. Besonders Architekten aus Stuttgart zeigen, wie das bessere Büro geht.
Welches Kaffeehaus kann da noch mithalten? Das „Working Café“ im Beiersdorf Campus, gestaltet von der Stuttgarter Ippolito Fleitz Group, sicherte sich einen 2. Preis bei den „Best Workspaces“.
Von Tomo Pavlovic
Wer den neuen Büromenschen besser verstehen will, sollte mal einen Blick in die Angestelltenliteratur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts werfen. Die Bürogestalten, die die Literatur seinerzeit hervorgebracht hat, etwa bei Georg Kaiser oder Hans Fallada waren meist männliche Wesen, tendenziell willensschwache Charaktere. Befehlsempfänger. Es waren „Angestellte“, die, wie Siegfried Kracauer es formuliert hat, „geistig obdachlos“ sind und deren Gesichtsfarbe man sich leitzordnergrau vorstellte.
Kreativräume für die Karriere
Der Büromensch im Hier und Jetzt ist das personifizierte Gegenteil dieses Typus – oder will es zumindest sein. Er haust im Idealfall nicht in kalt ausgeleuchteten Arbeitszellen und wartet wie ein stumm gähnendes Reptil neben einem Gummibaum auf den Feierabend oder die betriebsbedingte Kündigung. Vielmehr findet er seine Bestimmung in perfekt durchdesignten Workspaces, die Kreativräume für die tolle Karriere sind.
Die entfremdete Lohnknechtschaft hat in der modernen Dienstleistungsgesellschaft ein Ende, es heißt jetzt: Work hard, play hard. Anders ausgedrückt: die ganze Arbeit ist ein Spiel. Kein Stress mehr, keine Mühsal. Und wem die Arbeit doch mal über den Kopf wächst oder die flache Hierarchie nervt, der macht kurz mal ein Nickerchen im Powernapping-Raum oder tobt sich mit dem Kollegen am Tischkicker aus.
Da verwundert es auch nicht, dass einem beim Schmökern im opulenten Bildband über die Finalteilnehmer des Wettbewerbs „Best Workspaces“ gelegentlich Tischtennisplatten, Stofftiere, Sitzsäcke oder auch die erwähnten Tischkicker ins Auge fallen.
Hybride Arbeitsplätze
Neugestaltete Bürokomplexe wecken in Gemeinschaftsräumen Kindheitsgefühle. So auch in Salzburg, wo in der Nähe der Fachhochschule 500 stationäre Arbeitsplätze entstanden sind – für 50 thematisch miteinander verbundene Unternehmen. Das „Techno-Z Office Home“ bietet auf 6600 Quadratmetern Bürofläche reichlich Raum für sogenannte Aktions- und Aufenthaltszonen nach dem Shared-Office-Prinzip, wobei Gemeinschaftsräume von den Firmen geteilt werden.
Das Architekturbüro kadawittfeldarchitektur mit Sitz in Aachen hat sich nach eingehenden Vorab-Studien zu den Wünschen der künftigen Mitarbeiter dazu entschlossen, teilweise mit an der Decke befestigten Sitzschaukeln statt klassischen Bürostühlen zu arbeiten, überall dort, wo in gemeinsam nach kreativen Lösungen gesucht wird. Tatsächlich soll das Schaukeln die kreativen und motorischen Fähigkeiten von Kindern fördern. Aber ob das auch für Erwachsene gilt? Eher fraglich.
Eines ist allerdings schon mal sicher: All die ausgezeichneten Workspaces mit und ohne Schaukeln wirken so, dass man unbedingt dort arbeiten oder sonst etwas tun möchte, am liebsten: darin leben. Gegen diese gestalterische Kraft hat kein Home Office eine Chance. Was ja auch intendiert ist. Komm nach Hause ins Büro! Schließlich stehen die besten Unternehmen um die produktivsten Angestellten im Wettbewerb.
Und weil die jüngeren Generationen, die Gen Z und die Millennials im Besonderen, durchaus hohe Ansprüche reklamieren und im Vergleich zu den Älteren verwöhnt werden wollen, reicht eben längst nicht nur ein ergonomischer Bürostuhl als Argument für den Eintritt in genau diesen Betrieb.
Eine Expertenjury entscheidet jährlich über die besten Entwürfe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 50 Auszeichnungen wurden ausgesprochen, darunter drei Anerkennungen. Zwei Projekte erhielten den 1. Preis als „Best Workspace“: das Züricher Architekturbüro Studio Gessaga für die Umwandlung einer denkmalgeschützten Lagerhalle in Lenzburg (Schweiz) in ein farbstarkes Treuhandbüro; und das Architekturbüro Henning Larsen, das in München für die Firma Ramboll beispielhaft ein offenes Raumkonzept für das soziale Miteinander entwickelt hat – und zwar unter großzügigem Einsatz von nachhaltigen Baustoffen wie Holz und üppiger Verwendung von Grünpflanzen, etwa als Raumteiler.
Stuttgart als Standort oder Impulsgeber für außergewöhnliche Arbeitsräume wurde gleich mehrfach ausgezeichnet. So hat die Württembergische Gemeinde-Versicherung (WGV) in ihrem neuen Kundenservicezentrum in der Tübinger Straße mit Hilfe des ansässigen Architekturbüros DIA Dittel Architekten die Jury des diesjährigen „Best Workspaces“-Award überzeugt.
„Hohe Funktionalität und Flexibilität, angenehme Raumakustik, gesunde Materialien, durchdachtes Corporate Design und vielseitige Aufenthaltsqualitäten: Bei der Realisierung des neuen Kundenservicezentrums der WGV standen genau diese Aspekte im Fokus unserer Arbeit“, erklärt rückblickend der Stuttgarter Architekt Frank Dittel.
Architekturbüros aus Stuttgart unter den Gewinnern
Weitere Auszeichnungen gingen an die freie Stuttgarter Innenarchitektin Isabell Ehring, die das Interior Design für den ebenfalls in Stuttgart ansässigen Mittelständler Vector Informatik entwarf, wobei die Herausforderung darin bestand, das alte Modell der scheinbar funktionalen Arbeitsteilung zu überwinden, gleichzeitig Arbeitsräume für die Büroangestellten wie auch für die Mitarbeitenden in der Hardware-Produktion miteinander zu verzahnen.
Und das Stuttgarter Architekturbüro haascookzemmrich STUDIO 2050 hat für Hanova den Hauptsitz des kommunalen Energieversorgers Enercity AG nahe der Hannoveraner Stadtmitte durchdesignt – auf sechs Geschossen mit rund 7000 Quadratmetern Bürofläche. Es handelt sich um das größte Passivhaus Norddeutschlands, Dachbegrünung, Restaurant und Fitnessareal für die Angestellten inklusive. Weitere Auszeichnungen gingen an die Stuttgarter Planungsbüros Blocher Partners, Geplan, Studio Komo und Scope Architekten.
Groß abgeräumt hat allerdings die Ippolito Fleitz Group: gleich zwei Auszeichnungen sowie ein 2. Preis gingen an das bekannte Stuttgarter Architekturbüro. Bei der Interieurplanung der bei München neu gebauten Zentrale von Heads – Bauherr war die Rock Capital Group – haben die Schwaben eine wahre Farbexplosion in Grün und Rosarot ausgelöst. Rund 800 Angestellte dürfen hier hoffentlich tagtäglich erfahren, wie sich eine kluge Wahl von gesunden Baumaterialien, Stoffen und inspirierenden Farben auf das eigene Wohlbefinden und die Kreativität auswirken.
Die Ippolito Fleitz Group hat für dieses Design neben der erwähnten Auszeichnung der „Best Workspaces“ auch den „German Design Award“ sowie den renommierten „iF Design Award“ verliehen bekommen. Schön, dass es tatsächlich noch Arbeitgeber gibt, die den Wert motivierter Angestellten zu schätzen wissen und dafür in gute Architektur investieren.
Das Buch
Best Workspaces Das Jahrbuch des Wettbewerbs 2025 umfasst auf 384 Seiten alle ausgezeichneten Büroprojekte. Neben Gebäudeporträts sind Interviews und Kurzporträts enthalten. Der von Jörg Staff und Andreas K. Vetter herausgegebene Bildband ist im Callwey Verlag erschienen und kostet 98 Euro.
Das Stuttgarter Architekturbüro haascookzemmrich STUDIO 2050 hat für Hanova den Hauptsitz des kommunalen Energieversorgers Enercity AG nahe der Hannoveraner Stadtmitte durchdesignt – auf sechs Geschossen mit rund 7000 Quadratmetern Bürofläche. Auffällig: die farbstarken Stege.
Rückzugsräume und Nischenplätze für ungestörtes Zusammenkommen: auf dem neuen Beiersdorf Campus in Hamburg hat die Ippolito Fleitz Group aus Stuttgart eindrucksvolle Orte kreiert.
Holten gleich drei Auszeichnungen mit unterschiedlichen Projekten: die Stuttgarter Architekten Peter Ippolito (li.) und Gunter Fleitz.
Das neue Headquarter der Allplan Deutschland GmbH in München. Drei Etagen mit 1900 Quadratmeter Bürofläche, gestaltet von Blocher Partners aus Stuttgart. Open Spaces erhielten leichte, teils begrünte Raumtrenner. Alternativ gibt es auch schallschluckende Vorhänge.
Im klassischen Bereich ist der Grundriss beim Allplan Office in separierte, verglaste Büros separiert.
Erhielt ebenfalls eine Auszeichnung: Jutta Blocher vom Stuttgarter Architekturbüro Blocher Partners.
Für die in Stuttgart ansässige Firma Vector Informatik sollten Büroflächen mit der Hardware Produktion ineinander übergehen. Der von der Stuttgarter Innenarchitektin Isabell Ehring designten Workspace besticht durch funktionale Eleganz.
Die Produktionsplätze befinden sich entlang einer Fensterflucht. Eingestellte Pflanzenparavents gliedern die Ordnung und verbessern das Raumklima.
Aus Stuttgart für Stuttgart: die freie Innenarchitektin Isabell Ehring bekam auch eine Auszeichnung.
In Rosenfeld im Zollern-Alb-Kreis hat die Blickle Räder + Rollen GmbH eine Erweiterung ihrer Verwaltungseinheit in Auftrag gegeben. Für die Gestaltung des auffälligen Interieurs zeichnet das Büro Geplan aus Stuttgart verantwortlich. Hier der Empfang mit dem leitmotivisch angelegten Rad im Deckenbereich.
Stärkt die Identifikation mit dem Produkt: Eine Tapete aus Speichenrädern ziert die Wand der Café-Lounge in Rosenfeld in Baden-Württemberg.
Der 1. Preis ging unter anderem an das Architekturbüro Henning Larsen Architects für die Gestaltung der Bürofusion des eigenen Unternehmens mit der Firma Ramboll. Standort ist München. Meetingarea und Arbeitstischflächen werden mit gliedernd eingesetztem Planzengrün kombiniert.
Das New Office Ramboll und Henning Larsen ist nichts für Schüchterne: In Mittagspausen versammelt man sich in den großdimensionierten Market Places.
Das Buch „Best Workspaces“ von Jörg Staff und Andreas K. Vetter ist im Callwey Verlag (384 Seiten, 98 Euro) erschienen. Es zeigt von einer Fachjury ausgezeichnete Büroprojekte mit Fotos, Planmaterial und Interviews mit den Architekten. Das Cover zeigt eine Besprechungsnische auf dem Beiersdorf Campus der Ippolito Fleitz Group aus Stuttgart.