AfD-Plattform für Vorfälle an Schulen: „Denunziantentum“

dpa/lsw Stuttgart. Wie neutral muss ein Lehrer sein? Die AfD sieht sich von manchen Pädagogen zu unrecht diskreditiert und richtet nun auch in Baden-Württemberg ein Meldeportal ein. Die Empörung darüber ist groß.

AfD-Plattform für Vorfälle an Schulen: „Denunziantentum“

Der parlamentarische Geschäftsführer Anton Baron. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Nach monatelangen Vorbereitungen hat die Landtags-AfD ihre umstrittene Meldeplattform für Schüler, Eltern und Lehrer jetzt doch noch online gestellt. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Anton Baron sagte am Donnerstag, die Plattform gehe auf einen Beschluss der Fraktion zurück. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und Verbände äußerten umgehend scharfe Kritik.

Wie es auf der Seite heißt, können „Vorfälle“ an Schulen mitgeteilt werden. Dabei kann man zwischen verschiedenen Rubriken wählen, darunter sind „politische Beeinflussung“ und „Neutralität“, aber auch „Gewalt an der Schule“ und „Mobbing“. Der betroffene Lehrer oder die Schulleitung sollen namentlich genannt werden. AfD-Bildungsexperte Rainer Balzer sagte der „Schwäbischen Zeitung“ (Freitag), die Plattform „Faire Schule“ sei seit Dienstag im Probebetrieb.

AfD-Politiker hatten erklärt, dass viele Lehrer an den Schulen ihrer Meinung nach nicht politisch neutral seien. Der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple hatte bereits vor einem Jahr eine eigene Meldeplattform auf seiner eigenen Homepage online gestellt, für die es viel Kritik gab und die wegen eines mutmaßlichen Hackerangriffs schnell wieder vom Netz gehen musste.

Eisenmann rief dazu auf, sich gegen solche Plattformen zu stellen. Der direkte, zwischenmenschliche Austausch zwischen Schülern, Eltern und Lehrern sei der bessere Weg. Zum Thema Neutralität von Lehrern erklärte sie: „Politische Neutralität bedeutet nicht, dass man menschenverachtende, rassistische oder rechtsradikale Äußerungen im Unterricht als neutrale und legitime politische Positionen behandeln muss, im Gegenteil, diese müssen selbstverständlich kritisch dargestellt werden.“ Sie habe volles Vertrauen in die Lehrer, dass sie politische und kontroverse Themen ausgewogen darstellten. Für „Denunziantentum“ an den Schulen gebe es überhaupt keinen Grund.

Die Bildungsgewerkschaft GEW sprach von Spitzelmethoden, wie sie zuletzt vor 75 Jahren, also zur Zeit der Nationalsozialisten, an den Schulen angewandt worden seien. „Ausgerechnet diese Partei spielt sich jetzt als Hüterin der politischen Neutralität an den Schulen auf. Das ist absurd“, sagte GEW-Landeschefin Doro Moritz zur AfD.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) teilte mit, man werde notfalls rechtliche Mittel ergreifen, um Lehrer vor „Denunziantentum“ zu schützen. VBE-Landeschef Gerhard Brand sagte, die Plattform erinnere stark an Maßnahmen, die in Deutschland vor rund 80 Jahren ergriffen worden seien. „Es ist nicht akzeptabel, dass man unsere Schülerinnen und Schüler zum Denunziantentum erziehen will.“

Auf der AfD-Meldeplattform heißt es: „Unterrichtsausfall, defekte Toiletten, politisch inkorrekte Lehrer, Gewalt auf dem Schulhof? Als Schüler hast Du Anspruch auf Unterricht, eine neutrale politische Willensbildung und intakte Bildungseinrichtungen.“ Wenn es an der Schule Probleme gebe, da aber keiner zuhöre, solle man das jetzt melden. Die AfD beteuert: „Jede Meldung wird von uns geprüft.“

Balzer sagte der Deutschen Presse-Agentur, es handle sich nicht um ein Anschwärzerportal. „Wir wollen niemanden für guten Unterricht denunzieren, sondern Mängel, die immer auftreten, bündeln und reparieren.“ Manche Schüler trauten sich nicht, sich direkt an die Lehrer zu wenden. Er wolle sich dann mit dem Problem an die jeweilige Schulleitung oder zuständige Schulbehörde wenden.

Die politische Neutralität der Lehrer sei dabei nur eines von mehreren Themen. Der eine oder andere Schüler beklage, dass Parteien im Unterricht unterschiedlich dargestellt würden. Er aber nehme an, dass die Mehrheit der Lehrer einen sorgfältigen Unterricht erteile und sich allgemein an den „Beutelsbacher Konsens“ halte. Der im Jahr 1976 erarbeitet Konsens verpflichtet Lehrkräfte gegen Indoktrination und dazu, politisch Kontroverses auch kontrovers darzustellen.

Man wolle nun erstmal die Resonanz des Portals vier Wochen lang beobachten und auch sehen, welche Qualität die Meldungen hätten, sagte Balzer.

Seit Herbst 2018 hat die AfD bereits in mehreren Bundesländern solche Portale online gestellt - so in Hamburg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Meckenburg-Vorpommern, zum Teil unter dem kritischen Auge der Landesdatenschutzbeauftragten. Die anfängliche Aufregung um diese Portale hat sich mittlerweile vielerorts gelegt. Ulf Rödde vom GEW-Bundesvorstand bilanzierte im September: „Es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wurde.“