Vom Holzbildhauer zum Gitarrenbauer

Georg Zaiß ist überzeugter Autodidakt und Holzbildhauer. Seit einigen Jahren gilt seine Faszination aber dem Bau von Gitarren. In seinem Haus in Weiler zum Stein hat er sich eine Werkstatt und einen Showroom eingerichtet, um sich zukünftig voll dem Handwerk widmen zu können.

Vom Holzbildhauer zum Gitarrenbauer

Aktuell arbeitet Georg Zaiß in seiner Werkstatt in Weiler zum Stein an einer neuen Gypsy-Gitarre. Fotos: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Leutenbach. „Ich habe einen lustigen Werdegang“, sagt Georg Zaiß (54) schmunzelnd, nachdem er sich in seinem neuen Showroom im Leutenbacher Ortsteil Weiler zum Stein niedergelassen hat. In der Ecke steht ein großer Marshall-Verstärker, an der Wand hängen E-Gitarren und E-Bässe. Die Rot- und Brauntöne des Holzes schimmern im einfallenden Licht. Rund 30 Saiteninstrumente hat Georg Zaiß bereits eigenhändig gebaut, darunter auch akustische Gitarren und Tamburicas, kleine Zupfinstrumente, die traditionell in Ländern wie Ungarn und Serbien verbreitet sind.

Als Jugendlicher war der gebürtige Stuttgarter in der Punkszene unterwegs, eine Lehre als Mechaniker brach er bereits nach zwei Monaten ab. Es sollte der einzige Anlauf für eine institutionalisierte Ausbildung bleiben, danach verfolgte Georg Zaiß sämtliche Interessen autodidaktisch. „Zuerst habe ich angefangen, Schmuck zu machen“, erzählt er. „Ich hab mir alles selbst beigebracht, durch Fachbücher und Ausprobieren, und kann sicherlich drei Viertel von dem, was ein ausgebildeter Goldschmied kann.“ Später betätigte er sich über viele Jahre als Holzbildhauer mit Galerie in Stuttgart, außerdem begann er unter anderem für das Stuttgarter Staatstheater Aufträge für Bühnendekorationen zu übernehmen.

Der Instrumentenbau

war zunächst ein Hobby

Vor etwa 15 Jahren entdeckte Georg Zaiß seine Begeisterung für den Bau von Gitarren, zunächst allerdings bloß als Hobby. „Ich hatte damals einen E-Bass, der mir aber nicht so richtig gefallen hat, also habe ich mich einfach mal rangewagt.“

Das klingt leichter gesagt als getan, aber als erprobter Autodidakt und Künstler fand Georg Zaiß ein schönes Stück Holz und legte los. „Einen E-Bass hatte ich ja, von dem habe ich mir abgeguckt, wie es aussehen muss, wie so ein Instrument aufgebaut ist.“ Holz bezeichnet er als sein Lieblingsmaterial, die Arbeit damit ging ihm gut von der Hand. „Es war ein Erfolg, ich spiele das Instrument heute noch.“

Über die Jahre habe er sich immer weiter hineinvertieft, las Fachliteratur und schaute Youtube-Tutorials – einen Kurs besuchte er freilich nicht. Nun soll das Geschäft mit den Gitarren allmählich die Theateraufträge ablösen. „Auf meine alten Tage möchte ich nur noch schöne Sachen arbeiten“, sagt er, wohingegen man bei Bühnendekorationen bisweilen mit fragwürdigen Materialien wie Styropor zu tun habe.

Ein Ort zum Arbeiten und zum Leben

Die Neuausrichtung ist der Grund, weswegen es den Gitarrenliebhaber vor anderthalb Jahren aus der Landeshauptstadt aufs Land nach Weiler zum Stein zog. „Ich habe lange in Stuttgart nach einer geeigneten Immobilie gesucht, ich wollte am selben Ort wohnen und arbeiten“, erklärt Georg Zaiß. Auf einer Hofstelle in dem Leutenbacher Ortsteil wurde er schließlich fündig, richtete im Erdgeschoss seine Werkstatt ein und in einem Zimmer im ersten Stock seinen Showroom. Anfang des Monats wurde dieser festlich eingeweiht. „Es war proppenvoll. Viele Interessenten sind gekommen, aber auch halb Weiler zum Stein war offenbar neugierig“, berichtet Zaiß lachend. Sogar eine neue Liebe habe er an dem Tag gefunden. „Ich fühle mich hier richtig wohl, ich glaube, ich bin angekommen.“

Bis er das auch über sein Gitarrengeschäft sagen kann, wird Georg Zaiß noch einige Instrumente bauen müssen, dessen ist er sich bewusst. „Ich bin Realist. Es wird natürlich eine Weile dauern, bis es läuft.“ Mit zwei oder drei Jahren rechnet Zaiß mindestens, einstweilen wird er weiterhin Aufträge für das Theater übernehmen. Im Freundeskreis seien allerdings schon mehrere seiner Instrumente unterwegs, und auch die ersten Aufträge für Fremde habe er schon verbuchen können, unter anderem für jemanden von der Musikhochschule Stuttgart.

Sein Gitarrenbestand wächst indessen stetig. Angefangen hat er mit Akustikgitarren, obwohl diese eigentlich die schwierigere Variante sind: „Bei der Akustikgitarre muss der Korpus schwingen und klingen, beim Elektrischen übernimmt das der Tonabnehmer“, erklärt der Instrumentenbauer. Das macht die Konstruktion wesentlich aufwendiger und auch die Produktion dauert länger. An einer akustischen Gitarre, die überwiegend in Handarbeit entsteht, arbeitet Georg Zaiß im Schnitt etwa einen Monat, wohingegen ein elektrisches Instrument schon nach einer Woche fertig sein kann. Gerade anfangs baute er viele Stücke nicht im Auftrag von Kunden, sondern vorwiegend für sich selbst – damit soll nun aber Schluss sein. „Ich habe mittlerweile eigentlich genug. Wenn man mehr als zehn Instrumente hat, wird eins immer vernachlässigt“, sagt Zaiß lachend.

Nachhaltig und individuell

Das wäre in der Tat schade um die Hingabe und die vielen Stunden des meditativen Hobelns in der Werkstatt, welche in die Instrumente fließen. Entspannt und fokussiert arbeitet er an den Balken im Korpus einer Gypsy-Gitarre, deren Schwestermodell bereits im Showroom hängt und wohl bald verkauft sein wird.

In der Regel erwerben die Kunden allerdings keines der fertigen Modelle, obwohl die meisten davon zum Verkauf stehen. Im Showroom geht es eher um das Probieren und Anspielen, um dann ein Instrument nach den individuellen Bedürfnissen in Auftrag geben zu können. Als Beispiel nennt Georg Zaiß die Fender Telecaster, eines der bekanntesten Gitarrenmodelle auf dem Markt. „Ich baue die etwas anders, dünner und mit angenehmerem Hals. Und dabei kann ich auch auf Kundenwünsche eingehen, etwa was das Halsprofil betrifft oder die Breite des Griffbretts.“ Er entwickle außerdem gänzlich eigene Modelle, die es in dieser Form sonst nirgendwo gebe.

Das Holz für seine Instrumente bezieht Georg Zaiß aus dem Fachhandel, wobei das Thema Nachhaltigkeit für ihn ein zentrales ist. So verwendet er etwa keine Tropenhölzer wie Palisander, eine Ausnahme davon ist das weniger seltene, rötliche Padouk. Das hat neben dem Umweltaspekt auch pragmatische Gründe: „Aufgrund des Artenschutzes, der auf den Hölzern ist, müssten die Musiker beim Reisen eigentlich immer ein Zertifikat mitführen, wo das Holz herkommt.“

Die Preise für eine elektrische Gitarre beginnen bei Georg Zaiß bei etwa 2500 Euro, akustische Gitarren starten hingegen eher bei 3000 Euro. Neben den Instrumenten an sich bietet er zudem Reparaturen an – und kann sich sogar vorstellen, eines Tages Einzelkurse anzubieten.