Als Nächstes soll die raue Rampe kommen

Die Murr in Backnang soll als artenreicher Lebensraum weiterentwickelt werden. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die Durchgängigkeit. Um diese herzustellen, sind an den drei Wehren Umbauarbeiten notwendig. Am Biegelwehr könnte es schon im Sommer losgehen.

Als Nächstes soll die raue Rampe kommen

Das Biegelwehr stellt ein Hindernis für Fische dar, die zum Laichen flussaufwärts schwimmen wollen. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

Backnang. Für Fische ist die Murr nicht gerade ein Paradies. Im Gegenteil, der Fluss gilt ökologisch betrachtet als besonders förderungsbedürftig. „Aufgrund der harten Ufer- und Sohlverbauung sowie der fehlenden Tiefen- und Breitenvarianz bestehen hohe Strukturdefizite“, erklärt Backnangs Pressesprecher Christian Nathan auf Nachfrage. Dies wiederum schränke die Entwicklung von verschiedensten Fischhabitaten (Ruhe-, Nahrungs- und Laichhabitate) ein und verschlechtere die Lebensbedingungen für viele wirbellose Tiere in der Gewässersohle. Hinzu kommt, dass die Murr durch ihre Wehre in Backnang für Fische und Kleinlebewesen nicht durchgängig ist. Denn die Wasserbewohner müssen zum Laichen flussaufwärts schwimmen, um ihre Laichplätze erreichen zu können. Wehre können sie im Normalfall nicht überwinden. Spätestens bis zum Jahr 2027 muss dieser Missstand behoben sein, das gibt die europäische Wasserrahmenrichtlinie vor. Die Grünen-Fraktion im Backnanger Gemeinderat hat in einem entsprechenden Antrag die Stadtverwaltung aufgerufen, einen Zeitplan zur Beseitigung der Wehre am Biegel sowie am Gockenbach-Areal und eine Verbesserung des Bleichwiesenwehrs zu erstellen. Diese hat schon einiges in Planung:

Biegelwehr Nachdem die Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz in der Talstraße recht weit vorangeschritten sind, ist einer der nächsten Schritte die Beseitigung des Biegelwehrs und der Neubau einer sogenannten rauen Rampe, eine Art Stromschnelle, an gleicher Stelle. „Die geplante raue Rampe besteht aus insgesamt 16 Becken, die terrassenartig angelegt sind und mit Blocksteinriegeln ausgebildet werden“, erklärt Nathan. Das Bauwerk soll eine Länge von etwa 85 Metern haben. Die historische Wehrfalle soll erhalten und ertüchtigt werden. Weil sich in der Stadtmühle ein Wasserkraftwerk befindet, soll der denkmalgeschützte Mühlkanal parallel zur Talstraße weiter durchflossen werden.

Die Arbeiten im Gewässer können allerdings aus naturschutzrechtlichen Gründen immer nur zwischen August und Oktober ausgeführt werden. „Da bisher noch nicht alle Fragen zum Bau der Rampe abschließend geklärt sind, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend sagen, ob mit dem Bau in diesem Jahr begonnen werden kann. Wir setzen aber alles daran, dass dies gelingt“, so Nathan. Die ursprünglich mit 600000 Euro bezifferten Kosten für das Projekt liegen Stand jetzt bei 2,3 Millionen Euro. Der Verlauf der Rampe wurde neu bemessen, da nun die Beckengeometrie auf die hier bestimmende Fischart „Barbe“ abzustimmen war. Die Länge der Rampe ist daher rund doppelt so lang wie ursprünglich geplant. Hinzu kommen erhebliche Baupreissteigerungen, so Nathan. Die Höhe der Förderung durch das Land liegt bei bis zu 70 Prozent. Eine Förderanfrage ist gestellt, eine verbindliche Förderzusage liegt noch nicht vor.

Bleichwiesenwehr Auch das Bleichwiesenwehr stellt eine Barriere dar. Die vorhandene Fischtreppe erfüllt ihren Zweck offenbar nicht ausreichend und soll daher perspektivisch neu gebaut werden, um den Fischen so einen besseren Aufstieg zu ermöglichen. Allerdings muss zuerst die Machbarkeit eines solchen Projekts geprüft werden. Ein Aspekt hierbei ist die Beibehaltung der städtebaulichen Wirkung des Wehrs. Der Prozess hierfür ist bereits im Gange. „Die Beauftragung der Machbarkeitsstudie wird derzeit durchgeführt“, bestätigt der städtische Pressesprecher. Da die Aufgabenstellung mit der Untersuchung von verschiedenen Varianten unter Berücksichtigung des städtebaulichen Umfelds jedoch sehr komplex und eine intensive Einbindung der zuständigen Behörden erforderlich sei, werde mit ersten diskussionsfähigen Ergebnissen frühestens im Mai dieses Jahres gerechnet.

Kaess-Wehr Einiges zu klären gibt es auch noch bezüglich des sogenannten Kaess-Wehrs an der Fabrikstraße. Auch hier wäre eine raue Rampe eine Möglichkeit, die es abzuklären gilt. „Im Zusammenhang mit der IBA werden neben den Fragen zum Hochwasserschutz auch die gewässerökologischen Aspekte umfassend geprüft und bewertet“, erklärt Nathan. Dazu zählt auch die Frage, ob eine raue Rampe unter Berücksichtigung dieser Fragen technisch und rechtlich umgesetzt werden kann. „Falls ja, wird dieses Teilprojekt Gegenstand der erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren im Rahmen der IBA sein.“

Verbesserung der Habitatfunktion Die Durchgängigkeit der Murr ist nicht die einzige Verbesserung, die angestrebt wird. „Grundsätzlich geht es um die Frage, wie die Murr als artenreicher Lebensraum weiterentwickelt werden kann. Hierzu müssen Bedingungen geschaffen werden, die möglichst vielen unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten dienen“, erklärt Nathan. Bereits im Jahr 2020 hat die Hegegemeinschaft Einzugsgebiet Murr, mit der die Stadt Backnang bei der gewässerökologischen Aufwertung der Murr eng zusammenarbeitet, entlang des gesamten Murrverlaufs Weiden und Neckarschwarzpappeln gepflanzt. Das dient neben dem Schutz der Uferbereiche vor Erosion in erster Linie der Verschattung des Gewässers. Damit wird der zunehmenden Aufheizung des Flusses und damit der Sauerstoffarmut entgegengewirkt. „Dies wiederum verbessert die Lebensbedingungen in der Murr ganz wesentlich“, erklärt Nathan. An geeigneten Stellen entlang des Flusses sollen außerdem Niedrigwasserrinnen gestaltet werden. Diese dienen dazu, in sommerlichen Trockenwetterperioden ein ausreichendes Wasserdargebot zu sichern, sodass insbesondere Fische ausreichenden Lebensraum vorfinden und nicht in den trockengefallenen Seitenbereichen verenden.

Eine weitere ökologische Aufwertung des Gewässers soll im Innenstadtbereich auf der Höhe des Tiefufers an der Talstraße angegangen werden. Eine Ausgleichsstrecke soll gute Lebensbedingungen für Fische, Wasservögel und sonstige Kleinlebewesen bieten. Der Gewässerlauf soll so umgestaltet werden, dass Strukturen im Wasser die Strömung stören. „Die dadurch ausgelösten Verwirbelungen reichern das Gewässer zusätzlich mit Sauerstoff an“, erklärt Nathan. Gleichzeitig bieten diese Strukturen vor allem Kleinstlebewesen wichtige Rückzugsräume. Durch eine entsprechende Gestaltung des Auslaufbereichs des Mühlkanals unter der Aspacher Brücke werde zudem verhindert, dass Fische aufgrund der Lockströmung in den Mühlkanal gelangen und nicht wieder in die Murr zurückfinden.