Ahnenforscher aus den USA findet Verwandte im Rems-Murr-Kreis

Jeff Schneider ist überglücklich. Seit Monaten sucht der US-Amerikaner Nachfahren seines Urururopas Johann Jakob Schneider, der von 1808 bis 1893 in Hohnweiler gelebt hat. Jetzt bei einer Deutschlandreise lernt der 70-Jährige mit einem Schlag zehn neue Verwandte kennen.

Ahnenforscher aus den USA findet Verwandte im Rems-Murr-Kreis

Viel Freude beim deutsch-amerikanischen Familientreffen – untere Reihe von links: Elisabeth Bay (Mutter war eine geborene Daferner, Schlechtbach), Irma Reichert, Jeff Schneider (USA), Ruth Wohlfarth (Waldenweiler), Mary Katherine Johnson (Ehefrau von Jeff Schneider) und Lore Frank geborene Daferner (Grunbach); obere Reihe: Monika Stelzer (Oberweissach), Jürgen Spahmann (Grunbach), Erna Schäfer geborene Stelzer (Oberweissach), Renate Spahmann geborene Stelzer (Oberbrüden) und Fritz Daferner (Rudersberg). Foto: Florian Muhl

Von Florian Muhl

Auenwald. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Jeff Schneider strahlt. An diesem Abend mit der untergehenden Sonne um die Wette. Innerhalb von wenigen Wochen ist die Familie des Amerikaners, der in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota zusammen mit seiner entzückenden Frau Mary Katherine Johnson lebt, um zehn Personen gewachsen. Sechs von ihnen folgten seiner Einladung zum Dinner, zum Abendessen, nach Winnenden-Bürg. „Liebe neue deutsche Familie und Freunde. Vielen Dank, dass ihr in dieses schöne Hotel mit Blick auf das Tal unserer Vorfahren gekommen seid“, begann der 70-Jährige seine Rede zunächst auf Deutsch, wechselte dann ins Englische, weil er seit der Grundschule kein Deutsch mehr gelernt hat.

„Es ist für mich ein Nervenkitzel, endlich lebende Verwandte von mir hier in Baden-Württemberg, über das Meer und über Generationen hinweg, zu treffen“, sagte Schneider weiter. Viele Menschen hätten ihm dabei geholfen, lebende Nachkommen seines Urururgroßvaters Johann Jakob Schneider zu finden, der von 1808 bis 1893 in Hohnweiler gelebt hat. Mit einem Bericht in der Backnanger Kreiszeitung Ende Mai dieses Jahres sei die letztlich erfolgreiche Forschung ins Rollen gekommen. Ruth Wohlfarth (93) aus Althütte-Waldenweiler las den Artikel und schickte ihn an ihre Bekannte Irma Reichert (siehe Kasten).

Die Hobbygenealogin Irma Reichert fand rasch Folgendes heraus: „Wie es aussieht, gibt es keine Nachfahren von Johann Jakob Schneider mit Namen Schneider in Deutschland. Sein ältester Sohn Johan Adam sowie ihr zehntes Kind Johann Gottlieb, Ururgroßvater von Jeff Schneider, wanderten nach Amerika aus und heirateten dort. Ein weiterer Sohn scheint behindert gewesen zu sein. Er starb in der Heilanstalt Pfingstweide bei Tettnang.“

„Ich dachte zuerst: Was ist das jetzt, was ist da los, was will die von mir?“

Aber Irma Reichert hatte auch erfreuliche Rechercheergebnisse: „Vier Töchter heirateten im Rems-Murr-Kreis, Rosina Catharina einen Kleinknecht vom Glaitenhof, Christina Karolina den Bauer Stelzer von Oberweissach, Christina Paulina den Bauer Gottlob Daferner aus Oberschlechtbach und Christina Friederika den Schmied Christian Wilhelm Fischer aus Unterweissach.“

Woher Irma Reichert das alles weiß? Ruth Wohlfarth hat einen Tipp: „Wenn man der Irma irgendwas sagt, dann hat sie sofort alles parat, dann weiß man, wo man herkommt und mit wem man verwandt ist. Die hat ein Archiv, unglaublich.“ Nach weiteren Verwandten suchend rief die Ahnenforscherin auch bei Monika Stelzer an. Die 60-Jährige aus Oberweissach erinnert sich: „Ich dachte zuerst: Was ist das jetzt, was ist da los, was will die von mir? Und dann kam das Ganze ins Rollen, weil wir dann mehrfach…unter zwei Stunden haben wir selten telefoniert.“ Ihre Schwester Erna Schäfer geborene Stelzer pflichtet bei: „Irma schwätzt gern. Eine Stunde ist da gar nix.“ Auch wie sie mit Jeff Schneider verwandt sind, weiß die Oberweissacherin inzwischen: „Unsere Uroma ist eine Frau Schneider.“ Das war Christina Karolina (geboren am 17. April 1846), das elfte Kind von Johann Jakob Schneider und Christina Föhl.

Mithilfe der bildlichen Stammbäume wird vieles klar

Auch Renate Spahmann geborene Stelzer gehört zu dieser Linie. Aber wie ist die 61-jährige Oberbrüdenerin, die an diesem Abend auch als Dolmetscherin fungierte, mit den beiden Schwestern Monika Stelzer und Erna Schäfer verwandt? Letztere löst den Knoten: „Ihr Papa ist unser Vetter.“ Aja. Wie gut, dass es Stammbäume in bildlicher Darstellung gibt. Dann wird vieles plötzlich klar und leuchtet ein.

Ausfindig gemacht hat Irma Reichert auch Lore Frank geborene Daferner aus Remshalden-Grunbach, Elisabeth Bay, ihre Mutter war eine geborene Daferner, aus Rudersberg-Schlechtbach und Fritz Daferner aus Rudersberg. Alle drei stammen vom zwölften Kind von Johann Jakob Schneider ab, also von Christina Paulina Schneider (geboren am 22. Mai 1849), die 1883 den Bauern Gottlob Daferner aus Oberschlechtbach heiratete. Mitgeholfen bei der Familienforschung hatten auch Sabine Strakeljahn und Christine Luchs von der evangelischen Kirchengemeinde Weissach im Tal beziehungsweise Lippoldsweiler, die Jeff Schneider mit seiner Frau Mary besuchten.

Erna Schäfer bringt eine große, schwere Bibel mit

An folgende Episode des Abends erinnert sich Jeff Schneider gern zurück. Für ihn ist es „einer der vielen lustigen Momente unseres Treffens“: Erna Schäfer brachte eine große, schwere alte Bibel mit. Renate Spahmann hatte ein Fragment dabei, etliche aus einer Bibel herausgerissene Seiten, die sie schon lange in ihren Familienunterlagen aufbewahrte. Beginnend mit der Widmung der Pfarrgemeinde für das Brautpaar vom 29. Juni 1865, die Seiten mit den Eltern den geborenen Kindern. Von den Sterbefällen war nur noch eine Seite vorhanden. Und siehe da, die Seiten passten genau in die über 150 Jahre alte Bibel hinein, in der die restlichen Sterbefälle enthalten waren.

Jeff Schneider sieht in dieser wiedervereinigten Bibel ein Symbol für den Abend. Er freute sich über „die Wiedervereinigung von Familienmitgliedern, die sich vorher nicht gekannt haben“. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Der 70-Jährige strahlt.

Die gebürtige Backnangerin Irma Reichert liebt es über alles, Familienstammbäume zusammenzustellen

Marathon „Hallo, eine Bekannte aus Waldenweiler (Ruth Wohlfarth) schickte mir heute den Artikel über Jeff Schneider, der seine Vorfahren und Nachkommen seiner Verwandten sucht.“ Mit diesen Worten begann die E-Mail von Irma Reichert, die sie Ende Mai an unsere Redaktion gesandt hatte. Damit begann auch ein unglaublicher Recherchemarathon der 72-Jährigen, der von unzähligen Mails und später auch von vielen Telefongesprächen geprägt war.

Freunde Irma Reichert ist in Backnang geboren, in Hertmannsweiler aufgewachsen und vom „König weg“, wie ihr Großvater aus Allmersbach gesagt hat, nach Bad Mergentheim gezogen. „Seit 20 Jahren mache ich Ahnenforschung, zuerst für mich, dann für viele andere aus Deutschland, für Russlanddeutsche und für Nachkommen von Deutschen in Amerika, deren Vorfahren aus dem Rems-Murr-Kreis stammen“, erzählt die humorvolle und lebenslustige Frau. Im Laufe der Jahre hat sie rund 40000 Personen aus diesem Gebiet gesammelt. „Sicher sind auch die Vorfahren und Verwandte von Jeff Schneider darunter“, so ihre Vermutung gleich zu Beginn. Die BKZ vermittelte den Kontakt zwischen Irma Reichert und Jeff Schneider, die inzwischen gute Freunde sind.

Nachkommen Das Familienregisterblatt des Johann Jacob Schneider hatte Irma Reichert rasch gefunden. „Von seinen 15 Kindern starben acht als Kinder. Sechs heirateten und haben vermutlich Nachkommen“, schrieb sie bereits in ihrer ersten E-Mail Ende Mai an unsere Zeitung.

Virus Irma Reichert hat über den zweiten Bildungsweg die Hochschulreife erreicht und konnte studieren. Sie war Hauswirtschaftsschulrätin in Bad Mergentheim. „Als meine vier Kinder nach und nach wegzogen, erfüllte ich mir den Traum, nach den Wurzeln meiner Familie zu forschen. Das ist wie ein Virus, den man einmal eingefangen hat und nicht mehr loswird.“

Karteien Für die Forschung musste man vor 20 Jahren noch ins Landeskirchliche Archiv nach Stuttgart-Möhringen. Eine Möglichkeit waren zudem die Familienforschungsstellen der Mormonen. „Bei der Forschung im Rems-Murr-Kreis brachten mich besonders die Robert-Mack-Kartei in der Kirchenpflege Backnang und die Brodmann-Kartei im Stadtarchiv Winnenden entscheidend weiter.“

Internet Heute ist die Forschung viel einfacher. „Ich kann sie von daheim machen“, sagt Irma Reichert. Im Kirchenbuchportal „Archion“ der evangelischen Kirchen in Deutschland sind fast alle Kirchenbücher von Württemberg bis 1875 abrufbar. Für Teile der katholischen Kirche gibt es „Matrikula“. Das Bistum Rottenburg macht leider nicht mit. Zudem gibt es vom Verein für Computergenealogie ein Archiv mit Personendaten und Stammbäumen. „Die gesammelten Personendaten trage ich in ein Genealogieprogramm ein. Diese Programme sind teilweise kostenlos, die meisten aber nicht“, so Reichert.

Fazit „Wenn wir bei der Forschung weit genug zurückgehen, sind alle mit allen verwandt“, weiß Irma Reichert aus Erfahrung. „Die Recherche für Jeff Schneider hat mir besonders viel Spaß gemacht. So viel gelacht wie beim Familientreffen hab ich noch nie, auch bei meiner eigenen Familie nicht.“