Abfalldeponien als Lebensraum

Bewuchsstruktur befindet sich in einem stetigen Wandel – Ideale Lebensbedingungen für seltene und streng geschützte Tierarten

Abfalldeponien als Lebensraum

Streng geschützte Arten wie Zauneidechsen und viele andere Tiere haben sich auf der Deponie in Steinbach angesiedelt. Fotos: J. Rietze/G. Hermann/J. Mayer, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung, Filderstadt

BACKNANG (pm). Wenn man an Deponien denkt, kommen einem große Müllberge, üble Gerüche und hungrige Krähen in den Sinn. Diese Vorstellung ist jedoch lange überholt. Seit 2005 darf in Deutschland kein Hausmüll mehr abgelagert werden. Seitdem landen nur noch mineralische Abfälle wie zum Beispiel Bauschutt auf den Deponien.

Durch den Betrieb einer Deponie werden ständig wechselnde Bedingungen und Lebensräume geschaffen, die für viele seltene Tierarten hoch attraktiv sind. Durch die Anlage von Fahrwegen und Schotterflächen, vorübergehende Gehölzentfernungen und die Neuanlage von Rekultivierungsflächen auf abgeschlossenen Ablagerungsbereichen befindet sich die Bewuchsstruktur auf einem Deponiegelände in einem stetigen Wandel. Diese Deponielandschaft mit vielen Offenbereichen und mit einer Großzahl an Pioniergewächsen stellt ideale Lebensbedingungen für seltene und streng geschützte Tierarten dar.

Das Thema Artenschutz spielt daher auch für die Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM), die zahlreiche stillgelegte Deponien sowie die aktive Deponie Backnang-Steinbach betreibt, eine immer größere Rolle. In Steinbach haben faunistische Untersuchungen ergeben, dass sich auf dem Deponiegelände streng geschützte Arten wie die Haselmaus, Zauneidechse, Gelbbauchunke, Falterarten und viele andere angesiedelt haben. Die Lebensräume gilt es gemäß Bundesnaturschutzgesetz zu erhalten. Auf dem Altteil der Deponie Backnang-Steinbach wird daher gerade im Zuge der endgültigen Stilllegung und Aufbringung einer Oberflächenabdichtung eine naturschutzfachlich anspruchsvolle Rekultivierung angelegt. Diese sieht sowohl Bereiche mit dichtem Bewuchs durch die Pflanzung von Gehölzen, aber auch steinige und nach Süden exponierte Offenbereiche als Habitate für Echsen vor.

Weiterhin werden Wiesen angelegt, die Nahrungspflanzen für den Feuerfalter vorsehen. Die artenreichen Wiesen werden sich auf über zwei Hektar belaufen – etwa so viel wie rund drei Fußballfelder. Außerdem wurden in angrenzenden Bereichen zur Deponie Fichtenstandorte ausgedünnt, um Lebensräume für die Haselmaus zu schaffen.

Auch auf dem im Betrieb befindlichen Neuteil der Deponie wurden im Zuge des Deponieausbaus umfangreiche Artenschutzmaßnahmen ausgeführt. So wurden beispielsweise auf Deponieflächen spezieller Ampfer und Weidenröschen ausgesät, um eine Nahrungsgrundlage für geschützte Falterarten zu schaffen.

Außerdem werden jährlich neue Tümpel angelegt, um ideale Fortpflanzungsmöglichkeiten für die Gelbbauchunke auszubilden.

Die Abfallwirtschaft Rems-Murr geht noch einen Schritt weiter. Auf allen Wertstoffstationen der vier Deponien „Eichholz“ bei Winnenden, Backnang-Steinbach, „Lichte“ bei Kaisersbach und Schorndorf wurden artenreiche Blühwiesen für Insekten angelegt, teilt die AWRM in einer Pressemitteilung mit. In Zusammenarbeit mit dem Landesnaturschutzverband und dem Maschinenring Rems-Murr wurde eine Fläche von rund 2000 Quadratmetern ausgewählt, heißt es weiter. Damit sich nicht nur die Bienen, sondern auch die Bürger aus dem Kreis an der Blütenpracht erfreuen können, wurden die Blühflächen im Einfahrtsbereich der Deponien angelegt.

Abfalldeponien als Lebensraum

Betrachten sich die angelegten Blühflächen im Einfahrtsbereich einer Mülldeponie (von links): Bruno Lorinser, Erster Vorsitzender des Nabu Waiblingen, und Anika Fritz, Vorstandsmitglied der AWRM, sowie Gerd Friese von der AWRM-Technik. Foto: AWRM