22 Prozent mehr Schuldsprüche wegen Sexualstraftaten

dpa/lsw Stuttgart. In den vergangenen Jahren sank die Zahl der Verurteilten im Land. Nun steigt ihre Zahl sprunghaft an - gerade in sehr sensiblen Bereichen.

22 Prozent mehr Schuldsprüche wegen Sexualstraftaten

Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: David Ebener/Archiv

Immer mehr Menschen in Baden-Württemberg werden besonders wegen Sexual- und Gewaltdelikten vor Gericht schuldig gesprochen. Im Jahr 2018 wurden 104 797 Männer und Frauen im Land verurteilt - rund 4100 Fälle mehr als im Vorjahr, wie Justizminister Guido Wolf (CDU) am Dienstag in Stuttgart mitteilte. Einen Zuwachs in dieser Größenordnung habe man zuletzt 2004 verzeichnet. Auffällig ist der wachsende Anteil von verurteilten Ausländern und die Zunahme an Schuldsprüchen wegen Sexual- und Gewaltdelikten.

Wolf führt den Anstieg der Verurteilungen auch auf die Aufstockung des Personals bei Gerichten und Staatsanwaltschaften zurück. In dieser Legislaturperiode habe man dort 150 neue Stellen im höheren Dienst geschaffen. Zusätzliche Richter und Staatsanwälte führten zu weniger eingestellten Verfahren und mehr Urteilen. Die Strafverfolgungsstatistik im Detail:

ALTER UND GESCHLECHT: Der Anstieg der Schuldsprüche betrifft alle Altersgruppen, am stärksten aber Jugendliche im Alter von 14 Jahren bis unter 18 Jahren. In dieser Gruppe ist die Zahl der Verurteilten erstmals seit 2007 wieder gestiegen - und zwar um 6 Prozent. Weniger als jeder fünfte Schuldspruch galt einer Frau. Die Frauenquote unter den Verurteilten sank 2018 von 18,4 auf 18,1 Prozent.

HERKUNFT: Die Zahl der Schuldsprüche gegen Nichtdeutsche (+7,3 Prozent) ist 2018 stärker gestiegen als die gegen Deutsche (+2). Der Anteil ausländischer Verurteilter wuchs von 39,9 auf 41,2 Prozent. 2008 habe der Anteil noch bei 25,1 Prozent gelegen, sagte Justizminister Wolf. Allerdings müsse dabei die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt werden. Die nichtdeutsche Bevölkerung in strafmündigen Alter wuchs um 4,2 Prozent, die deutsche ging hingegen leicht zurück. Zudem sei der Anteil männlicher Heranwachsender in der ausländischen Bevölkerung hoch, sagte Wolf - junge Männer würden strafrechtlich unabhängig von der Herkunft stärker in Erscheinung treten, sagte Wolf.

ART DER DELIKTE: Fast ein Viertel der Verurteilungen (24 Prozent) betrifft Straßenverkehrsdelikte, noch vor Betrug und Untreue (19,4) und Diebstahl (14,9). Besonders Verurteilungen wegen Betrugs und Untreue stiegen an, weil es mehr Schuldsprüche wegen des Erschleichens von Leistungen wie Schwarzfahren gibt.

GEWALTDELIKTE: Schuldsprüche wegen Gewaltdelikten wie Körperverletzung, Raub, Mord und Vergewaltigung nehmen seit 2016 wieder zu. 2018 stieg die Zahl der Schuldsprüche um 1,5 Prozent auf 3800 - 2000 davon gegen Deutsche (+1 Prozent), 1800 davon gegen Nichtdeutsche (+2 Prozent). Die meisten Fälle sind Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung mit 73 Prozent. Die Entwicklung müsse zu denken geben, weil sie sich stark auf das Sicherheitsempfinden der Menschen auswirke, sagte Wolf.

SEXUALSTRAFTATEN: Die Zahl der Verurteilungen wegen Sexualstraftaten ist wie bereits 2017 erneut stark gestiegen, um ganze 22,2 Prozent. 2017 wuchs die Zahl bereits um 18,6 Prozent. Auch die Zahl der Verurteilungen wegen Vergewaltigung habe sich 2018 um 12 Prozent erheblich erhöht, sagte Wolf. Nach einer Auswertung des Ministeriums gehen aber rund 75 Prozent des Anstiegs in dem Bereich auf Änderungen im Strafrecht zurück. Im November 2016 wurden neue Straftatbestände aufgenommen, um die Rechte der Opfer sexueller Gewalt zu stärken.

GELDSTRAFE ODER GEFÄNGNIS? Der Anteil der Freisprüche lag laut Wolf 2018 bei nur 2,2 Prozent. Nur rund 4800 Personen oder 4,6 Prozent aller Verurteilten mussten nach dem Schuldspruch aber auch eine Gefängnisstrafe antreten. In mehr als 83 000 Fällen wurde eine Geldstrafe verhängt. Mehr als 10 000 Freiheits- oder Jugendstrafen wurden zudem zur Bewährung ausgesetzt. Bei 6400 Fällen handelte es sich nach Jugendstrafrecht etwa um Verwarnungen, Jugendarrest oder „Erziehungsmaßregeln“ wie die Unterbringung in einem Heim.

Wolf bekräftigte am Dienstag seine Forderung nach mehr Personal für die Justiz. Man sei noch nicht am Ziel. Allein im ersten Halbjahr 2019 seien bei den Staatsanwaltschaften mehr Ermittlungsverfahren geführt worden als je zuvor, nämlich mehr als 268 000. Besonders der Umgang mit ausländischen Straftätern bei Gerichten und in Gefängnissen sei anspruchsvoll. Die Gefängnisse im Land bräuchten mehr Platz und mehr Personal.