Ab 52 Grad gibt es kein Entrinnen mehr

Manfred Thiel von der Weissacher Seemühle geht einen umweltfreundlichen Weg in der Schädlingsprävention und hat eine österreichische Spezialfirma engagiert, die potenziellen Schädlingen mittels Wärmebehandlung den Garaus macht.

Ab 52 Grad gibt es kein Entrinnen mehr

Andreas Thiel in der „heißen“ Mühle: Präventive Ungezieferbekämpfung durch Wärme in der Seemühle in Unterweissach. Foto: A. Becher

Von Gabriella Lambrecht

WEISSACH IM TAL. Was muss passieren, damit die Weissacher Seemühle den Betrieb einstellt, binnen 48 Stunden komplett geräumt wird und ein österreichisches, international agierendes Unternehmen anrückt, bevor es weitergehen kann?

Die Antwort: ein äußerst gewissenhafter Müller, der sein Handwerk liebt, höchsten Wert auf ein sauberes Arbeitsumfeld legt und deshalb auf eine biologisch nachhaltige Schädlingsprävention setzt. Kurzum: Schädlingen wird hier der Garaus gemacht, bevor es überhaupt zum Befall kommen kann, und das absolut giftfrei.

Das ist nämlich der Service, den die österreichische Firma Biotech anbietet, die optimal zur vorbeugenden Schädlingsbekämpfung gerüstet ist. Statt mit Kanonen auf Spatzen zu schießen und chemische Pestizide in Lebensmittelproduktionen zu verteilen, bringt Biotech ein simples, aber effektives Verfahren mit sich: Die Mühle wird über Generatoren und Heizlüfter an allen Stellen auf eine Temperatur von zirka 52 Grad Celsius erhitzt. Bei dieser Temperatur zersetzen sich die Eiweiße in den Insekten, sodass Schädlinge in allen potenziellen Lebensstadien erwischt werden. „Bei Eiern und Puppen wirken diverse Insektizide nämlich ohnehin nicht immer“, so die Erläuterung des Fachmanns und Geschäftsführers von Biotech, Benedikt SégurCabanac. Er machte sich persönlich auf den Weg von Salzburg nach Weissach im Tal. Bedeutet das denn, dass die Weissacher Mühle unter Schädlingsbefall litt? Keineswegs. Manfred Thiel erklärt frohen Mutes, dass er dieses Verfahren regelmäßig präventiv in seiner Mühle durchführen lässt: „Der Aufwand hat es in sich. Die Mühle muss komplett leer geräumt werden. Das Mehl muss auch raus, weil sonst bei der Hitze das Eiweiß gerinnen würde und das Mehl nicht mehr backfähig wäre. Aber mit dem Verfahren können wir wirklich sichergehen, dass die Insekten sich nicht mal mehr in der kleinsten Ritze verstecken könnten, und ich kann nachts zufrieden schlafen.“

Die Vorbereitungen für diese Aktion begannen bereits ein Jahr zuvor.

Hygiene sei einfach extrem wichtig in der Lebensmittelproduktion. Thiel: „Nicht nur dann, wenn es zu spät ist, sondern schon vorher.“ Dass Manfred Thiel für seine Mühle keinen Aufwand scheut, zeigt sich an dieser außergewöhnlichen Maßnahme deutlich. Die Vorbereitungen für diese Aktion begannen bereits ein Jahr zuvor. Thiel hat mehrere To-do-Listen bei sich mit etlichen Aufgaben, die erledigt werden müssen, bevor Biotech überhaupt den Einsatz beginnt. Allein die Liste für die Tätigkeiten in der Woche der Aktion umfasst zwei in kleiner Schrift voll bedruckte Blätter.

Biologische Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit werden dabei großgeschrieben. Manfred Thiel legt großen Wert darauf, wie er zwinkernd, aber ernsten Tons versichert: „Selbstverständlich haben wir vorher akribisch überprüft, ob sich zufällig Tiere, die unter Artenschutz stehen, in der Mühle aufhalten. Das stand natürlich auch auf meiner To-do-Liste. Aber wir sind weder auf Waschbären noch auf Fledermäuse gestoßen. Und wäre mir die Umwelt und Nachhaltigkeit nicht so wichtig, würde ich nicht extra ein Unternehmen aus Österreich kommen lassen, das hier giftfrei arbeitet.“ Das ist die Stärke und ein Alleinstellungsmerkmal von Biotech, wie Benedikt Ségur-Cabanac erläutert. Das Familienunternehmen hat er gemeinsam mit seinem Bruder vor über zehn Jahren von seinem Vater übernommen.

Er präsentiert das Konzept geduldig und auch für Laien verständlich: „Prävention in der Schädlingsbekämpfung ist einfach wichtig. Wir müssen als Gesellschaft von dem Gedanken wegkommen, dass jemand, der einen Besen in der Hand, hat im Schmutz steht – im Gegenteil: Weil dort regelmäßig gekehrt wird, ist es sauber.“ Und so funktioniere das auch bei seiner Firma: Ihre Stärke sei die Risikoanalyse und Prävention. „Wir wollen nicht mit Giften in der Lebensmittelindustrie arbeiten, wenn es auch anders geht. Man muss die Maßnahmen einfach an die Anforderungen anpassen“, erklärt der Firmengründer.

Konkret bedeutet das, dass anhand der Produktionsumgebung durch bestimmte Messmethoden untersucht wird, wie wahrscheinlich es überhaupt ist, dass es zum Befall kommt. In einer Kühlkammer bei minus 30 Grad Celsius sei wohl eher nicht mit Motten zu rechnen. An wärmeren Orten sei die Wahrscheinlichkeit größer. „Insekten gehören nun mal zu unserer Umwelt, nur wollen wir sie eben nicht in unseren Lebensmitteln haben. Mit unserer Methode, über Hitze zu arbeiten, erwischen wir wirklich alle Insektenschädlinge und wenden dennoch ein schonendes Verfahren an“, so der Spezialist.

Nachdem der Mühle 24 Stunden lang eingeheizt wurde und Thiel sie mit großem Aufwand auch wieder eingeräumt und betriebsbereit gemacht hat, kann er sie wieder öffnen und in den Verkauf gehen. Eine schweißtreibende Angelegenheit – keine Frage. Aber Thiel, dessen Sohn Andreas auch mitarbeitet, würde es jederzeit wieder genauso angehen: „Spätestens im nächsten Turnus sehen wir uns wieder. Es soll ja sauber bleiben, und das dürfen auch gerne alle wissen“, verabschiedet er sich wiederum halb im Scherz und doch voller Ernst.