Cornelius Meister dirigiert Werke von Richard Strauss und von Ivan Danko, dem Oboisten des Staatsorchesters Stuttgart
Springt hinein: Stuttgarts GMD Cornelius Meister
Von Susanne Benda
Es ist ein Kommen und ein Gehen. „Ich bin’s!“, ruft ein junger Herzensbrecher, springt auf die Bühne, lebt, liebt, genießt, und am Ende bleibt ein kleines Häuflein Asche. „Das war’s!“, seufzt ein Sterbender, schließt die Augen, blickt zurück in Liebe und gleitet hinüber ins Licht. Richard Strauss hat beides in Töne gesetzt: das exzessive Leben des Don Juan ebenso wie den Tod und die Verklärung eines unbekannten Menschen. Das Staatsorchester führt unter Cornelius Meisters Leitung die Tondichtungen op. 20 und op. 24 des gerade 25-jährigen Komponisten auf, und vom ersten Takt des „Don Juan“, in den der Dirigent förmlich hineinspringt, bis zum gleißenden C-Dur der anderen Welt hat das Konzert Idee, Zug, Spannung und hohe Intensität.
Porträts leidenschaftlicher Menschen
Tatsächlich geht die Matinee am Ewigkeitssonntag nicht nur mit dem Thema Tod um, sondern räumt erfolgreich auch mit Vorurteilen auf. Richard Strauss als übersättigter Bourgeois, der um der Wirkung willen gerne auch mal Kitsch, ja Pathos auffährt und der weniger überzeugen will als überwältigen: Er kommt im Beethovensaal nicht zu Wort. Stattdessen erlebt man die ebenso präzise wie leidenschaftlich gestalteten Klang-Porträts zweier leidenschaftlicher Menschen. Cornelius Meister macht die Frische und Vitalität des „Don Juan“ hörbar, zelebriert das Schmachten der Solovioline (Elena Graf ist eine Konzertmeisterin mit Charisma und wunderbarem Geigenklang), und die Schlagobers-Tupferl des Glockenspiels. Ein Leben ganz im Hier und Jetzt – weshalb das profane Verlöschen des Helden am Ende nur folgerichtig wirkt. „Tod und Verklärung“ indes ist das Meister-Stück des Konzertes. Effektvoll, aber ökonomisch, geschmackvoll.
Zwischen den Strauss-Eckpfeilern gibt’s zwei weitere Abschiede. In seinem Adagio und Fuge c-Moll KV 546 nimmt Mozart Abschied vom Barock und wagt formal, harmonisch und melodisch Ungeheuerliches. Und Ivan Danko, im Hauptberuf Solo-Oboist des Staatsorchesters, begleitet als Komponist eines bizarren Tripelkonzertes den Protagonisten von Franz Kafkas Roman „Der Prozess“ bis in den Tod. Bevor Josef K. in Dankos Stück sein Leben mit einem kurzen Stöhnen der Wagnertuba aushaucht „wie ein Hund“ (so die letzten Worte des Romans), bewegt sich dieses Instrument in einer der drei solistischen Parallelwelten. Oboe und Cembalo tun das ebenfalls. Das Stück klingt, als ob Bach im 20. Jahrhundert nach Kafka-Lektüre ein siebentes Brandenburgisches Konzert komponiert hätte, dessen Ziel es ist, die vollkommene Sinnlosigkeit der vorhergehenden Konzerte zu beweisen. Außerdem ist „Der Process“ ebenso bildhaft wie virtuos – weshalb Cornelius Meister es ausnahmsweise nicht auswendig dirigiert. Das Publikum folgt auch Dankos elaborierter Groteske mit wacher Freude.