Wunderbare Klangteppiche und Soli

Die preisgekrönte SWR-Big-Band begeistert mit prominenten Kollegen im Backnanger Bürgerhaus

Nils Landgren, Magnus Lindgren und Jan Lundgren sind erstklassige Solisten der schwedisch-europäischen Jazzszene. Im Mittelpunkt des neuen Projekts der SWR-Big-Band versprechen sie unter dem Titel „La-Li-Lu“ Kinder- und Schlaflieder. Das Publikum aber ist hellwach.

Wunderbare Klangteppiche und Soli

Im Zentrum des neuen SWR-Big-Band Projekts stehen Kinder- und Schlaflieder aus Schweden und Deutschland: Das Backnanger Bürgerhaus-Publikum singt sogar am Ende mit. Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

BACKNANG. Am Ende dieses Novembertages steht Nils Landgren auf der Bühne wie ein Mönch. Er lächelt fast. Denn das Publikum singt ganz sanft „Guten Abend, gut Nacht“. Ermüdend allerdings war dieser Abend keineswegs. Trotz „La-Li-Lu“ ging es temperamentvoll und vital, energiegeladen und dynamisch zu. Die Begrüßung des Publikums und der Band übernimmt der musikalische Leiter Magnus Lindgren in charmantem Deutsch und erheitert die Gäste schonmal. Dann kommt ein Kollege – ebenfalls einnehmend, aber fließend deutsch sprechend zu Wort: „Wir als Schweden hatten keine Ahnung von der Melodie.“

Nils Landgren meint das deutsche Wiegenlied „La-Le-Lu“, das durch Heinz Rühmann bekannt wurde und mit La-Li-Lu (Posaune, Saxofon und Klavier) unvergleichlich klingt, weil es hier als tiefenentspannter moderater Swing daherkommt. Über das zarte Schlaflied-Thema wird improvisiert, was das Zeug hält. Jan Lundgren soliert im Stil des New Orleans-Blues, und Nils Landgren legt ein Modern Jazz-Posaunensolo par excellence in die Wiege. Die anspruchsvollen Arrangements von Magnus Lindgren für die Big Band enthalten genauso viel Spielwitz und Humor wie die Ansagen der drei schwedischen Musiker. Etwa sei das nun folgende ein Stück Musik aus einer Gegend in Schweden, wo die Leute eine Sprache sprächen, die sonst niemand verstände. Landgren ganz trocken: „Ungefähr wie hier.“ Was folgt, hat mit einem Gutenachtlied nicht viel zu tun, ist im Gegenteil quicklebendig. Lindgren brilliert auf Saxofon und Querflöte, sehr lässig sieht das aus und klingt fantastisch. Er hat die Stücke arrangiert und dirigiert die Band, teilweise während des Spielens auf Saxofon oder Flöte. Beides, Spiel und Dirigat, gleichen einem elastischen Tanz.

Am Altsaxofon kurz darauf ist Klaus Graf aus der Big Band zu hören und wird gefeiert wie auch Landgren (Posaune) und Lundgren (Klavier). Der schwedische Pianist hat eine sanfte Komposition aus dem Jahr 2012 mitgebracht, sie ist seiner Nichte gewidmet und heißt „Wiegenlied für Alma“. Nils Landgrens Markenzeichen: die rot gefärbte Posaune. Er ist: „Mr. Red Horn“. Und der soliert gern in der oberen Hälfte des Tonumfanges seines Instruments, das in universalen Höhen mit unglaublicher Strahlkraft jubiliert. Selbst in rasendem Tempo bestehen seine Linien aus eindeutig wahrnehmbaren Melodien – kein Abgleiten ins Chaos. Nils Landgren singt auch. Joni Mitchells „Circle Game“ und das schwedische Wiegenlied „Wer kann ohne Wind segeln“ beispielsweise. Seine Alt-Stimme ist hauchzart und wirkt fast zerbrechlich. Und doch verfügt sein Gesang über klare Formen und hervorragende Intonation.

Aus so manchem bekannten Lied wird eine lange Jazznummer,

die es in sich hat

Zum Wiegenlied kommt der Trompeter Karl Farrent mit seinem Flügelhorn nach vorn und spielt ein beseeltes Solo. „Ack Värmeland du sköna“ ist die Hymne der Gegend, aus der Nils Landgren stammt. Dieser meint verschmitzt, dass sie das Lied wohl etwas anders interpretieren, als es dort gesungen wird. Magnus Lindgren soliert mit Tenorsax und Querflöte. Die Flöte fliegt mit Leichtigkeit über die Szenerie – wie eine Feder.

Im Kontrast dazu entfaltet sich die Kraft der Big Band. Ihre Melodielinien verlaufen nahtlos durch die Register, was mit höchster Präzision umgesetzt wird. Zum einen liefert die Band messerscharfe Bläsersätze, zum anderen weiche, gewichtige Klangteppiche, um die schwedischen Solisten zu unterstützen und zu ergänzen. Auch bereichern Solisten aus der SWR-Big-Band mit ihrem individuellen Ausdruck die Stücke. Sie fühlen sich im Genre des Scandinavian-Jazz offensichtlich pudelwohl. Die Rhythmusgruppe mit Decebal Badila (Bass), Klaus-Peter Schöpfer (Gitarre), Klaus Wagenleiter (Keyboards) und Marcel Gustke (Drums) stellt jederzeit – ob im pointierten Jazzrock oder im getragen-balladesken – einen stabilen Unterbau zur Verfügung. Die Kraft, dieser 17-köpfigen Band ist förmlich zu spüren, wenn sie diese auch oft einfühlsam im Zaum halten muss, um die Solisten nicht zu erdrücken.

Nach der Pause kehren zunächst nur Nils Land- und Jan Lundgren mit einem Duo-Stück auf die Bühne zurück. Sie intonieren den Beatles-Klassiker „Norwegian Wood“. Die allesamt ausgezeichneten Musiker stellen unter Beweis, dass man eine einfache Kindermelodie wie „Auf der Mauer, auf der Lauer“ komplex harmonisieren, arrangieren und zu einer zehnminütigen Jazznummer machen kann, die nichts vermissen lässt.

Das offizielle Programm endet mit dem schwedischen Volkslied „Kristallen“. Hier wird ebenfalls zunächst das tieftraurige Thema vorgestellt, um daraus ein komplexes Stück zu entwickeln. Was folgt, sind Zugaben, ein Gute-Nacht-Chor und Standing Ovations.