Acht Bewerber im Rampenlicht

Die Stadt Backnang musste bei der offiziellen Vorstellung der OB-Kandidaten neue Wege gehen. Statt wie sonst üblich im Bürgerhaus fand die Präsentation der Bewerber diesmal in einem Studio statt und wurde auf Video aufgezeichnet.

Acht Bewerber im Rampenlicht

Ohne Publikum mussten sich Julia Papadopoulos und ihre sieben männlichen Mitbewerber vor der Kamera präsentieren. Foto: A. Becher

Von unserer Redaktion

BACKNANG. Maximal zehn Minuten Zeit hatte jeder der acht Kandidaten für die OB-Wahl am 14. März, um sich und sein Programm vor der Kamera zu präsentieren. Gestern Abend wurden die Reden auf der städtischen Homepage ausgestrahlt. Wir dokumentieren hier die wichtigsten Aussagen.

Jörg Bauer: Als „Ur-Backnanger“ präsentierte sich der 51-jährige Bauunternehmer. Bauer legte den Schwerpunkt in seiner Vorstellung auf Werte wie Bürgernähe und Verlässlichkeit, die er auch in seinem Wahlkampf unter Beweis gestellt habe. „Ich sehe die Bürger als große Familie von mir“, sagte er. Für ein geselliges Miteinander präsentierte er seine Idee eines bunten Europazentrums auf dem IBA-Gelände, welches von den Vereinen abwechselnd bewirtet und als Treffpunkt für Jung und Alt dienen soll. Ein „Klein-Venedig“ schließe sich daran an. Die Backnanger Innenstadt wolle er mittels eines Fonds retten, über welchen die Stadt Leerstandsflächen aufkauft und vermietet. „Das Geld kommt aus meiner Fachkompetenz als Unternehmer“, er könne etwa fünf Prozent der Baukosten für städtische Projekte einsparen. Die Breitbandversorgung sehe er genossenschaftlich geregelt, eine nachhaltige Verkehrslösung wolle er unter anderem durch gezielte Lückenschlüsse im Radwegenetz erreichen. Und: „Der soziale Wohnungsbau gehört zurück in städtische Hände“, forderte Bauer.

Maximilian Friedrich: Für den 33-Jährigen ist das persönliche Gespräch bei Alltagstreffen „die natürlichste Form der Bürgerbeteiligung“. So will er hören, wo die Menschen der Schuh drückt, sobald Kontakte wieder uneingeschränkt möglich sind. Der Job in seiner Geburtsstadt wäre eine „Herzensangelegenheit“, aber „trotz meiner Verbundenheit würde ich von außen kommen, als unabhängiger OB“.

Er habe eine lange Liste „an frischen Ideen“, so Friedrich, „ganz oben steht: Wir müssen die Innenstadt retten. Sie muss wieder lebendiger werden.“ Der aktuelle Bürgermeister von Berglen will Backnang „sauberer und nachhaltiger“ machen und bis spätestens 2035 klimaneutral. Einige weitere Punkte auf seiner Agenda: Ein Verkehrskonzept für alle Beteiligten, das Stau und Lärm reduziert, mehr bezahlbarer Wohnraum, die Förderung von Vereinen und Institutionen als „Chefsache“, bezahlbare Kitas, gut ausgestattete Schulen und Angebote für Kinder und Jugendliche jedes Alters. Friedrich verspricht „Offenheit, Ehrlichkeit, absolute Verlässlichkeit und Freundlichkeit, hinzu kommen Fleiß und großes Engagement“.

Roland Stümke: Er steigt mit dem Thema Corona ein. Aufgrund der Pandemie und der Frontenbildung der verschiedenen Meinungslager seien Kommunikation und Austausch nicht mehr so möglich wie früher, so der Kandidat. Er will die Menschen wieder zusammenführen, denn der soziale Zusammenhalt in einer Stadt sei ihm wichtig. Er hofft, dass es nach Beendigung der Pandemie keinen Neustart Backnangs gibt, sondern dass die Murr-Metropole wieder so sein werde, wie er sie vor der Coronakrise kennen- und schätzen gelernt habe. Was ihm auch sehr am Herzen liegt, sind die Einzelhändler, Gastronomen und Soloselbstständigen in der Stadt, die im Moment nicht wüssten, wie sie den morgigen Tag überstehen sollen. Sein Gedanke zur Unterstützung dieser Menschen ist die Gründung eines Vereins, über den steuerbefreite Spenden ermöglicht werden, die den Schwerstbetroffenen der genannten Berufsgruppen zugeführt werden. Auch die Themen sozialer Wohnraum, Jugend und Gewerbe spricht Stümke an. Ihm schwebt dazu etwa die Einrichtung eines Gründerhauses als unternehmerische Ideenschmiede in Backnang vor.

Stefan Neumann: Die Gesamtausrichtung der Stadt Backnang, also das große Ganze im Fokus behalten – das führte der 38-Jährige als sein Ziel an. Für ihn bedeute das einerseits, „eine Stadt für alle Generationen, mit und ohne Handicap“ zu gestalten. Angefangen von seinem Ziel, die Kinderbetreuung kostenlos zu machen, und die Schulen gut auszustatten, nennt er auch das Bestreben, 500 neue, preisgünstige und altersgerechte Wohnungen bauen zu lassen. Besonders das IBA-Gelände biete die einmalige Chance, einen neuen Stadtteil gemeinsam zu entwickeln. „Nachhaltige Stadtentwicklung bedeutet unter anderem, dass wir unseren Teil zum Klimaschutz und zur Förderung biologischer Vielfalt beitragen müssen“, führte Neumann aus. Im Rahmen einer Zehnjahresstrategie wolle er die Stadt auf den Weg der Klimapositivität bringen. Den Wirtschaftsstandort Backnang will der Künzelsauer Bürgermeister durch Bauförderung und die Verkehrsanbindung weiter stärken, zudem solle die Unternehmensgründung unterstützt werden. Für besondere Bürgerprojekte plant Neumann ein jährliches Budget von 100000 Euro.

Marco Schlich: Nicht im Anzug, sondern in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Jeder Mensch ist ein Politiker“ trat der 45-jährige Bauingenieur vor die Kamera. Schlichs Rede drehte sich vor allem um ein Thema: den Klimawandel. Der sei „die größte Bedrohung, der die Menschheit jemals ausgesetzt war“. Wenn man so weitermache wie bisher, seien die Folgen dramatisch: „Tier- und Pflanzenarten werden aussterben, Ökosysteme werden kippen, Orkane und Überschwemmungen zunehmen.“ Schlich zitierte eine Prognose, wonach im Jahr 2100 weltweit 1,3 Milliarden Menschen auf der Flucht sein werden, weil ihre Heimat nicht mehr bewohnbar ist. Noch könne man diese Entwicklung stoppen, aber nur, wenn die Politik die Rahmenbedingungen schaffe: „Genau das ist der Grund, warum ich in Backnang kandidiere.“ Um die Stadt bis 2035 klimaneutral zu machen, will Schlich unter anderem Radwege ausbauen und den öffentlichen Nahverkehr in Backnang attraktiver und günstiger machen. Die Bürger möchte er in politische Entscheidungen stärker einbinden. Ein weiteres Wachstum der Stadt sieht er kritisch: „Der Preis ist zu hoch.“

Stefan Braun: Die Kandidatur in Backnang ist für Stefan Braun eine Herzensangelegenheit. „Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, mich in einer anderen Stadt zu bewerben, bloß um Oberbürgermeister zu sein. Seiner Einschätzung nach zeichnet ihn sein Humor besonders aus. Zudem seien Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit zentrale Bestandteile seines Handelns. Sein oberstes Prinzip lautet: „Wir gehen fair miteinander um.“ Er möchte nicht über die Köpfe der Menschen hinweg bestimmen, sondern er will sie mitnehmen. „Ich will als Oberbürgermeister verbinden und nicht spalten.“ Braun will sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass sich Backnang in den entsprechenden Gremien selbstbewusster und besser positioniert als dies bisher im Kreis und in der Region der Fall war. Er fordert den möglichst schnellen Ausbau der B14, der auch die Anbindung der südlichen Stadtteile berücksichtigt und dem Durchgangsverkehr dort Rechnung trägt. Auch den Umbau des Bahnhofs zu einer barrierefreien Mobilitätsdrehscheibe steht bei dem 56-Jährigen ganz weit oben auf der Agenda.

Andreas Brunold: Vor allem Nachhaltigkeitsthemen treiben den BUND-Ehrenamtlichen um. Die Stadt soll 2035 klimaneutral sein. Der 65-Jährige fordert einen Umwelt- und Klimabeauftragten, mahnt „mehr Grünflächen statt Beton“ an und will Ausgleichsflächen nur noch auf Backnanger Gemarkung erlauben. Größere Bauvorhaben seien auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen. Zum Hochwasserschutz verlangt Brunold den Rückbau geeigneter Flächen zu Biotopen. „Zur Verschönerung des Stadtbilds“ schlägt er eine Landesgartenschau-Bewerbung vor.

Von der Verwaltung erwartet der Professor einen Transparenzkodex und die Einhaltung der Compliance-Regeln. Er will Gemeinderatssitzungen live übertragen und ein städtisches Mitteilungsblatt herausgeben. Am Herzen liege ihm die Innenstadtentwicklung. Der gebürtige Backnanger will etwa das dortige Wohnen stärker fördern, einen Lebensmittelladen ansiedeln und ein lokales Einkaufsportal mit Lieferservice einrichten. Um den Individualverkehr zu reduzieren, schwebt Brunold ein kostenloser Busshuttle „auf einem Innenstadtring“ vor.

Julia Papadopoulos: Die 36-Jährige ist Stadträtin in Waiblingen und ist im Waiblinger Ortsteil Hohenacker aufgewachsen. Ihre Eltern kamen 1979 von Polen nach Deutschland. Sie sei sich also der Sorgen und Nöte von Einwanderern bewusst. Sie wünscht sich eine harmonische Gesellschaft, deren verschiedenen Teile sich als Einheit sehen. Seit 2018 ist sie Mitglieder der Partei „Mensch, Umwelt und Tierschutz“ und mittlerweile deren Landesvorsitzende. Sollte sie zur Oberbürgermeisterin von Backnang gewählt werden, wolle sie alles tun, um die Stadt grüner und sozialer zu gestalten. Klimaschutz habe dann oberste Priorität. Sie will Anreize schaffen, um zu einer verstärkten Nutzung des ÖPNV und Radverkehrs zu kommen. Sie plädiert für eine langfristige Strategie mit Blick auf die steigenden Zahlen in der Kinderbetreuung. Sie kritisiert die Kitagebührenerhöhung um zwei Euro in Backnang, wo stattdessen viel Geld für eine öffentliche Toilette ausgegeben werde, die auch noch defekt sei. Die Immobilienmaklerin will auch die Hürden für Familien mit Kindern und Alleinerziehende bei der Wohnungssuche in Backnang reduzieren.

Das komplette Video der Kandidaten- vorstellung ist online abrufbar auf der Homepage der Stadt Backnang unter www.backnang.de.

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