Viel Esprit, viel Herz

Gäste der Auenwalder Gruschtelkammer erleben Heinz Rudolf Kunze hautnah

Man ist gewöhnt, in der Gruschtelkammer die deutschen Topkabarettisten hautnah erleben zu können. Den Sänger, Musiker, Literaten und Poeten Heinz Rudolf Kunze in diese kleine Location zu locken, ist aber schon etwas ganz Besonderes. Charley Graf hat sich einen Traum erfüllt. Dieser endet mit Standing Ovations.

Viel Esprit, viel Herz

Heinz Rudolf Kunze bekommt nach seinem Auftritt in der Sängerhalle Oberbrüden Standing Ovations. Foto: J. Fiedler

Von Thomas Roth

AUENWALD. Heinz Rudolf Kunze ist ein recht gescheiter Mann. Feingeistig, sprachgewandt, ein lustvoller Musiker und stimmlich nach wie vor sehr gut drauf. Viele Menschen bringen den Osnabrücker mit seinem bekanntesten Lied „Dein ist mein ganzes Herz“ in Verbindung. Doch Kunze ist weit mehr. In seinem Soloprogramm „Heinz Rudolf Kunze – Wie der Name schon sagt“ bringt er Lieder aus den vergangenen zwei Jahrzehnten zum einen, Betrachtungen über Politik, die Gesellschaft, die Welt und das Leben zum anderen auf die Bühne. Mit Schonungslosigkeit, gespeist aus Fassungslosigkeit: „Dieses Land ist im Begriff, vollkommen wahnsinnig zu werden.“ Als Beispiel nennt er auch Ingolstadt, eine der reichsten Städte Deutschlands und Hochburg der AfD, und geißelt die „Herrschaft der selbst verschuldeten Dummheit“. Zum Thema Geflüchtete singt er „Aller Herren Länder“ („Du wirst nie zu Hause sein, wenn du keinen hast, wenn du keine Freunde hast“).

Dabei hält sich Kunze aber nie auf Allgemeinplätzen auf. Er hält es mit der Differenziertheit in der Betrachtung, wie es sich für einen Intellektuellen gehört. Er beklagt die allgemeine Verdummung, die Moden unter anderem in Sachen Ernährung (mit viel Selbstironie: „Selbstbestrafung mit Sojabratlingen – das ist zu hart“) und sagt überdies: „Die Leute sind so unfassbar empfindlich geworden.“ Er malt das Szenario, die Freiheit wolle sich selbst abschaffen („diese unendliche Langeweile der Freiheit...ich will was befohlen bekommen...“) und fordert statt Bestrafung eher einen Orden für Gotteslästerung: „Gott hat Humor. Zumindest meiner.“ Dann singt er den Song „Zitadelle“.

Er schwärmt von Jimi Hendrix und Deep Purple und stellt diesen exemplarisch die „Finstertaler Zipfellutscher“ oder „DJ Hirni“ gegenüber. Und er sagt: „Seit Andrea Berg denkt man anders über Vicky Leandros.“ Ob ihm in diesem Moment klar war, dass er sich sozusagen mitten im Hoheitsgebiet der Schlagerqueen befindet? Doppelspitzen in der Politik, die Kluft zwischen Armen und Reichen („Hier kommt Schorsch, genannt die Schere“), Plädoyers gegen Reglementierungen und Fanatismus („Menschen, die SUV-Fahrer töten mit veganem Schaum vor dem Mund“) und für das Menschsein an sich. Kunze blickt nicht nur in die Zukunft, er macht sich auch Sorgen um die Gegenwart. Dann aber gibt’s auch leichtere Kost wie seine Worte zur Pause: „Sie haben jetzt, wie mein Freund Purple Schulz immer sagt, 20 Minuten lang die Gelegenheit, sich den Künstler schönzusaufen.“ Im Zugabenteil singt Kunze unter anderem „Blowing in the Wind“. Zur Instrumentalbegleitung mit der Gitarre kommt noch die Mundharmonika dazu. Es weht ein Hauch von Nostalgie durch die Gruschtelkammer: Wann hat man diese 1968er-Hymne live zum letzten Mal so gehört? Der Dylan-Song verrät die Wurzeln dieses sensiblen Mannes, der doch immer verletzlich wirkt, auch wenn er selbst immer wieder die verbale Keule schwingt. Schön ausgefeilte und voller Intensität gespielte Klavier- und Gitarrenbegleitung – der Gitarrensound war wirklich famos – bei seinen zeitlosen Songs erreicht die Zuhörer direkt. Besonders emotional sind Kunzes Liebesballaden wie „So wie du bist“. Kunze bedient Geist und Herz gleichermaßen. Mit Schärfe, mit Tiefe, ohne falsche Sentimentalität.