Altmaiers Windprämien: Bürger sollen belohnt werden

Von Von Andreas Hoenig und Teresa Dapp, dpa

dpa Berlin. Für den Klimaschutz sollen mehr Windräder gebaut werden, doch Anwohner haben oft etwas dagegen. Günstiger Strom und Geld für die Gemeinden sollen das ändern - schlägt die Bundesregierung vor. Windkraft-Kritiker winken ab.

Altmaiers Windprämien: Bürger sollen belohnt werden

Kommunen sollen mehr vom Windkraft-Ausbau profitieren. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Geld für Kommunen und günstigen Strom für Anwohner: Damit will Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Widerstand gegen neue Windräder dämpfen.

Die Vorschläge sollen helfen, den stockenden Ausbau der Windkraft an Land wieder in Gang zu bringen, der für den Klimaschutz in Deutschland wichtig ist. Die Belohnungen für Kommunen und ihre Bürger sind allerdings nur eine Baustelle im großen Streit um den Ökostrom-Ausbau - in dem bisher wenig vorangeht.

Altmaier schlägt eine verpflichtende Zahlung von Betreibern neuer Windenergieanlagen an die Standort-Kommunen vor. Ob die Betreiber zusätzlich den Bürgern vergünstigte Stromtarife anbieten, sollen sie selbst entscheiden, heißt es in Eckpunkten, die dpa vorliegen.

Damit setzt der Minister sozusagen Hausaufgaben um. Zunächst wollte die schwarz-rote Koalition Kommunen über einen höheren Grundsteuersatz von Windparks profitieren lassen. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat forderte eine andere Lösung - und verlangte, dass auch Bürger etwas davon haben sollen, wenn bei ihnen Windräder gebaut werden. Bisher profitieren Landwirte von Pachtzahlungen, wenn ein Windrad auf ihrem Acker steht.

Konkret sollen die Betreiber von Windparks nach dem neuen Vorschlag für neue Anlagen jedes Jahr eine verpflichtende Abgabe an die Gemeinde zahlen oder dies jedenfalls anbieten - mindestens 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Je nach Stromertrag rechnet das Ministerium mit einer Zahlung des Betreibers an die Kommune von rund 20 000 Euro pro Jahr - die Kommunen sollen damit machen dürfen, was sie wollen.

Diese Einnahme sei „geeignet, die Akzeptanz neuer Windenergieanlagen spürbar zu erhöhen“, heißt es in dem Eckpunkte-Papier. Grundlage soll ein Schenkungsvertrag sein, die Übertragungsnetzbetreiber sollen das kontrollieren. Halten Windpark-Betreiber sich nicht an die Regeln, soll dies über eine Reduktion der Ökostrom-Förderung sanktioniert werden. Gezahlt werden muss so lange, wie auch Fördergeld fließt.

Wenn die Windpark-Betreiber wollen, sollen sie zudem selbst oder über Stromanbieter, etwa Stadtwerke, günstige Bürgerstromtarife anbieten können. Der Preis soll bei höchstens 90 Prozent des örtlichen Grundversorger-Tarifs liegen. Stromkunden könnten so 100 bis 200 Euro pro Jahr sparen, heißt es im Papier. Wenn 80 oder mehr solcher vergünstigter Stromlieferverträge zustande kommen, soll sich die Mindest-Zahlung der Windpark-Betreiber an die Kommunen um die Hälfte reduzieren auf 0,1 Cent pro Kilowattstunde.

Widerstand von Anwohnern ist eines der großen Hindernisse für einen schnelleren Windkraft-Ausbau in Deutschland, neben Klagen etwa wegen des Naturschutzes und langen Genehmigungsverfahren. Bei Bürgerinitiativen stießen die Pläne auf Kritik: Man könne mit Bürgerstromtarifen keine Akzeptanz kaufen, so die Bundesinitiative Vernunftkraft. Notwendig seien deutlich größere Abstände zwischen Wohnungen und Windkraftanlagen. Gesundheitsschutz gehe vor finanziellem Ausgleich. Zustimmung kam dagegen vom Bundesverband Windenergie: „Finanzielle Beteiligung ist eine Brücke zur Akzeptanz“, sagte Präsident Hermann Albers am Dienstag.

Der Ökostrom-Ausbau soll bis 2030 von derzeit über 40 auf 65 Prozent steigen, und das bei steigendem Stromverbrauch. Er ist ein wichtiger Teil der deutschen Klimaschutz-Politik - neben dem Atomausstieg bis 2022 wird derzeit der Kohleausstieg bis 2038 organisiert. Größter Streitpunkt dabei ist ein geplanter Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen. Eine Bund-Länder-AG soll das eigentlich klären. Doch wegen der Corona-Krise hat sie noch nicht mit der Arbeit begonnen. Unklar sei, ob die Bundestagsfraktionen einbezogen würden, sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU).

Carsten Linnemann (CDU), ebenfalls Fraktionsvize der Union, warnte, dass es lange dauern könne, alle offenen Fragen in einem Gesamtpaket zu klären. Vor allem für den Förderdeckel für Solaranlagen brauche es eine zügige Lösung und Planungssicherheit. Er persönlich würde dieses Thema und die 1000-Meter-Regel „vor die Klammer ziehen“, sagte er, „weil wir auch ein vitales Interesse daran haben, dass der Deckel so schnell wie möglich weg kommt.“ Da sei man mit dem Koalitionspartner SPD in Austausch.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch, sagte, man bekomme jetzt „hoffentlich die Dynamik, die ein großes Paket zwischen Bund und Ländern noch vor der Sommerpause ermöglicht, das neben der Aufhebung des Solardeckels auch den Ausbau der Windkraft gewährleistet“.

Fortschritte gab es unterdessen beim Ausbau der Windkraft auf See. Bund und Küstenländer einigten sich mit Übertragungsnetzbetreibern darauf, bis 2030 in Nord- und Ostsee eine Kapazität von bis zu 20 Gigawatt Leistung zu realisieren - das bisherige Ziel lag bei 15 Gigawatt. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Das neue Ziel ist Teil des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung.