101-facher bandenmäßiger Betrug

Sieben Paketzusteller stehen vor Gericht. Sie haben online Bestellungen aufgegeben und abgefangen.

101-facher bandenmäßiger Betrug

Symbolfoto: Bilderbox - Erwin Wodicka

Von Bernd S. Winckler

ALLMERSBACH IM TAL/STUTTGART. Die Liste der Betrugsvergehen, die der Staatsanwalt zum Auftakt des Prozesses gegen sieben Männer am Landgericht Stuttgart vorlas, war lang. Der Wert der Waren, die die Angeklagten online bei den Handelskonzernen Otto, Bauer und auch bei Bader unter falschen Personalien und falschen Adressen bestellten, summiert sich auf über 100000 Euro. Alle Angeklagten sollen die „Abfangmethode“ als Paketboten-Subunternehmer in Stuttgart und Weinstadt verübt haben.

Alle sieben Beschuldigten stammen aus Rumänien, sechs Männer im Alter zwischen 19 und 40 Jahren, eine Frau im Alter von 26 Jahren, mit vorübergehenden Wohnanschriften in Allmersbach im Tal, Böblingen, Kornwestheim und in Nordrhein-Westfalen. Und alle befinden sich seit September vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, nachdem die geschädigten Versandhäuser Otto und Bader bei zunächst eigenen Recherchen die groß angelegten Betrügereien intern feststellten und die Polizei alarmierten.

Die Ware soll nach Rumänien transportiert worden sein.

Die Betrugsmasche, die die Stuttgarter Staatsanwaltschaft der „Bande“ jetzt vor der 3. Großen Strafkammer anlastet, soll folgendermaßen abgelaufen sein: Zuerst eröffneten sie Kundenkonten bei den Versandhäusern unter nicht existierenden Personalien und ebenfalls rein erfundenen Adressen. Dann wurden mit diesen Personalien Waren bestellt, hauptsächlich elektronische Gerätschaften, Handys und Unterhaltungselektronik im hochpreisigen Segment sowie Uhren. Wurde die Ware daraufhin mit Rechnung an die angegebenen Fiktivadressen ausgeliefert, sollen die Angeklagten, die alle als Paketzusteller mit eigenen Fahrzeugen arbeiteten, bereits bei den Logistikstationen in Weinstadt, Stuttgart und Leonberg die Pakete abgefangen und per elektronischer Fiktivunterschrift eine Empfangsbescheinigung vorgetäuscht haben. Die Beute selbst soll zum großen Teil in ihre rumänische Heimat transportiert worden sein.

In genau 101 Fällen sei diese Betrugsmasche durchgegangen, trug jetzt der Ankläger vor. Den ungefähren Schaden bei den geschädigten Versandhäusern beziffert der Staatsanwalt in der Anklage auf 110000 Euro, aufgelistet durch Einzelbelastungen zwischen 89 bis hin zu 650 Euro. Aufgeflogen ist die Betrugsserie, weil die Versandhäuser bei den Adressen und den Postleitzahlen stutzig wurden, denn nahezu alle Bestellungen der „Neukunden“ wurden aus derselben Postleitzahl getätigt. Die Fiktivnamen ähnelten in einigen Fällen sogar den Namen bekannter Fußballprofis.

Daraufhin wurde man schließlich misstrauisch und die Abteilung Betrugsbearbeitung beschäftigte sich mit dem gerade mal zwei Monate dauernden „Bestellwahn“. Eine Kriminologin, die bei dem Versandhändler Bader in der Abteilung Ermittlungen tätig ist, wird im Laufe des Verfahrens als Zeugin geladen. Man habe auch festgestellt, dass alle Bestellungen über E-Mails getätigt wurden, und zwar immer vom selben Endgerät mit jeweils ähnlich lautenden E-Mail-Adressen. Schließlich klickten am 19. September letzten Jahres bei fünf der Angeklagten die Handschellen. Die mitangeklagte Frau und deren Lebensgefährte wurden am 30. September festgenommen.

Die Angeklagten machen keine Angaben zu den Vorwürfen.

Der Vorwurf selbst lautet auf 101-fachen bandenmäßigen Betrug, bandenmäßige Fälschung von Daten und Verstoß gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis. Alle Beschuldigten haben am gestrigen ersten Prozesstag über ihre Anwälte mitteilen lassen, dass sie derzeit zu den Vorwürfen noch keine Angaben machen wollen. Die 3. Große Strafkammer hat für die Beweisaufnahme, die sehr umfangreich sein soll, vorerst insgesamt 15 Verhandlungstage bis September dieses Jahres terminiert.

Möglicherweise jedoch könnte das Verfahren noch abgekürzt werden. Denn einige der Verteidiger haben gestern schon einmal vorsorglich beim Gericht angefragt, ob man durch eine Art Verständigung außerhalb der Beweisaufnahme zu einem schnellen Urteil kommen könnte, wenn die Angeklagten geständig sind. Bei Geständnissen winkt nämlich ein nicht unerheblicher Strafrabatt. Ob es dazu kommt, entscheiden die Richter in den nächsten Tagen.