Szenen von Liebe, Lust und Leid

Chanson-Abend im Backnanger Bürgerhaus mit Sandra Hartmann – Abwechslungsreiches Programm mit komödiantischer Note

Ein besonderer Chanson-Abend wurde im Backnanger Bürgerhaus im Rahmen der Reihe Literarischer Salon geboten. Mit Liedern von Bertolt Brecht bis Rio Reiser verzauberte die Sängerin Sandra Hartmann das Publikum mit ihrem Programm „Liebe ist hart – Mann!“.

Szenen von Liebe, Lust und Leid

Sängerin Sandra Hartmann und Oliver Prechtl am Flügel gestalteten einen Chanson-Abend unter dem Motto „Liebe ist hart – Mann!“. Foto: J. Fiedler

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Es ist eine Premiere für die Sängerin Sandra Hartmann und Oliver Prechtl, der sie am Flügel begleitet. Nicht, dass sie mit den Liedern zum ersten Mal auf der Bühne ständen. Das Repertoire haben sie schon öfter präsentiert. Aber jetzt haben sie sich die Theaterregisseurin Jennifer Sittler, die Tochter des Schauspielers Walter Sittler, mit ins Boot geholt, die das Chanson-Programm szenisch eingerichtet hat.

In Unterwäsche, nur mit einer Bluse und warmen Wollsocken bekleidet, betritt Sandra Hartmann die Bühne. „Sind Sie wegen mir da?“, fragt sie die Zuschauer im gut besetzten Walter-Baumgärtner-Saal. Sie komme immer und überall zu spät.

Sympathisch plaudernd schlüpft sie in einen eng anliegenden Rock, tauscht die grauen Socken gehen High Heels und verwandelt sich mit blonder Perücke und Federboa in einen sexy Vamp. „Oh, Bärchen, ich lass dich nicht sitzen“, singt sie auf die Melodie des Beatles-Songs „Oh, Darling“, während sie sich verführerisch über die Bühne bewegt.

Ausstrahlung und Stimme der Sängerin begeistern

Vom ersten Lied an begeistert Sandra Hartmann nicht nur mit ihrer Ausstrahlung, sondern vor allem mit ihrer Stimme. Sie studierte Gesang an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Sehr facettenreich ist ihr Programm. Das Gedicht „Herz und Hirn“ von Robert Gernhardt hat der Pianist und Komponist Oliver Prechtl vertont. Über „Bidlah Buh“ von Georg Kreisler geht es zu dem Volkslied „Du, du liegst mir am Herzen“, um schließlich bei einer ganz eigenen Interpretation von Rio Reisers „Ich bin müde“ zu landen. Kleine Moderationen zwischen den Liedern sind eingebaut und machen das Programm noch abwechslungsreicher.

Dramatische Stücke und leichte Lieder wechseln sich ab. Sandra Hartmann versteht es, die Besucher auf emotionale Reisen mitzunehmen. Bei ihrer klaren Sopranstimme wird immer wieder deutlich, dass sie eigentlich eine klassische Gesangsausbildung hat.

Langsame Stücke wie „Der Abschiedsbrief“ von Erich Kästner und Kurt Weill sind genauso dabei wie „1000 Jahre schlechter Sex“ von Farin Urlaub, dem Sänger der Rockband „Die Ärzte“. In der Bearbeitung von Sandra Hartmann und Oliver Prechtl ist eine ganz andere Version daraus entstanden.

Die blonde Perücke hat sie inzwischen abgelegt und steht mit ihrem dunklen Kurzhaarschnitt auf der Bühne. Amüsante Szenen sind eingeflochten, etwa wenn sie in die Rolle ihrer Therapeutin schlüpft, die immer wieder herhalten muss, um das Liebesleid zu verarbeiten, das sie in den Liedern besingt, so in „Liebeslied aus einer schlechten Zeit“ von Bertolt Brecht, in dem es heißt: „Wir waren miteinander nicht befreundet. Doch haben wir einander beigewohnt.“ In der Rolle der Therapeutin zeigt sich, dass die Stuttgarter Sängerin durchaus des Schwäbischen mächtig ist und komödiantische Qualitäten hat.

Urkomisch, wie man es an einem Chanson-Abend eigentlich nicht erwartet, wird es bei dem Lied „Ach, Egon“. Schwankend, mit schwerer Zunge singt Sandra Hartmann: „Ich hab ja nur aus Liebe zu dir...ein Glas zu viel getrunken.“ Das Publikum amüsiert sich köstlich, wenn sie die Bühne verlässt, über Stühle im Zuschauerraum klettert, sich scheinbar nicht mehr auf den Beinen halten kann und auf dem Schoß eines lachenden Zuschauers landet. Auf allen vieren krabbelt sie zurück auf die Bühne. Sandra Hartmann beweist, dass sie neben ihren hervorragenden Gesangsqualitäten auch das Zeug zur Entertainerin hat.

Das Publikum ist begeistert und fordert Zugaben. Auf die zweite waren Sandra Hartmann und Oliver Prechtl nicht vorbereitet und sind selbst überwältigt. Da wird eben improvisiert. Die schwäbische Therapeutin gibt den Ratschlag, die sexy „Bärchennummer“ vom Anfang des Abends zu wiederholen. Sandra Hartmann läuft noch mal zur Höchstform auf und rekelt sich zwischen verführerisch und lasziv bis hin zu witzig übertreibend auf der Bühne.

Die Idee, das Chanson-Programm szenisch zu bereichern, hat sich als gute Entscheidung erwiesen und war bei der Premiere im Backnanger Bürgerhaus ein voller Erfolg.