Stuttgarter Philharmoniker spielen in Backnang

Mit „Versteckte Botschaften“ ist das Konzert am Samstag im Bürgerhaus überschrieben. Unter der Leitung von Frank Dupree spielt das Orchester Werke von Béla Bartók, Péter Eötvös und Sir Eward Elgar. Kai Strobel zeigt an den zahlreichen Schlaginstrumenten vollen Einsatz.

Stuttgarter Philharmoniker spielen in Backnang

Kai Strobels körperlicher Einsatz ist beachtlich, er ist Schlagzeuger und gleichzeitig auch Sprachvirtuose. Foto: Alexander Becher

Von Klaus J. Loderer

Backnang. Eine umfangreiche Batterie von Schlaginstrumenten nimmt die ganze Breite der Bühne im Backnanger Bürgerhaus ein. Sie ist vorbereitet für das zweite Stück des Konzerts der Stuttgarter Philharmoniker, ein Werk des ungarischen Komponisten Péter Eötvös. Kai Strobel ist der Solist für dieses komplexe Werk.

Mit „Versteckte Botschaften“ ist das Konzert des vergangenen Samstags überschrieben. Zunächst widmet sich Dirigent Frank Dupree Béla Bartóks Tanzsuite (Táncszvit) Sz 77. Der ungarische Komponist nahm stark verfremdete Motive aus arabischen, ungarischen und rumänischen Volkstänzen in das vor 100 Jahren, nämlich 1923 uraufgeführte Stück auf. Flötengezwitscher kontrastiert mit großem Orchesterklang. Man wähnt sich an Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“ erinnert, wenn luftig schwebende Klänge mit Holzbläsern abwechseln.

Kai Strobel ruft immer wiederdas Wort „kudora“

Kai Strobel lässt einen Trommelstock auf eine Trommel fallen. Er schnellt mehrfach hoch und fällt wieder runter. Er wiederholt das Spiel auf einer zweiten Trommel. Das ist der Anfang von „Speaking Drums“ des ungarischen Gegenwartskomponisten Péter Eötvös. Strobel ruft immer wieder das Wort „kudora“. Wie „panyigai“ und „kotta“ ist es dem Gedicht „Táncdal“ (Tanzlied) des 1989 verstorbenen ungarischen Dichters Sándor Weöres entnommen. Péter Eötvös ließ sich für sein 2013 in Monte Carlo uraufgeführtes Stück von diesem nicht wirklich einen Sinn ergebenden Gedicht inspirieren.

Weitere verarbeitete Texte stammen vom indischen Dichter Jayadeva. Die Wörter dienen dazu, einen Rhythmus zu finden, denn dieser entsteht aus dem Wortduktus. Fast staunend wirkt der 1992 in Herrenberg geborene Schlagzeuger, wenn er wieder einen neuen Klang ausprobiert. Man hat den Eindruck, die Klanginstrumente verselbstständigen sich dann. Strobel ist nicht nur als Schlagzeuger gefordert, sondern auch als Sprachvirtuose. Wie mit den Schlägeln ist Kai Strobel auch mit den Silben in rhythmischer Exaktheit gefordert. Sein körperlicher Einsatz ist beachtlich, ganz anders als die sonst in klassischen Konzerten übliche Zurückhaltung. Was anfänglich wie Improvisation wirkt, ist aber komponiert. Allerdings gibt es auch Stellen für Improvisationsmöglichkeiten. Die kostet Kai Strobel weidlich aus.

Der zweite Teil setzt mit einem auf die Kesselpauke gelegten Becken ein. Im Orchester gibt es einen weiteren umfangreichen Schlagzeugbereich. Zu den vielfältigen Instrumenten gehören auch zwei Steine, die aufeinandergeschlagen werden. Wenn Kai Strobel im Vordergrund das Glockenspiel zum Klingen bringt, bilden harte Schläge an Metallscheiben den Kontrast. Dass Eötvös diesen Teil als „Nonsense Songs“ übertitelte, lässt den Text „Goldene Messerklinge dreht im Herzen“ (Arany kés forog) zu einer weiteren Untermalung des Stücks werden. Passend zum Titel ist das „barbarische Lied“ (Barbár dal) mit brutalen Klängen unterlegt. Wie in Bartóks Stück spielen Tänze auch bei Eötvös eine Rolle. Hier sind es im „Passacaglia“ überschriebenen dritten Teil Bezüge zu barocken Tänzen.

Das Publikum im leider trotz reduzierter Bestuhlung nicht ganz gefüllten Walter-Baumgärtner-Saal weiß Strobels Virtuosität durchaus zu schätzen. Noch mehr als das Eötvös-Stück bejubelt es die Zugabe, in der er eine meisterliche Improvisation mit aufeinandergeschlagenen Trommelstöcken und schließlich einem geradezu atemberaubend aufbrausenden Crescendo an der Trommel gibt, der er dann mit den Händen streichelnd, mit Fäusten, Ballen und Fingern die unterschiedlichsten Klänge entlockt und schließlich mit zwei wattierten Schlägeln und Besen ins Finale übergeht.

Englischer Komponist charakterisiert seine Frau und auch sich selbst

In Sir Eward Elgars „Enigma Variations“ deutet schon der Titel versteckte Botschaften an. Der englische Komponist charakterisierte in dem bekannten Werk seinen Freundeskreis, gerahmt von Passagen, die sich auf seine Frau und ihn selbst beziehen. Darauf bezieht sich das titelgebende Rätsel aber gar nicht. Die Kuriosität ist, dass das erste Thema auch schon eine Variation eines nicht im Stück vorkommenden Motivs ist. Das ist für den heutigen Konzertbesucher eher zweitrangig. Es erfreut sich eher am Orchesterklang und den Melodien.

Frank Dupree gab den ersten Teilen einen recht harten Streicherklang. Mit der neunten Variation wechseln die Stuttgarter Philharmoniker zu einem weichen Klang. Geradezu zart geht der Dirigent die „Nimrod“ betitelte Passage an und lässt sie sich aus einem sanften Pianissimo entwickeln. Umso effektvoller ist das Crescendo mit aufbrausendem Fortissimo.

Dupree zelebriert diesen mächtigen Orchesterklang mit Genuss und führt das Orchester wieder zu einem Pianissimo zurück. Dann kostet er ironisch das zwischen Geige und Flöte hüpfende Motiv aus. Noch einmal lässt er die Philharmoniker mächtig aufbrausen. In dieser majestätischen Spielwiese erinnert das Finale an Wagners „Meistersinger von Nürnberg“.