Am 27. Juni erhalten die Videokünstlerin Heba Y. Amin und das Kollektiv Horizontaler Gentransfer im Kunstmuseum Stuttgart den Hans-Molfenter-Preis 2025. Was macht ihr Werk besonders?
Ulrike Groos ist Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart
Von Nikolai B. Forstbauer
An diesem Freitag, 27. Juni (19 Uhr), werden die Video- und Installationskünstlerin Heba Y. Amin und das Punk-Performance-Kollektiv Horizontaler Gentransfer im Kunstmuseum Stuttgart mit dem Hans-Molfenter-Preis 2025 ausgezeichnet. Anlässlich dieser mit 16000 Euro dotierten Ehrung zeigt das Kunstmuseum eine Präsentation von Heba Y. Amin im Sammlungsbereich. Horizontaler Gentransfer geben bei der Eröffnung ein exklusives Konzert. Was zeichnet das jeweilige Werk aus? Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, gibt Antworten.
Frau Groos, was macht das Werk von Heba Y. Amin und des Kollektivs Horizontaler Gentransfer besonders?
Beide zeichnet ein kritischer Zugang zu komplexen gesellschaftlichen Fragestellungen aus – ihre Herangehensweisen und Ausdrucksformen könnten allerdings unterschiedlicher nicht sein. Diese Unterschiedlichkeit war für uns jedoch besonders reizvoll. Beide Positionen stehen für eine Kunst, die nicht bloß reflektiert, sondern politisch engagiert ist und auch aktiv beteiligt: Amin mit recherchebasierten Untersuchungen historischer Machtverhältnisse, Horizontaler Gentransfer mit der poetischen, rebellischen Beschäftigung mit Zugehörigkeit und Identität.
Und was werden wir von Heba Y. Amin sehen?
Heba Y. Amin zeigt eine ihrer neuesten Videoarbeiten im Kunstmuseum. „Iterations on Witnessing“ ist ein filmisches Langzeitprojekt, das sich mit den Paradoxien des Sehens befasst. Was bedeutet es, zu sehen und doch nicht zu wissen, was man gesehen hat? Wie können wir beobachten, ohne auszubeuten, und erinnern, ohne Besitz zu beanspruchen? Die Arbeit ist als offenes System angelegt. Im Laufe ihrer Präsentation werden nach und nach neue Sequenzen eingefügt, um die vermeintliche Absolutheit dokumentarischer Aussagen zurückzunehmen.
Horizontaler Gentransfer treten bei der Eröffnung auf. Konzert statt Ausstellung – ist das auch ein bewusster Akt der Öffnung des Kunstmuseums?
Das ist dieses Mal wohl eher eine glückliche Fügung als ein bewusster Akt der Öffnung. Es dürfte jedoch sicherlich kein Geheimnis mehr sein, dass ich stets offen bin für musikalische Brückenschläge in den Ausstellungsräumen. Davon gab es in diesem Jubiläumsjahr ja bereits einige. Zudem können wir mit einer jungen Band wie Horizontaler Gentransfer ein junges Publikum erreichen, das musik- als auch kunstaffin ist. Das Konzert im Kunstmuseum wird übrigens mitgefilmt und später als Videoarbeit in den Sammlungsräumen gezeigt.
Und wie fügt sich der Molfenter-Preis in das Jubiläum 20 Jahre Kunstmuseum/100 Jahre Städtische Kunstsammlung ein?
Zum Doppeljubiläum werfen wir mit der Ausstellung „Doppelkäseplatte“ den bisher umfassendsten Blick auf die eigenen Sammlungsbestände. Viele Linien führen dabei an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, wo etwa Johannes Itten und Ida Kerkovius als Meisterschüler von Adolf Hölzel studierten – oder auch Ben Willikens, atelierJAK, Susanne Hofmann und Hannah Zenger. Christian Jankowski, K.R.H. Sonderborg und Joseph Kosuth sind beziehungsweise waren hier als Professoren tätig. Mit den diesjährigen Molfenter-Preisträgerinnen schließt sich gewissermaßen ein Kreis im Jubiläumsjahr: Heba Y. Amin ist Professorin für Digitale und Zeitbasierte Kunst, das Kollektiv Horizontaler Gentransfer hat sich 2022 an der Akademie gegründet. Allein mit diesen Künstler:innen zeigt sich die besondere und anhaltende Bedeutung, die der Kunstakademie für die Kunst- und Kulturszene in Stuttgart und der Region zukommt.
Molfenter-Freuden
Die Verleihung Am Freitag, 27. Juni, (19 Uhr) wird im Kunstmuseum Stuttgart der Hans-Molfenter-Preis 2025 verliehen. Fabian Mayer, Erster Bürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart, hält die Preisrede und überreicht die Preisurkunden an die Künstler:innen. Im Anschluss spielt Horizontaler Gentransfer.
Die Preisträgerinnen Heba Y. Amin, 1980 in Kairo geboren, absolvierte ihren Master of Fine Arts an der University of Minnesota, USA. Seit 2021 ist sie Professorin für Digitale und Zeitbasierte Kunst an der Kunstakademie Stuttgart. Horizontaler Gentransfer ist ein Stuttgarter Kollektiv, das aus Mizi Lee, Yun Park, Jerry Ahn, Hanseo Oh, Seonha Park und Lilian Gonzalez besteht.
Der PreisDer Hans-Molfenter-Preis der Landeshauptstadt Stuttgart wird seit 1983 an Künstler:innen vergeben, die mit der Stadt und der Region verbunden sind.