Einsamkeit gilt inzwischen als ernstes Gesundheitsrisiko. Während Schweden mit bezahlter Freundschaftszeit experimentiert, sucht Baden-Württemberg neue Wege, um Menschen wieder näher zusammenzubringen.
Einsamkeit ist weltweit ein Problem.
Von Katrin Jokic
Einsamkeit betrifft laut WHO rund jeden sechsten Menschen weltweit. Der Mangel an stabilen sozialen Kontakten ist längst nicht mehr nur ein emotionales Problem. Studien zeigen, dass Isolation körperlich krank machen kann: Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Depressionen oder Angststörungen steigt deutlich.
Nach Schätzungen der WHO trägt Einsamkeit jährlich zu Hunderttausenden Todesfällen bei. Entsprechend wächst international der Druck, wirkungsvolle Strategien gegen soziale Isolation zu entwickeln.
Freundschaft auf Arbeitszeit: Das schwedische Pilotprojekt
In Schweden läuft seit März 2025 ein Pilotprojekt, das soziale Bindungen stärkt – und dafür direkt an der Arbeitszeit ansetzt. Mitarbeitende einer großen Apothekenkette dürfen jede Woche 15 Minuten bezahlte „Freundschaftszeit“ nehmen. Diese Viertelstunde ist ausdrücklich für soziale Kontakte gedacht: ein Anruf bei einem alten Freund, ein Treffen in der Mittagspause oder eine kleine gemeinsame Aktivität. Wie die Zeit genutzt wird, bleibt den Angestellten selbst überlassen.
Teil einer nationalen Strategie
Das Projekt ist eingebettet in eine umfassende schwedische Einsamkeitsstrategie, die das Land zum Vorreiter macht. Schweden fördert Begegnungen in verschiedensten Lebensbereichen – Wohnprojekte, in denen Jung und Alt zusammenleben, gehören ebenso dazu wie niedrigschwellige Kampagnen. In Luleå ermutigte die Aktion „Hej“ die Menschen, sich im Alltag häufiger zu grüßen. Mit der Freundschaftszeit wird nun auch die Wirtschaft gezielt eingebunden.
Zufriedenheit statt Produktivitätsverlust
Die Apothekenkette betont, dass sich die investierte Zeit auszahlt. Zufriedene Mitarbeitende seien motivierter, was auch dem Unternehmen zugutekomme. Schon 15 Minuten pro Woche reichten für echte Kontaktmomente, heißt es dort. Entscheidend sei die Botschaft: „Ich denke an dich – wie geht’s dir?“
Einsamkeit in Baden-Württemberg: Ein Drittel fühlt sich einsam
Auch in Baden-Württemberg ist Einsamkeit ein gesellschaftliches Thema. Laut einer repräsentativen Studie der Bertelsmann-Stiftung fühlt sich rund jede dritte befragte Person im Land einsam. 30,1 Prozent gaben moderate Einsamkeit an, 8,1 Prozent sogar starke. Betroffen sind dabei Menschen aller Altersgruppen und Lebenssituationen.
Finanzielle Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle: Menschen mit niedrigerem Einkommen berichten häufiger von Einsamkeit. Auch eine schwache Nachbarschaftsgemeinschaft wirkt sich negativ aus.
Land startet Ideenwettbewerb
Baden-Württemberg will Einsamkeit nun stärker strukturiert angehen. Das Sozialministerium hat dazu einen Ideenwettbewerb gestartet. Kreative Projekte, die neue Wege der sozialen Teilhabe eröffnen, können mit bis zu 30.000 Euro gefördert werden.
Der Fokus liegt klar auf persönlichen Begegnungen – in Kommunen, Nachbarschaften und Familien. Der Wettbewerb soll Sichtbarkeit schaffen und neue, niedrigschwellige Angebote ermöglichen, die den fünf besonders gefährdeten Gruppen konkrete Unterstützung bieten.