Alle Leser sollen ihre Meinung äußern dürfen

So arbeitet die Redaktion (14): Leserbriefe werden veröffentlicht, sofern sie dem Pressekodex entsprechen und nicht zu lang sind

Alle Leser sollen ihre Meinung äußern dürfen

Von Matthias Nothstein

BACKNANG/MURRHARDT. Für manche zählen sie zur Lieblingslektüre, andere lesen sie aus Prinzip nie, weil sie sich viel zu sehr darüber aufregen würden – die Rede ist von Leserbriefen. Die redaktionelle Bearbeitung dieser Zuschriften ist im Pressekodex eindeutig geregelt, lässt trotzdem Raum für Diskussionen.

Die Backnanger Kreiszeitung und die Murrhardter Zeitung fahren seit vielen Jahren eine liberale Leserbriefpolitik. Gedruckt werden in der Regel alle Zuschriften, insofern sie nicht eindeutig wahrheitswidrig oder strafrechtlich relevant sind. Sie dürfen etwa keine beleidigenden Inhalte haben. Die Zeitungen räumen den Lesern durch Abdruck ihrer Leserbriefe die Möglichkeit ein, Meinungen zu äußern und damit an der Meinungsbildung teilzunehmen. Trotzdem trägt die Redaktion die presserechtliche Verantwortung.

Weil in der Vergangenheit einige Leser ihr Recht zur Meinungsäußerung sehr exzessiv genützt haben, hat die Redaktion eigene Richtlinien erstellt. Demnach müssen sich die Leserbriefe auf Veröffentlichungen unserer Zeitung beziehen. Nicht veröffentlicht werden Zuschriften, in denen sich ein Leser über ein Thema auslässt, das zwar ihn gerade sehr beschäftigt, an dem aber die restliche Öffentlichkeit kein begründetes Interesse hat. Als Beispiel seien Nachbarschaftsstreitereien genannt. Ferner haben wir zwei Obergrenzen für Länge und Häufigkeit festgelegt. Die Zuschriften dürfen maximal 2000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) betragen. Zudem wird in einem Kalendermonat nur eine Zuschrift pro Leser abgedruckt. Trotz dieser Einschränkungen kommen Woche für Woche so viele Leserbriefe zusammen, dass sie am Samstag oft eine ganze Zeitungsseite füllen. Werden es mehr, so werden einige Zuschriften auch unter der Woche veröffentlicht, das ist aber eher die Ausnahme. Die ganzen Seiten beziehungsweise die Leserbriefblöcke werden eindeutig als solche gekennzeichnet und erhalten aufgrund der besseren Optik oft auch ein Foto, das sich – wenn möglich – auf eines der Schwerpunktthemen bezieht.

Für die Redakteure, die diese Leserbriefe bearbeiten, ist dies nicht immer einfach. So müssen auch Briefe veröffentlicht werden, die sich – gelinde gesagt – inhaltlich nicht mit ihrer Meinung decken. Auch Kritik an einzelnen Redakteuren wird von ihnen veröffentlicht, selbst wenn sie zuweilen harsch daherkommt oder unberechtigt erscheint. Allerdings hat alles seine Grenzen. Wenn ein Kritiker den Bogen überspannt, wird seine Zuschrift nicht gedruckt. Schließlich haben die Verfasser keinen Rechtsanspruch auf den Abdruck ihrer Zuschriften.

Wenn die Zuschriften jedoch gedruckt werden, dann ist Sorgfalt das oberste Gebot. Nicht umsonst beschäftigt sich die mit Abstand ausführlichste Richtlinie des Pressekodex (Ziffer 2) mit diesem Thema. Zwar gilt die journalistische Sorgfaltspflicht für Veröffentlichungen aller Art, aber bei Leserbriefen sind noch besondere Aspekte zu beachten. Stammt der Brief überhaupt von dem genannten Absender? Ist die Zuschrift zur Veröffentlichung gedacht? Im Pressekodex heißt es dazu: „Zuschriften an Verlage oder Redaktionen können als Leserbriefe veröffentlicht werden, wenn aus Form und Inhalt erkennbar auf einen solchen Willen des Einsenders geschlossen werden kann. Eine Einwilligung kann unterstellt werden, wenn sich die Zuschrift zu Veröffentlichungen des Blattes oder zu allgemein interessierenden Themen äußert.“

Selbstverständlich werden nur Zuschriften abgedruckt, unter denen auch der Name des Autors steht, anonyme Zuschriften finden nicht den Weg ins Blatt. Auch der Wohnort gehört dazu, jedoch weder die Straße noch andere Kontaktdaten. Bestehen Zweifel an der Identität des Absenders, wird auf den Abdruck verzichtet. Oder die Redaktion recherchiert, ob mit dem Schreiben alles seine Richtigkeit hat. In vielen Fällen kennt die Redaktion die Autoren bestens, zumindest den Duktus der Schreiben, in Einzelfällen sogar das Briefpapier und die Handschrift. Insofern ist die Veröffentlichung fingierter Leserbriefe laut Pressekodex nicht nur mit der Aufgabe der Presse unvereinbar, sondern in der Realität auch wenig wahrscheinlich.

Hauptstreitpunkte bei Leserbriefen sind Änderungen und Kürzungen. Grundsätzlich sind sie ohne Einwilligung der Verfasser nicht zulässig. Auf der anderen Seite aber doch, wenn die Rubrik Leserzuschriften einen ständigen Hinweis enthält, dass sich die Redaktion bei Zuschriften, die für diese Rubrik bestimmt sind, das Recht der sinnwahrenden Kürzung vorbehält. Verbietet der Einsender ausdrücklich Änderungen oder Kürzungen, so hat sich die Redaktion, auch wenn sie sich das Recht der Kürzung vorbehalten hat, daran zu halten. Oder sie muss auf den Abdruck verzichten. Alle der Redaktion zugehenden Leserbriefe unterliegen dem Redaktionsgeheimnis. Sie dürfen in keinem Fall an Dritte weitergegeben werden.


Nach der heutigen Folge macht die Serie „So arbeitet die Redaktion“ vier Wochen Pause und startet wieder am 13. Januar.