Alltagsdrogen im Visier

Bundesweite Aktion zur Suchtprävention macht Station in Backnang – Jugendfilmtage im Kino Universum angelaufen

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt in Backnang eine zweitägige Jugendaktion zur Suchtprävention durch. Die Schüler aus dem Rems-Murr-Kreis zeigen großes Interesse an der attraktiven Kinoveranstaltung. Viele Mitmach-Aktionen und Filme bringen den Jugendlichen die Gefahren von Nikotin und Alkohol näher.

Alltagsdrogen im Visier

Mauer gegen die Sucht: Jugendliche errichten ihre eigene Lebensmauer. Foto: A. Becher

Von Andreas Ziegele

BACKNANG. Es ist 10 Uhr am Morgen, und die Passanten in der Sulzbacher Straße bleiben stehen und wundern sich. Junge Menschen strömen ins Kino Universum, fast so wie nach der großen Pause in ein Schulhaus. Über 800 Schüler aus Schulen im ganzen Kreis haben sich für die Jugendfilmtage der BZgA angemeldet.

Mit einer Mischung aus Filmen und aktiver Beteiligung sollen die Jugendlichen direkt angesprochen und dazu bewegt werden, eine kritische Haltung gegenüber Alkohol und Zigaretten zu entwickeln. Gemäß dem filmischen Veranstaltungsmotto „Nikotin und Alkohol – Alltagsdrogen im Visier“ werden im Kino einschlägige Spielfilme wie „Blöde Mütze!“, „Zoey“ und „Tschick“ gezeigt. Bevor es aber in den Kinosaal geht, gibt es eine Fülle von Mitmach-Aktionen, die den Schülern das Thema näherbringen. „Filme sind ein Medium, mit dem sich Jugendliche direkt auseinandersetzen und sich nicht ablenken lassen“, erläutert Annegret Eppler, Leiterin des Universums. Und sie ergänzt: „Kino ist eine schwellenangstfreie Zone, die die Jugendlichen bereits aus dem Alltag kennen.“

So gibt es eine fünf Meter lange Strecke, die sich „Promille-Run – Voll neben der Spur“ nennt. Und genau so geht es dem einen oder anderen Teilnehmer, der sich, mit Rauschbrille versehen, auf die Strecke macht. Die Brillen simulieren die körperlichen Beeinträchtigungen von etwa 1,0 Promille Alkohol im Blut. Unter großem Gelächter haben einige Mühe, die Linie zu halten und zwischendurch die Aufgaben zu lösen. In der Lounge „Rauchfrei bleiben & werden“ machen Schüler einen Test zur eigenen Ausstiegsmotivation oder zur persönlichen Rauchbelastung und bekommen Tipps zum weiteren Umgang mit dem Rauchen.

Eine besondere Attraktion ist der „Bauplatz – Was hält dein Leben zusammen“. Er basiert auf der Methode „Mauer gegen die Sucht“. Auf den einzelnen Steinen sind Werte oder Dinge notiert, die den Jugendlichen wichtig sind. Neben Begriffen wie „Smartphone“, „Shoppen“ und „Musik“ gibt es auch „Familie“, „Vertrauen“ und „Arbeit/Beruf“. Was würde passieren, wenn diese Steine in ihrem Leben plötzlich wegfallen? Könnten die daneben liegenden Steine „Alkohol“ und „Nikotin“ helfen? Sie können nicht, ist die übereinstimmende Meinung der Teilnehmer, die anschließend ihre eigene Lebensmauer errichten und damit für die eine oder andere Überraschung sorgen.

„Der Rems-Murr-Kreis ist schon seit vielen Jahren bemüht, die jungen Menschen vor den schädlichen Auswirkungen von Alkohol und Nikotin zu schützen“, sagt Landrat Richard Sigel. „Und dafür sind wir auch bereit, eine Menge Geld auszugeben“, ergänzt er. Besonders gestört hat ihn in den letzten Tagen, dass in den Bierzelten auf dem Cannstatter Wasen nach wie vor geraucht werden darf. „Auf dem Oktoberfest in München hat man das schon im Jahr 2010 abgeschafft“, sagt Sigel und verweist gleichzeitig darauf, dass dieser Punkt eine Sache der Landesgesetzgebung darstellt.

„Im Rems-Murr-Kreis lebten im vergangenen Jahr 25815 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren“, sagt Sonja Hildenbrand, kommunale Suchbeauftragte des Landkreises. „Der Anteil derer, die in dieser Altersgruppe in unserem Landkreis schon einmal Alkohol probiert haben, liegt bei 60,3 Prozent“, führt sie aus. Regelmäßig – mindestens einmal die Woche – trinken 2582 (10 Prozent) Alkohol. 13,6 Prozent und damit 3511 Jugendliche haben in den letzten 30 Tagen mindestens fünf alkoholische Getränke bei einer sich bietenden Gelegenheit getrunken. Hildenbrand nennt es bewusst „Rauschtrinken“ und nicht wie üblich „Komasaufen“. „Die Jugendlichen wollen nicht in ein Koma fallen, sondern sich berauschen“, erklärt sie. Der Begriff Komasaufen sei zwar populär, aber trotzdem falsch. In den Rems-Murr-Kliniken wurden im vergangenen Jahr 77 Jugendliche bis einschließlich 18 Jahre wegen einer Alkoholvergiftung behandelt, annähernd so viele Mädchen wie Jungen. „Der jüngste Patient war 12 Jahre alt“, ergänzt der Landrat Hildenbrands Ausführungen.

Insgesamt zeige sich eine positive Gesamtentwicklung sowohl beim Rauchen als auch beim Alkoholkonsum. Entwarnung könne aber nicht gegeben werden, sind sich die Beteiligten einig. Deshalb sei es weiterhin unverzichtbar, die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt mit Informationen und Angeboten der Suchtprävention zu erreichen. Dass es funktioniert, stellen die Veranstalter der Jugendfilmtage eindrucksvoll unter Beweis.