Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart haben den perfekten Start hingelegt – doch nun warten zwei große Herausforderungen.
Von Jochen Klingovsky
Stuttgart - Die Bilanz ist weiterhin makellos: Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart haben alle acht Pflichtspiele gewonnen und bei keinem ihrer acht Siege einen Satz abgegeben. Vor den beiden Top-Heimspielen gegen den VfB Suhl in der Bundesliga an diesem Freitag (19.30 Uhr) und gegen den SSC Schwerin im Pokal-Halbfinale (Dienstag, 19.30 Uhr) nennen wir acht Gründe, warum es so gut läuft.
Der Teamgeist Neun Neuzugänge, dazu drei Talente aus dem eigenen Nachwuchs, die nach oben gezogen wurden: Im Sommer gab es bei Allianz MTV Stuttgart den großen Umbruch. Dem Zusammenhalt hat das nicht geschadet. „Die Spielerinnen haben nicht nur richtig Bock, sie verstehen sich auch sehr gut“, sagt Trainer Konstantin Bitter, „sie bringen ihre Persönlichkeiten super ins Team ein, zeigen zugleich die nötige Demut und sind stolz, für Allianz MTV Stuttgart zu spielen. Das passt.“ Allerdings nicht nur in der Mannschaft. Auch seinen Stab lobt der Chefcoach: „Da wird mit viel positiver Energie toll gearbeitet. Wir sind sicher nicht frei von Makeln. Doch nicht die Fehler sind wichtig, sondern wie wir mit ihnen umgehen.“
Die Integration Es ist erstaunlich, wie schnell es gelungen ist, die Neuzugänge nicht nur menschlich, sondern auch sportlich voll einzubinden. Dabei hat geholfen, dass in Eleanor Holthaus, Anna Koulberg und Yurika Bamba gleich drei Verstärkungen aus Potsdam kamen und sich gut kannten. Wobei die Aufgabe aus Sicht von Konstantin Bitter größer war, als nur Einzelne zu integrieren. „Wichtig ist gewesen, eine ganz neue Identität zu schaffen“, erklärt der Trainer, „das ist uns gelungen. Wir haben eine komplett neue Dynamik entwickelt, die Gruppe hat eine große Frische. Zu dieser Identität gehört auch, sich nicht mit der Vergangenheit des Vereins zu vergleichen. Wichtig ist, Freude an dem zu haben, was jetzt passiert.“
Die Hierarchie Nach dem Karriereende von Krystal Rivers, Roosa Koskelo und Maria Segura Pallerés brauchte es neue Führungskräfte. Vor allem die zur Kapitänin ernannte Antonia Stautz blüht – nach einer starken WM – in dieser Saison auf. Unterstützt wird sie von Co-Kapitänin Eleanor Holthaus, aber auch von Pia Kästner oder Pauline Martin. „Ohne Hierarchie regiert das Chaos, insofern bin ich froh darüber, was sich bei uns entwickelt hat“, meint Coach Bitter, „es gibt klare Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten. Doch niemand nimmt sich selbst wichtiger als andere oder gar das Team selbst.“
Die Form Mittelblockerin Lucia Varela Gomez ist noch stärker als in der vergangenen Saison, wurde bereits viermal zur wertvollsten Akteurin gewählt. Auch Diagonalangreiferin Pauline Martin hat einen Schritt nach vorne gemacht. Zuspielerin Melani Shaffmaster ersetzt Pia Kästner (Aufbautraining nach Rücken-OP) überraschend problemlos, dank Libera Yurika Bamba spricht kaum noch jemand über Roosa Koskelo. Und das sind nur vier Beispiele. „Alle im Team haben einen guten Rhythmus und durch die Siege auch viel Selbstvertrauen“, sagt Konstantin Bitter, „allerdings sind wir noch lange nicht an unserem Maximum. Um dieses zu erreichen, brauchen wir genau die Herausforderungen, die in nächster Zeit anstehen.“
Die Effizienz Es ist im Volleyball der wohl wichtigste statistische Parameter: je höher die Effizienz (eigene Punkte minus Fehler/Blocks des Gegners), umso größer die Chance, erfolgreich zu sein. Allianz MTV Stuttgart liegt derzeit nicht nur bei einem sehr guten Wert von 36,4 Prozent, der Tabellenführer ist damit vor dem nächsten Gegner VfB Suhl (30,0) bisher auch klar das effizienteste Team der Bundesliga.
Die Unberechenbarkeit In den vergangenen sieben Jahren gab es bei den Stuttgarter Volleyballerinnen ein klares Muster: Wenn es wichtig wurde, liefen die Angriffe zumeist über Krystal Rivers, die überragende Spielerin der Bundesliga. Nun ist sie nicht mehr da, die Last verteilt sich auf mehrere Schultern. Bisher ist diese neue Variabilität ein Plus des Teams, allerdings gab es noch kaum enge Duelle. „Unsere Spielweise ist jetzt anders, für den Gegner schwerer auszurechnen“, meint Konstantin Bitter, „ob dies auch noch so ist, wenn mal eine Partie weniger deutlich verläuft, muss sich aber erst noch zeigen.“
Der Trainer Wer sich mit Konstantin Bitter unterhält, der spürt sofort, wie er dafür brennt, mit seinem neuen Team erfolgreich zu arbeiten, es weiterzuentwickeln, eine Ära zu prägen. Der Coach sieht den Umbruch nicht als Last, sondern als Chance. Auch für sich selbst. „Wir wollen mit unserem Volleyball-Konstrukt den Menschen Freude bereiten, dafür investiere ich viel Herzblut“, sagt er, „solche Herausforderungen machen den Job doch erst interessant. Wenn ich diesen Druck spüre, dann bin ich am richtigen Ort.“
Der Spielplan Im Pokal ging es zu zwei Zweitligisten, in der Bundesliga gegen den Viertletzten Schwarz-Weiß Erfurt sowie die drei Aufsteiger aus Hamburg, Borken und Flacht, die am Ende der Tabelle stehen. Siege in diesen sechs Partien waren Pflicht. „Der Spielplan hat einen guten Start sicher begünstigt“, sagt Konstantin Bitter, „aber wir haben auch die Herausforderungen gegen den Dresdner SC und die Ladies in Black Aachen mit Bravour gemeistert. Das 3:0 gegen Dresden war eine echte Standortbestimmung.“ Der nun zwei weitere folgen – erst gegen den Bundesliga-Dritten VfB Suhl, der bei einem Sieg in Stuttgart die Tabellenführung übernehmen würde, danach im Pokal-Halbfinale gegen den Meister aus Schwerin. „Wir haben das Ziel, in der Liga ungeschlagen zu bleiben und ins Pokal-Endspiel einzuziehen“, erklärt Konstantin Bitter, „doch unabhängig vom Ausgang der beiden Partien kann ich eines jetzt schon sagen: Wir sind auf dem richtigen Weg.“