Der AfD-Politiker Miguel Klauß gibt an, wie viele Menschen der „Remigrations“-Plan seiner Partei treffen könnte. Ein deutsch-syrischer Bürgermeister lehnt ein Gesprächsangebot ab.
Der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß (li.) irritiert mit seinen Aussagen den deutsch-syrischen Bürgermeister der Gemeinde Ostelsheim im Kreis Calw, Ryyan Alshebl.
Von Florian Dürr
Die AfD lüge beim Begriff „Remigration“, warf Ryyan Alshebl (Grüne) der Rechtsaußen-Partei kürzlich in einem Bericht unserer Zeitung vor. Hintergrund der Aussage des deutsch-syrischen Bürgermeisters war ein schwächer definierter „Remigrations-Begriff“ als er der Partei sonst zugeschrieben wird – beschrieben durch den AfD-Co-Landesvorsitzenden Markus Frohnmaier, der beim Streitgespräch mit Tübingens OB Boris Palmer (parteilos) den Begriff sogar generell zur Debatte stellte, wenn er so häufig missverstanden werde.
Beispiel aus eigener Erfahrung Indiz für Bedeutung von „Remigration“
„Wir fordern einfach nur die Umsetzung geltendes Rechts – nicht mehr und nicht weniger“, hatte Frohnmaier in Tübingen gesagt. Die AfD wolle lediglich diejenigen abschieben, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Laut Bundesinnenministerium waren im vergangenen Jahr 178.500 Menschen in Deutschland geduldet, also eigentlich ausreisepflichtig, deren Abschiebung derzeit aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist. Unmittelbar ausreisepflichtig ohne Duldung waren es 42.000. Insgesamt also rund 220.000 Menschen.
Alshebl glaubt Frohnmaiers Worten nicht und lieferte dafür auch ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Als der Deutsch-Syrer vor zwei Jahren zum Bürgermeister der Gemeinde Ostelsheim (Kreis Calw) gewählt wurde, kommentierte der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß einen Instagram-Post unserer Zeitung zu einem Text über den frisch gewählten Rathauschef mit den Worten: „Warum ist er noch hier? Der Krieg ist schon lange in Syrien vorbei.“ Für Alshebl ein Indiz für die wahre Bedeutung des „Remigrations“-Begriffs: „Es wird also offen die Abschiebung eines demokratisch gewählten Politikers gefordert“, schlussfolgert er: „Ein solches Zitat verdeutlicht, dass es der AfD bei der ‚Remigration’ nicht um die Einhaltung bestehender Gesetze geht.“
AfD-Politiker: „Remigration“ bedeute auch Ausreise mit „Anreizen“
Jetzt hat sich auch Miguel Klauß selbst dazu geäußert: „Meine damalige Äußerung war ein Hinweis auf das geltende Asylrecht“, behauptet der AfD-Politiker gegenüber unserer Zeitung. Asyl bedeute Schutz auf Zeit. Doch Alshebl war zu jenem Zeitpunkt kein Asylbewerber, sondern bereits deutscher Staatsbürger.
Weiter legt Klauß offen, was „Remigration“ bedeute und wie viele Menschen sie betreffen könnte, sollte die AfD in Regierungsverantwortung kommen: Der Begriff bedeute „mehr als die rechtskonforme Abschiebung von illegalen, ausreisepflichtigen oder kriminellen Migranten“, schreibt Klauß in einer Mail an diese Zeitung. Zudem gehe es auch um „die freiwillige Ausreise mit Anreizen, aber auch mit klaren politischen Forderungen“, schreibt der Landtagsabgeordnete.
Zum Beispiel wolle seine Partei das Bürgergeld für Ausländer streichen, die noch nie in die Sozialsysteme eingezahlt haben. Insgesamt kommt Klauß in seiner Berechnung auf circa 2,6 Millionen Ausländer und zu seiner These: „Deshalb kann man auch rechtsstaatlich von einer millionenfachen Remigration sprechen.“
Deutsch-syrischer Bürgermeister hat kein Interesse an einem Gespräch
Bei Ryyan Alshebl werfen Klauß’ Aussagen Fragen auf: „Während er den Begriff völlig anders als Frohnmaier zu definieren versucht, bleibt unklar, welche Linie die AfD tatsächlich vertritt“, sagt der Ostelsheimer Bürgermeister. Der AfD-Co-Landesvorsitzende habe im Streitgespräch mit Palmer die Position vermittelt: Es gehe bei den Abschiebeforderungen nur um Geduldete. „Entweder fehlt es dieser Partei an einer kohärenten und ehrlichen Strategie“, sagt Alshebl, „oder es handelt sich um eine bewusste Täuschung der Wähler, bei der einige Vertreter sich staatsmännisch geben, während andere den völkisch-rassistischen Kern der Partei offenlegen.“
Ein Streitgespräch nach dem Vorbild Palmer-Frohnmaier bietet Miguel Klauß auch dem deutsch-syrischen Bürgermeister an. Doch daran hat Alshebl kein Interesse: „Das erfordert ein Gegenüber, das zumindest den Anschein von Seriosität und Anstand wahrt“, so Alshebl. Einer wie Klauß, der durch „geschmacklose Aktionen“ wie seinen „Abschiebekalender“ oder durch Hetze auf Tiktok auffalle, disqualifiziere sich für einen Dialog auf Augenhöhe, sagt der Bürgermeister: „Man muss nicht mit jedem reden.“