Zweite Amtszeit für Steinmeier zum Greifen nah

Von Von Ulrich Steinkohl, dpa

dpa Berlin. Es ist schon 13 Jahre her, dass sich ein Bundespräsident für eine zweite Amtszeit bewarb. Nun macht es Frank-Walter Steinmeier. Er kann der Bundesversammlung in gut sechs Wochen entspannt entgegen sehen.

Zweite Amtszeit für Steinmeier zum Greifen nah

Frank-Walter Steinmeier kann sich Hoffnung auf eine weitere Amtszeit als Bundespräsident machen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

27. März, 8. Mai, 15. Mai - auf diese drei Daten schaut das politische Berlin. Dann wird im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen gewählt.

Ob die drei CDU-geführten Landesregierungen dort straucheln oder sich behaupten, wird bei Ampel-Parteien und Unions-Opposition im Bundestag genauso gebannt verfolgt wie im jetzt SPD-besetzten Kanzleramt. Der Hausherr im nur wenige hundert Meter entfernten Schloss Bellevue interessiert sich dagegen erst einmal für den 13. Februar. Dann entscheidet sich, ob er eine zweite Amtszeit als Bundespräsident bekommt oder nicht.

Frank-Walter Steinmeier kann inzwischen recht gelassen auf das Zusammentreten der Bundesversammlung an diesem Sonntag im Februar sehen. Sechs Wochen vor der Wahl des nächsten Staatsoberhauptes ist niemand in Sicht, der ihm dieses Amt streitig machen könnte.

Als der 65-Jährige Ende Mai mit dem Satz „Ich möchte mich für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zur Wahl stellen“ seine Ambitionen auf weitere fünf Jahre an der Spitze des Staates öffentlich machte, klang dies angesichts der damaligen Schwäche der SPD noch mutig bis verwegen. Inzwischen haben die Sozialdemokraten die Bundestagswahl gewonnen und führen eine Bundesregierung mit Grünen und FDP an. Die Union sitzt auf der Oppositionsbank.

Von den Zahlen her scheint eine Wiederwahl Steinmeiers ausgemacht. Die Bundesversammlung wird 1472 Mitglieder zählen - die 736 Abgeordneten des Bundestags und eine gleich große Zahl von Menschen, die die 16 Landtage entsenden. Nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur werden CDU und CSU davon 446 stellen, die SPD 389, die Grünen 234, die AfD 154, die FDP 153, die Linke 71, die Freien Wähler 18 und der Südschleswigsche Wählerverband 2. Hinzu kommen 5 Fraktionslose aus dem Bundestag und aus den Landtagen.

Die drei Ampel-Parteien stellen 776 Mitglieder der Bundesversammlung und verfügen damit über eine Mehrheit, wenn auch keine wirklich komfortable. Nach Artikel 54 des Grundgesetzes ist für die ersten beiden Wahlgänge die absolute Mehrheit nötig. Das wären 737 Stimmen - SPD, Grüne und FDP haben 39 mehr. Sollten sie sich auf Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten einigen, wäre er aber spätestens im dritten Wahlgang, wenn die einfache Mehrheit reicht, im Amt bestätigt.

Ein politischer Unsicherheitsfaktor sind bisher die Grünen. Anders als die FDP-Spitze haben sie sich noch nicht klar zu Steinmeier bekannt. Die Grünen halten eigentlich die Zeit reif für die erste Frau - und zwar für die erste grüne Frau - an der Spitze des Staates. Sich gegen den Mann der Koalitionspartner zu stellen, würde diese Koalition jedoch schwer belasten. Und dann müsste ja erst noch eine überzeugende personelle Alternative zum Amtsinhaber gefunden werden.

Vor diesem Problem steht auch die Union, aus deren Reihen in den vergangenen Wochen vereinzelt Stimmen laut wurden, eine eigene Kandidatin ins Rennen zu schicken. Von einer Frau „mit Strahlkraft“ an der Spitze des Staates schwärmte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in der „Welt am Sonntag“. Es müsste eine Frau sein, „die parteiübergreifend akzeptiert wird“, ergänzte CDU-Vorstandsmitglied Serap Güler im „Spiegel“. Einen Namen blieben beide schuldig.

Parteiübergreifend akzeptiert - keine einfache Voraussetzung, nachdem es CDU und CSU in diesem Jahr nicht einmal gelang, einen unionsübergreifend akzeptierten Kanzlerkandidaten zu küren. Und nachdem vor fünf Jahren die SPD mit ihrem Vorsitzenden Sigmar Gabriel den damaligen Außenminister Steinmeier vor allem deswegen durchsetzen konnte, weil CDU und CSU keinen eigenen Kandidaten fanden. Jetzt müssten sie zudem erklären können, warum sie den damals mitgetragenen Steinmeier, mit dessen Amtsführung sie sich bislang zufrieden zeigten, plötzlich fallen lassen wollen.

Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz gab sich kurz vor Weihnachten denn auch sehr zurückhaltend: „Wir sind die stärkste Fraktion in der Bundesversammlung. Das ist das eine. Wir haben einen hoch respektierten Bundespräsidenten. Das ist das andere.“ In dieser Abwägung würden CDU und CSU eine gemeinsame Entscheidung treffen.

Zu erwarten ist, dass die kleineren Parteien eigene Bewerber präsentieren werden. „Ja, die AfD wird einen Kandidaten für die Bundesversammlung benennen“, sagte beispielsweise ein AfD-Sprecher der dpa. Aber: „Noch steht kein Name fest.“ Die Linke, die 2017 den Armutsforscher Christoph Butterwegge aufbot, hält sich bislang bedeckt. Chancen werden diese Bewerber aber ohnehin nicht haben.

So dürfte am 13. Februar der Amtsinhaber erstmals seit Horst Köhler 2009 wiedergewählt werden. Eine Agenda für eine zweite Amtszeit hat Steinmeier schon. Die Corona-Pandemie habe „tiefe Wunden geschlagen“, sagte er in seiner Erklärung im Schloss Bellevue Ende Mai. „Wir haben uns wund gerieben im Streit um den richtigen Weg. Ich möchte helfen, diese Wunden zu heilen.“ Seit diesen Worten hat der Streit nochmals deutlich an Schärfe zugenommen. Steinmeier hätte eine herausfordernde Aufgabe vor sich.

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