Die evangelische Stiftskirchengemeinde sieht die Renovierung ihrer Kirche als eine Chance für ein ganz neues Miteinander: Denn nun finden die Gottesdienste im Gemeindehaus statt. Beim letzten Gottesdienst vor der Renovierung wurde gestern der Umzug in den Heininger Weg feierlich zelebriert.
Noch einmal alle beisammen: Beim letzten Gottesdienst vor der Renovierung waren die Reihen der Stiftskirche gut gefüllt. Fotos: A. Becher
Von Sarah Schwellinger
BACKNANG. Mit sonnendurchfluteten Fenstern verabschiedete sich gestern die Stiftskirche von ihrer Gemeinde. Besonders leuchteten die bunten Glasflächen, die ihre strahlenden Farben in den Kirchenraum warfen. Es ist der letzte Gottesdienst, bevor die Renovierung der Stiftskirche beginnt.
Wie lange die Bauarbeiten dauern werden, ist nicht gewiss. „Bei solch einem Gebäude ist das schwer abzusehen. Ich schätze aber, dass es länger als ein Jahr dauern wird“, so Pfarrerin Sabine Goller-Braun. Doch wohin mit einer kompletten Kirchengemeinde, die eine unbestimmte Zeit ohne Kirchengebäude überbrücken muss? „Wir werden ins Gemeindehaus in den Heininger Weg umziehen“, erklärt Goller-Braun. Und umziehen meint sie an diesem Sonntag wörtlich. Die komplette Gemeinde zieht aus der Stiftskirche aus und zieht um in den Heininger Weg. Allen voran die Pfarrerin, gefolgt vom Kirchengemeinderat, die Bibel, Osterkerze, Abendmahls- und Taufgeschirr nehmen und aus der Kirche tragen. Es schließen sich einige Gemeindeglieder an, schnappen sich Gesangbücher und Kinderstühle. Voll bepackt geht es ins Gemeindehaus. Das ist ab heute also nicht nur Gemeinderaum, sondern auch Gottesdienstraum. Zudem finden normale Veranstaltungen statt, wie beispielsweise Familienfeiern. „Man wird sehen, wie sich das Ganze einspielt“, so die Pfarrerin.
Von Wehmut jedoch keine Spur. Viel mehr herrscht Freude darüber, wie die Kirche nach der Renovierung aussehen wird. „Ich sehe im Umzug ins Gemeindehaus auch eine Chance“, sagt Sybille Fischer, die am Sonntag beim Gottesdienst dabei war und sich auf eine „neue alte Stiftskirche“ freut. Eine Chance sieht auch die Pfarrerin, nämlich für diejenigen, die nicht mehr ganz so gut zu Fuß sind oder Familien. Denn das Gemeindehaus befindet sich im Wohngebiet und ist besser zu erreichen als die Stiftskirche. Außerdem sieht sie einen weiteren Vorteil: „Am Gemeindehaus kann man nach dem Gottesdienst noch zusammensitzen, auch im Garten. Man kann zusammen essen oder Kaffee trinken.“ Nach der Renovierung soll das Zusammensein leichter möglich werden. „Das ist auch ein kleiner Lichtblick“, sieht Goller-Braun das Positive. Man könne diese Zeit nutzen, um enger zusammenzurücken.
Die Reaktionen auf die Renovierung sind bei der evangelischen Stiftskirchengemeinde durchweg positiv. Die Freude auf etwas Neues und schön Hergerichtetes überwiegt. „Die Gemeinde wartet darauf“, ist sich die Pfarrerin sicher. Denn endlich soll es losgehen. Bedenken, die Stiftskirche könne ihren Charme verlieren, existieren nicht: „Wir sind uns sicher, dass sie danach noch schöner wird.“ Und sie schiebt hinterher: „Außerdem sollen die prägenden Gestaltungselemente wie die Fenster ja erhalten bleiben.“ Lediglich für diejenigen, die eine größere Feier wie eine Hochzeit oder eine Taufe geplant haben und ganz speziell mit diesem Ort etwas verbinden, ist es etwas schade, findet die Pfarrerin. Doch ganz ins Wasser fallen solche Feiern natürlich nicht: „Wir haben eine große Gemeinschaftlichkeit und ein großes Entgegenkommen auch von katholischer Seite erfahren.“ Bei größeren Gottesdiensten wird die Gemeinde somit zu Gast in anderen Kirchengebäuden sein.
Für die Gemeinde sei die Stiftskirche ein ganz besonderer und anziehender Ort. „Es ist ein sehr spiritueller Ort, an dem man spürt, dass schon viele Menschen hier gemeinsam gebetet und gemeinsam Gottesdienste erlebt haben.“ Aber: „Kirche ist nicht nur ein Gebäude, sondern es ist der Gottesdienst und auch wir alle“, machte die Pfarrerin gestern deutlich.
Am letzten Gottesdienst vor der Renovierung ist die Kirchengemeinde versammelt: Alt und Jung feiern noch einmal in der Stiftskirche diesen besonderen Gottesdienst – im Mittelgang steht neben einem Kinderwagen auch ein Rollator. In den Reihen sind Kirchengemeinderäte, Vertreter des Kirchbauvereins und der Stiftsbauhütte, die ehrenamtlich und in Eigenarbeit zur Renovierung beitragen. Die Konfi-3-Kinder, also die Drittklässler, welche Vorkonfirmationsunterricht haben, gestalteten den Gottesdienst lebendig mit. Sie zeigen anschaulich mithilfe von bunten Bausteinen, wie unterschiedlich jeder Einzelne ist und wie alle zusammen zu einer Gemeinde, einer Kirche werden. Die rund 40 Kinder des Kinderchors erfüllen mit leidenschaftlich gesungenen Liedern den Kirchenraum.
In ihrer Predigt sprach Pfarrerin Sabine Goller-Braun das Thema Mut an. Denn der spielt auch bei der kommenden Zeit der Kirchenrenovierung eine große Rolle. Die Stiftsbauhütte brauche Mut, anzupacken, zu helfen, ohne dass etwas kaputtgeht, die Kirchenbänke zu überarbeiten und das alles ehrenamtlich. Der Kirchbauverein brauche Mut, um Menschen anzusprechen, um Geld zu sammeln für die Renovierung und den Erhalt der Kirche, „sodass noch viele Generationen nach uns in der Stiftskirche zusammenkommen“. Der Kirchengemeinderat brauche Mut, das Projekt zu verwirklichen, Kritik einzustecken und Unannehmlichkeiten hinzunehmen, die während der Umbaumaßnahmen entstehen.
Die Konfi-3-Kinder zeigen mit Bausteinen, dass viele Bausteine eine Gemeinde geben.