Adelig sein für einen Nachmittag

Die jüngste Veranstaltung des Vereins für Kinder in Backnang im Rahmen der Kinderuni Plus machte aus Jungen und Mädchen Prinzen und Prinzessinnen. Sie bekamen nicht nur Wissen vermittelt, sondern entdeckten vieles selbst.

Adelig sein für einen Nachmittag

Einige Hofdamen dürfen auf der Waldbühne gemeinsam mit Liane und Armanda Martinez einen Tanz aufführen. Fotos: J. Fiedler

Von Carmen Warstat

BACKNANG. In einem festlichen Sommerkleid und mit Diadem im Haar begrüßte die Initiatorin, Hauptorganisatorin und quasi Universitätsrektorin Gudrun Weichselgartner-Nopper die neugierigen Kinder themengerecht und sozusagen standesgemäß. Erwartungsvoll und oft auch ein wenig aufgeregt hatten sich viele von ihnen mit ihren Eltern überpünktlich am Treffpunkt eingefunden.

Die Einschreibung der kleinen Studenten fand auf dem Wanderparkplatz Strümpfelbach hinter dem Schloss statt und sah – wie in diesen Zeiten üblich – die Hinterlegung ihrer Personalien und Kontaktdaten vor. Weichselgartner-Nopper hatte als Vereinsvorsitzende das Hygienekonzept erstellt und auch sonst alles genauestens geplant. Viele ehrenamtliche Helfer standen ihr zur Seite, denn etwa 50 Kindern etwas zu bieten, ist mit enormem Aufwand verbunden. Jedes der Kinder erhielt eine Nummer, bei der Immatrikulation sollte sich dann herausstellen, warum.

Geschichtsunterricht, königliche Porträts und höfische Tänze gehören zum Programm.

Für jeden der kleinen Studenten hatten fleißige Helferinnen ein königliches Gewand genäht, dafür waren vorab die Kleidergrößen der Kinder erfragt worden, sodass auch alles passte. Es blinkte und blitzte in allen Farben, als die erste Gruppe sich auf den Weg zur zweiten Station machte. Man erreichte eine Pestalozzi-Büste, an der bereits jemand wartete, um über das Wirken des Pädagogen und die Situation von Kindern zu seiner Zeit zu informieren. Als Dozentin fungierte die Stuttgarter Gymnasiallehrerin Birgit Becher und hielt, als mittelalterliche Gelehrte gekleidet, eine kleine Vorlesung. Bei der zweiten Station wurde sodann das Styling der jungen Adligen fortgesetzt. Da wurde geschminkt und frisiert, gepudert und onduliert, Krönchen und Schleier festgesteckt, schließlich alles noch einmal begutachtet. Unter den freiwilligen Helfern hier befand sich Franz Ferdinand Nopper, Sohn der Organisatorin und des Oberbürgermeisters, der dafür sorgte, dass auch die wenigen Jungen unter den kleinen Studenten sich wohlfühlten und nicht etwa überschminkt wurden. Sein Bruder Carl Alexander Nopper hatte die Aufgabe übernommen, als Dozent eine Tour zur Skulptur Karls des Großen anzuführen und dort eine kleine Vorlesung „über den ersten großen Europäer“ zu geben.

„Spieglein, Spieglein an der Wand“ hieß die nun folgende Station. Starfotograf Christof Sage, der normalerweise weltweit unterwegs ist und auch schon Bambi- und Oscarpreisträger sowie mächtige Politiker vor der Linse hatte, lichtete die kleinen Royals nacheinander ab und versprach, dass jeder von ihnen ein tolles Foto von sich würde mit nach Hause nehmen dürfen. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich, dass es gar nicht so einfach ist, Schleier, Krönchen oder Zylinder zu tragen.

Klar, dass so viel Aufregung hungrig und die Hitze durstig machte – also wurde nun erst einmal gespeist: Echt württembergisch das Menü aus Kartoffelsalat und Maultaschen sowie Fleischküchle. Gut gestärkt begaben die Studenten sich zur eigens errichteten Waldbühne und durften nun in idyllischem Open-Air-Ambiente den Tänzerinnen Liane und Armanda Martinez zusehen und zuhören. Liane, die Leiterin der gleichnamigen Backnanger Ballettschule, verstand es, den kleinen Akademikern beispielsweise das frühere Leben bei Hofe zu veranschaulichen – eine unterhaltsame und interaktive Vorlesung mit Praxisbezug: Ein Menuett wurde getanzt, und die frisch gekrönten Prinzessinnen und Prinzen erlebten Tschaikowskys auf Spitze getanzte Aurora-Variation aus „Dornröschen“, dritter Akt. Sie lernten, woraus so ein Hightech-Ballettschuh besteht, und durften über eigene Tanzerfahrungen berichten, bis schließlich alle Kinder mit den Profis ein Menuett und einen Geburtstagstanz tanzten, einige der Hofdamen und -herren auf der Bühne, die anderen bei gebührendem Abstand in den Bankreihen.

Schließlich der Höhepunkt dieser Kinderuni Plus: Das Stück „König Wilhelm II. von Württemberg“ (Autor Johannes Galli) wurde gespielt, und die Studenten lernten einen gutmütigen Herrscher kennen, der Kinder mit Zuckerzeug beschenkt sowie die Jagdbeute mit dem Volk geteilt haben soll und seine Krone auf Drängen des Volks gegen die Herzogswürde eintauschte. Renate und Dieter Großmann sowie Iris Guggenberger vom Galli-Theater spielten das lehrreiche Dreipersonenstück, wurden von ihren Zuschauern gefeiert und zu guter Letzt noch einmal von den Balletttänzerinnen Liane und Armanda Martinez abgelöst. Zugabe und krönender Abschluss einer dreistündigen Geschichtslektion waren „Die Eiskönigin“ und nach demokratischer Abstimmung durch die kleinen Royals noch einmal „Dornröschen“.

Mit vielen Eindrücken und einigen Geschenken im Gepäck verließen die Studenten den Campus schließlich. Sie hatten ein Foto sowie einen Ballettstundengutschein bekommen und durften ihr königliches Outfit behalten. Sicher ein Trost für die Tatsache, dass man das Schloss nicht, wie es der Einladungsflyer vermuten ließ, zu Gesicht bekommen hatte. Die Eigentümerfamilie Seydelmann hatte den Schlosspark zur Verfügung gestellt und war an der Umsetzung der Idee aktiv beteiligt. Unzählige andere ehrenamtliche Helfer kamen außerdem aus Heilbronn, Leonberg, Bad Mergentheim, Stuttgart und natürlich Backnang.

Adelig sein für einen Nachmittag

Bevor es losgeht, werden die kleinen Akademiker standesgemäß eingekleidet.

Adelig sein für einen Nachmittag

Die Kinder tanzen unter anderem ein Menuett.