Viel mehr als Hobbykunst

In der Region Backnang haben sich viele Amateurkünstler zusammengeschlossen. Das Niveau ihrer Arbeiten ist beachtlich.

Viel mehr als Hobbykunst

Karin Pivit vom Kunstverein Aspach interessiert sich für die menschliche Figur. In ihrem Garten finden sich viele ihrer Skulpturen. Fotos: Alexander Becher

Von Carmen Warstat

Rems-Murr. Es überrascht, wie viele Menschen in ihrer Freizeit in der Region Backnang künstlerisch aktiv sind. Überall finden sich Gruppen und Vereine, in denen sich Amateurkünstler zusammengeschlossen haben. Und was ebenso überraschen kann, ist das Niveau ihrer Arbeiten. Meist angeleitet von fachkundigen Mentoren, dienen sie ihrer Leidenschaft für bildkünstlerische und plastische Werke, enthusiastisch und mit sehr viel Geduld.

Die Kunstfreunde Allmersbach etwa haben 17 Mitglieder, die sich beispielsweise mit Malerei, Bildhauerei, Keramik und Holzarbeiten oder Fotografie beschäftigen. Leiter der Gruppe ist Rudolf Schneider, der „teils schon kubistisch“ malt, manchmal mit mathematischem Konzept, manchmal aber auch, ohne am Anfang schon zu wissen, „was daraus wird“. „Das ergibt sich“, sagt er. Seine „Barettista“ und die „Frontfrau“ stehen beispielhaft für die Verschmelzung von konstruktivistischen und figurativen Ansätzen.

Bei einem Rundgang durch die kleine Ausstellung im Allmersbacher Rathaus spricht Schneider über einige seiner Mitstreiter: Elena Thiele gestaltet Porträts nach Fotos, Albrecht Kurz fertigt Holzobjekte und Helga M. Winnewisser solche aus Papier, Edda Schenkel arbeitet unter anderem figurativ in Tonkeramik, Iris Kaiser hingegen findet etwa in abstrakter Malerei, die sie mit Fundstücken anreichert, zu Ausdrucksstärke. Janos Vad zeichnet „in schnellen Zügen“ und versucht immer, „die wichtigsten Linien sofort zu erfassen“. Der Bildhauerei ist er aber stets treu geblieben.

Bildhauer Dieter Gungl ist seit langen Jahren Mentor des Kunstvereins Aspach

Mit Ikonenmalerei und Landschaftsmalerei beschäftigt sich Karl Benes. „Daraus ergibt sich eine recht spontane Maltechnik mit intensiven Farben“, bemerkt er selbst und ergänzt das Gestalten von Specksteinfiguren als wichtiges Betätigungsfeld. Die bildhafte Darstellung bezeichnet er als „ehrlich, natürlich und sehr real“.

Im Kunstverein Aspach arbeitet man seit vielen Jahren mit dem Bildhauer Dieter Gungl als Mentor. Er gilt als überaus kompetent und streng, sodass sich jede Art Kunsthandwerk bei ihm verbietet.

Karin Pivit aus Allmersbach im Tal hat sich den Aspachern angeschlossen, die regelmäßig in der kleinen Kapelle in Allmersbach am Weinberg mit Gungl arbeiten. Sie interessiert sich „für die menschliche Figur an sich“, für das, „was dahintersteht“, und sie möchte „hervorheben, was nicht unbedingt verzichtbar ist“. Ihr Credo ist die Reduktion auf Wesentliches.

Künstlerin Cora Fauser interessiert sich für die Reduktion aufs Wesentliche

Von „Reduktion und Strukturierung“ spricht sie in ihrem idyllischen Garten, den unzählige Objekte von eigener Hand bevölkern. Markant zum Beispiel der „Treidler“, der „ganz Kraft, Energie und Muskelspiel“ ist, und zwar im gesamten Körper, sodass seine Arme für die Künstlerin tatsächlich verzichtbar sind – ein von seiner Arbeit geschundenes Wesen.

Als Modell angefangen hat Cora Fauser, die erst seit zwei Jahren „aktiv dabei“ ist und „relativ formatoffen“ arbeitet. Die junge Künstlerin kommt von der Kostüm- und Bühnenbildnerei. In der alten Kapelle in Allmersbach am Weinberg zeigt sie ihre jüngsten Arbeiten: Füße in Ton als Muster für Gipsformen, in die Beton gegossen werden soll. Auch Cora Fauser interessiert sich für die Reduktion auf Wesentliches, denn „unser Gehirn schafft es, Verbindungen über Fehlendes hinweg herzustellen“. Der Fuß interessiert sie, weil er „Stärke und tanzende Elemente“ vereint.

Eine wichtige Mitinitiatorin der Vereinsgründung im Jahr 2000 ist Gisela Rapp. Umtriebig und immer neugierig wandert sie durch die Kunstgenres: von der Bildhauerei zu Malerei, Fotografie, Bildbearbeitung und Film und wieder zurück. Die Backnangerin ist künstlerisch ständig unterwegs und seit weit über 20 Jahren sehr produktiv.

Religiöse Motive durchziehen ihr Werk

Eine Art Kirchenfenstermalerei (allerdings auf Leinwand) fällt ins Auge: unglaublich farbstark und zugleich hochmodern. „So male ich am liebsten“, kommentiert die Künstlerin. Religiöse Motive durchziehen ihr Werk, das sie auch in Fotobüchern dokumentiert. Dort finden sich Familien-, Kunst- und Reisebilder beieinander und zeugen so von einem komplexen Leben, das die Dinge nicht trennt. „Wenn ich mehr Zeit hätte...“, seufzt Gisela Rapp und lässt offen, was sie damit machen würde.

Auch Karin Fleig gehört dem Kunstverein Aspach an. Nach vier Jahren Pause hat sie ihre Arbeit dort jetzt wieder aufgenommen und zeigt ihre Stücke – eigene Werke und Kunstgeschenke von Freunden –, die sie in Haus und Garten versammelt. Ihre letzte Arbeit heißt „Befreiung“. Es ist eine leichte Kunstharzfigur, die Ungebundenheit, Erlösung, Eleganz und auch Hoffnung ausstrahlt. Karin Fleig bewundert Miró, Giacometti und Rodin, aber auch weniger berühmte Künstler wie den Strümpfelbacher Bildhauer Karl Ulrich Nuss. Sie liebt es, Workshops zu besuchen und dort zu lernen, ohne viel zu reden. „Man sitzt da und jeder klopft auf seinen Stein, schweigend. Es hat was Meditatives.“

Schließlich die Maler der Baracke: Sie arbeiten schon seit sehr langer Zeit zusammen und malten vor der Vereinsgründung 1977 in einem Behelfsbau der Schillerschule. Kürzlich hatten sie eine erfolgreiche Ausstellung in den Räumen der Firma Feucht in Backnang, durch die Vorstand Horst Tschirner gemeinsam mit Heidi Czech, Susanne Bacher-Schwenger und Susanne Rapp führte. Vorwiegend Malerei in Acryl, Öl oder Mischtechniken, aber auch Plastisches in Speckstein wurde gezeigt, und Hochaktuelles war dabei: Das Werk „Hoffnung“ von Michael Stricker nimmt Bezug auf den Krieg in der Ukraine.

Markant auch: das legendäre Elefantenmotiv von Horst Tschirner, zu dem er auf einer Keniareise fand. Dankbar sind die Maler der Baracke für die Möglichkeit, einen Raum im Backnanger Max-Born-Gymnasium kostenfrei nutzen zu dürfen.