An einem Mittwoch im Juli 1997 fand die erste geführte Wanderung statt. Es kamen nur drei Personen. Mittlerweile werden die Wanderungen einmal pro Monat an einem Samstag angeboten und haben sich zu einem Publikumsmagneten entwickelt. 30 und manchmal auch weitaus mehr Mitwanderer waren dabei in Vor-Coronazeiten keine Seltenheit. Archivfoto: J. Fiedler
Von Nicola Scharpf
Spiegelberg. Die Vorgeschichte zur Gründung des Spiegelberger Fremdenverkehrsvereins vor 25 Jahren führt ins Fränkische, nach Muggendorf, das sich heute als Wanderzentrum der Fränkischen Schweiz bezeichnet. Dorthin fährt der neu gewählte Gemeinderat von Spiegelberg zu einer Klausurtagung im Jahr 1990. Von den Anstrengungen der Muggendorfer für den Fremdenverkehr sind die Gäste aus dem Ländle beeindruckt. Die Wanderwege in der Fränkischen Schweiz seien damals schon gut ausgeschildert gewesen, erinnert sich Rainer Esslinger, der zu den Gründungsmitgliedern des Fremdenverkehrsvereins (FVV) gehört. Manfred Schaible, ebenfalls langjähriges Mitglied, umreißt die Spiegelberger Haltung von damals: „Was brauchen wir Schildle an unseren Wegen? Wir kennen unsere Wege doch.“ Dennoch will man in Spiegelberg das eigene Licht nicht länger unter den Scheffel stellen, die Möglichkeiten als Ort im Erholungsgebiet mehr nutzen und einiges verbessern.
„Die Stimmung in der Bevölkerung ging in Richtung: Das wird nie was“
Zum Erstellen des Ist- und Sollzustandes bildet sich nach der Haushaltsberatung im November 1990 im Frühjahr 1991 der beratende, sechsköpfige Ausschuss für Erholung und Fremdenverkehr, der sich besonders des Themas Wandern annimmt. In der Zeit seines Bestehens bis 1996 wird ein 270 Kilometer langes Rundwanderwegnetz neu konzipiert, die Rundwanderwege etablieren sich unter dem Namen Spiegelberger Räuberwege, die Rundstrecken werden markiert, ein Räuberkopf-Logo sowie ein Tourenführer und Autoaufkleber werden gestaltet. „Als die Neukonzeption der Wanderwege abgeschlossen war, hatte der Ausschuss keine Berechtigung mehr“, erzählt Rainer Esslinger. „Man wollte die engagierten Leute aber erhalten und hat deswegen den Verein gegründet.“
Am 11. November 1996 findet die Gründungsversammlung mit zwölf Beteiligten im Spiegelberger Rathaus statt, darunter auch die Gemeinde in Person des damaligen Bürgermeisters Hiemer. „Das Datum war Zufall“, sagt Esslinger. „Die Stimmung in der Bevölkerung ging in Richtung: Das wird nie was.“ Im Rückblick auf die vergangenen 25 Jahre dürften die Stimmen von damals eines Besseren belehrt worden sein. Nicht zuletzt der vergangene Winter, als Menschen in Horden die verschneite Spiegelberger Umgebung für Erholung an der frischen Luft nutzten, habe gezeigt, dass der Ort mittlerweile eine bekannte, beliebte Anlaufstelle für Ausflügler und Naherholer ist, so Klaus Frank. Der 67-Jährige ist seit 2019 Vorsitzender des 36 Mitglieder zählenden Vereins. „Es sind seit der Gründung wenig neue Mitglieder hinzugekommen. Der Altersdurchschnitt liegt bei 65 Jahren plus. Das jüngste Mitglied ist 46, das älteste 87 Jahre alt.“ Finanziell stehe der Verein in seinem bescheidenen Umfang gut da. Man konzentriere sich auf die Wanderungen, damit sei der Verein immer gut gefahren. Ein jährliches Helferessen sei die einzige Belohnung, die die Ehrenamtlichen bekommen. „Dadurch sind wir nicht gezwungen, ständig Feste zu feiern, um Einnahmen zu generieren. Was uns mehr schmerzt, ist dass der Nachwuchs fehlt.“
Ein Anliegen des Vereins ist, die örtliche Gastronomie zu unterstützen. Bei den monatlich stattfindenden geführten Wanderungen ist daher die Einkehr in einem der Lokale der Umgebung fester Bestandteil. Die erste geführte Wanderung findet an einem Mittwoch im Juli 1997 statt. Es kommen nur drei Personen. Nachdem Wanderführer Schrimm den Wandertag auf einen Samstag verlegt, sind im November 1997 auf Anhieb 15 Wanderer dabei. Seitdem finden die geführten Wanderungen nur noch samstags statt, die Teilnehmerzahl ist inzwischen auf 30 bis zu 45 pro Wanderung angestiegen. Im Jahr 2019 beispielsweise haben an zwölf angebotenen Wanderungen insgesamt 426 Menschen teilgenommen.
Der Renner sind über einige Jahre hinweg auch die monatlichen, geführten Mountainbike-Touren, die ab Mai 1998 die Region fürs Mountainbiken bekannt machen wollen. Durch Mund-zu-Mund-Werbung steigt die Teilnehmerzahl von anfänglich 15 auf bis zu 65 Teilnehmer pro Tour an, sodass bei 70 Touren von 1998 bis 2007 etwa 2000 Biker die Region kennengelernt haben. Klaus Frank begründet augenzwinkernd, warum die populären Bike-Touren eingestellt wurden: „Unsere Kundschaft war immer schneller als unsere Führer.“
Im Jahr 2000 wird ein verwunschenes Bergwerk ins Gespräch gebracht
Neben den Wanderwegen gehören der Wetzsteinstollen und das Glasmuseum zu Spiegelbergs Hauptattraktionen. Beide sind aus Initiativen des Fremdenverkehrsvereins hervorgegangen: Nachdem sich 1998 die Idee, den Silberstollen in Spiegelberg begehbar zu machen, zerschlug, wird 2000 ein „verwunschenes Bergwerk“, so Manfred Schaible, als Alternative ins Gespräch gebracht. Aber erst der damals 82-jährige Gottlieb Nägele, ein Zeitzeuge aus Neulautern, dessen Vater im Juxer Wetzsteinstollen noch gearbeitet hatte, kann mit Gewissheit sagen, wo genau sich der Stollen befindet. Nach einem langen Genehmigungsverfahren beginnen im Mai 2001 die Arbeiten zur Freilegung des Stollens, es werden 40 Lastwagenladungen Erde weggebaggert. Nach mühevollem Nachschachten von Hand stößt man schließlich auf das Mundloch und Regina Sünderhauf als damalige Vorsitzende des FVV klettert als Erste in den wiederentdeckten Stollen. Im Folgejahr beginnen systematische Aufgrabungen und 2012 wird der Stollen schließlich als Besucherbergwerk eröffnet, an und in dem mittlerweile zahlreiche Aktionen wie die Sonntagstour mit Hansi Vogt, Lesungen mit Krimiautor Jürgen Seibold oder auch ein Studentenprojekt zur Kartierung des Stollens stattgefunden haben. In der Saison 2021 hat der Stollen 300 erwachsene Gäste empfangen. Mit diesem Zulauf ist der 72-jährige Schaible, einer der Hauptverantwortlichen, „durchaus zufrieden“.
Das Glasmuseum, ein Kind der 300-Jahr-Feier im Jahr 2005, lockt pro Jahr bis zu 1500 Besucher an, wobei es 2021 wegen der Pandemie geschlossen blieb. Ideengeberin damals und bis heute Museumsmacherin ist Marianne Hasenmayer, die das Museum im Jubiläumsjahr mit einer kleinen Ausstellung initiiert. Aus der kleinen Ausstellung wird eine Dauerausstellung in einem Raum im Rathaus, die schließlich um wechselnde, liebevoll und aufwendig konzipierte Sonderausstellungen erweitert wird.
Ob die weit über Spiegelbergs Grenzen hinaus bekannten Glassammlertage, die Beteiligung am Kinderferienprogramm, das Veranstalten der Spiegelberg-Familientreffen oder der Neophyten-Aktionstag: Es steckt der FVV dahinter, ohne dass es großartig wahrgenommen wird. „Der Fremdenverkehrsverein wirkt mehr im Verborgenen“, sagt Klaus Frank. Auch das 25-jährige Bestehen wird im kleinen Rahmen gefeiert.
Und was ist mit Muggendorf? Hat man Kontakt zum fränkischen Vorbild? Frank verneint. Aber wenn Gäste aus der Fränkischen Schweiz anreisen würden, Spiegelbergs Infrastruktur in Sachen Fremdenverkehr wäre vorzeigefähig.