Amphibien erhalten ein Ersatzhabitat

Das Biotop Pfaffenrinne am Rande des Backnanger Plattenwalds wird von den Kröten bestens angenommen, verlandet aber zusehends. Der Laich vertrocknet. Zudem sind die vielen Ehrenamtlichen, die Kröten entlang der Straße nach Steinbach einsammeln, gefährdet.

Amphibien erhalten ein Ersatzhabitat

Die Pfaffenrinne war nie als Amphibienhotspot geplant, hat sich aber dazu entwickelt. Jetzt kommen die Nachteile des Standorts zum Tragen. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Das Biotop Pfaffenrinne zwischen dem Plattenwald und Steinbach bereitet der Stadt Kopfschmerzen. Dies wurde zuletzt wieder im Umweltausschuss deutlich, als Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann einen Sachstandsbericht dazu gab.

Zum Hintergrund: Das Biotop wurde 2010 im Zuge des Hallenbadneubaus als Ausgleichsfläche angelegt und hat ein Retentionsvolumen von etwa 7000 Kubikmetern. Nun, zehn Jahre später, ist Großmann nicht allzu glücklich mit dem Ergebnis: „Wir haben da eine vielschichtige Problemlage. Man hat bei der Pfaffenrinne unterschiedliche, vielleicht sogar konkurrierende Ziele in die Konzeption gepackt.“ Zur Erklärung holt er aus: „Das Biotop samt dessen Einlauf liegt zwar an einem Innenbogen der Murr. Das Problem dabei ist aber, dass der Fluss mit einer großen Dynamik in den Bereich schießt und unglaublich viel Sedimente und feine Sande hineinspült.“ Weil es aber keinen wirklichen funktionierenden Auslauf gibt, lagert sich dieser Sand ab. Die Folge: Das Gebiet verlandet.

Gleichzeitig wurde nun jedoch vor allem im Jahr 2019 eine extrem hohe Amphibienpopulation beobachtet. Auf dem Weg zwischen ihrem Lebensraum Plattenwald und dem Laichgewässer mussten die unzähligen Kröten, Frösche, Molche und Salamander die Kreisstraße zwischen Backnang und Steinbach überqueren. Ehrenamtliche Naturschützer nahmen sich sofort in großer Zahl des Problems an. Aber die nötigen Rettungsaktionen brachten wiederum die Helfer in Gefahr, so Großmann, da die Einsammelaktionen oft in der Dämmerung oder gar nachts nötig waren und die Autofahrer in diesem Abschnitt recht zügig unterwegs sind. Die Situation lag sowohl den Verantwortlichen der Stadt als auch des Landkreises auf dem Magen.

Als würde dies nicht reichen, kam in diesem Jahr ein weiteres Problem dazu: Das Laichverhalten der Kröten war im Frühjahr nämlich wieder riesig, aber aufgrund der großen Trockenheit im Frühsommer ging fast die gesamte Laichpopulation im ausgetrockneten Biotop ein. Das war laut Großmann auch für die Naturschützer sehr ernüchternd.

Die beiden Extreme hintereinander und der anhaltende Verlandungsprozess veranlassten die Verantwortlichen zu folgenden Überlegungen:

Erstens: Der Landkreis lässt derzeit eine Populationsbestimmung erheben, bei der es um die Fragen geht: Was waren die Ursachen für die Populationsexplosion in den vergangenen beiden Jahren und wie viele Tiere waren es tatsächlich? Grundlage der wissenschaftlichen Arbeit sind die Zählungen der Naturschützer und ein Fachgutachten. Die Ergebnisse werden laut Großmann im Januar vorliegen. „Nur auf Basis dieses Wissens können die richtigen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Jeder will sich dieses Verhalten erklären und man muss es sich auch erklären können, um planerisch darauf zu reagieren.“

Zweitens: Würde es weiterhin zu hohen Wanderungen kommen, so würde die Gefahrenstelle an der Kreisstraße für die Menschen und die Tiere weiter bestehen. Der Landkreis hat laut Großmann bereits abgewunken, das Problem mit baulichen Vorkehrungen wie etwa einem Krötentunnel zu lösen. Eine solche Investition würde in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen.

Drittens: Da der Standort Pfaffenrinne aufgrund seiner Topografie vermutlich ohne menschliches Eingreifen nie zu einem Amphibienhabitat geworden wäre und er sich als ungeeignet dafür erwiesen habe, empfiehlt die Verwaltung, ein neues alternatives Biotop anzulegen. Dies soll im nächsten Jahr passieren, sobald die Ergebnisse der Populationsbestimmungen vorliegen. Auch zu einem möglichen Standort hat sich die Verwaltung bereits Gedanken gemacht: Das Ersatzhabitat solle ein oder zwei Kilometer flussaufwärts und oberhalb der Kreisstraße liegen, damit die Tiere zwischen dem Plattenwald und dem Biotop keine Straße mehr queren müssen. Großmann zeigt sich überzeugt: „Wir könnten dann in zwei bis vier Jahren den Tieren einen alternativen Lebensraum anbieten.“

Die Pfaffenrinne würde deshalb jedoch nicht aufgegeben werden. Weil der Ersatz aber dauert und die Verlandung nicht aufzuhalten ist, prüft die Verwaltung derzeit mit dem Landratsamt und einem Fachgutachter, „ob wir kurzzeitig, also ein oder zwei Jahre lang, in den Trockenperioden Wasser in die Pfaffenrinne zuleiten können“. Konkret soll aus einer höher gelegenen Stelle der Murr ein Rohr verlegt werden. Die Wassereinleitung wäre eine befristete Maßnahme, bis das Ersatzhabitat von den Tieren angenommen wird. Zudem würde nur ein Teil des Biotops bewässert werden, nämlich jener, in dem die Kröten laichen. Laut Großmann benötigt die Stadt noch eine wasserrechtliche Genehmigung, „die liegt zwar noch nicht vor, aber sie könnte kurzfristig erteilt werden, nach all dem, was wir in den vergangenen zwei Jahren erlebt haben“.

Da bekannt sei, dass Kröten einen relativ großen Aktionsradius haben, ist die Populationsbestimmung durch die Fachleute laut Großmann ungemein wichtig: „Nur so bekommen wir eine verlässliche Prognosesicherheit. Wir können dann davon ausgehen, dass ein Ersatzhabitat auch angenommen wird, wenn es sauber geplant und umgesetzt wird.“

Großmann erklärte auch, weshalb er zu diesem Zeitpunkt einen Sachstandsbericht im Ausschuss gegeben habe. So sei das Thema aus verschiedenen Richtungen immer wieder diskutiert worden. So habe es fundamentale Kritik der ehrenamtlichen Naturschützer gegeben. Gleichzeitig betonte er aber auch das hohe ehrenamtliche Engagement der Naturschützer. Und nicht zuletzt habe auch die Verwunderung der Fachwelt an der Krötenpopulation eine Rolle gespielt. Und nicht zuletzt wollte Großmann ankündigen, „dass wir hier planerisch tätig sind und gegebenenfalls auch bald Finanzmittel benötigen“.

Willy Härtner (Grüne) unterstützte den Plan, im Oberlauf einen Ausgleich zu schaffen. Er erinnerte daran, dass seine Fraktion schon vor zwei Jahren den Antrag gestellt hatte, den Einlauf zu ändern. Nun erklärte er: „Der Laichdruck ist nun einmal da. Wir müssen für einen Ausgleich sorgen.“

Amphibien erhalten ein Ersatzhabitat

Die Amphibien haben die Tümpel in der Pfaffenrinne sehr gut angenommen. Doch in diesem Jahr ist im Frühsommer nahezu der gesamte Laich vertrocknet. Foto: L. Greppo

Kommentar
Gute Reaktion

Von Matthias Nothstein

Bei der Planung des Biotops Pfaffenrinne lief einiges schief, Ausführung und Lage waren falsch. Dass aber ein Habitat nötig ist, beweisen die fortpflanzungsfreudigen Kröten seit Jahren ganz eindrucksvoll. Jetzt zu reagieren und einen Ersatz zu schaffen, ist völlig richtig. Mit den zuletzt gemachten Erfahrungen wird das neue Biotop vermutlich korrekt geplant werden und zum Wohle aller beitragen, also zum Wohl der Tiere und der Menschen. Und wenn es um deren Sicherheit geht, dann sollte es dem Gemeinderat auf die paar Kröten nicht angekommen, die der Ersatzbau wohl kosten wird.

Es ist sehr lobenswert, dass die Verwaltung in dieser Form reagiert. Sie hätte sich auch auf den Standpunkt zurückziehen können, das Biotop sei nicht als Krötenhabitat vorgesehen gewesen und erfülle den eigentlichen Zweck als Ausgleichsmaßnahme fürs Hallenbad vollkommen. So nach dem Motto: Die Kröten sind uns egal und die Tierschützer sind erwachsen, die sollen selbst auf sich aufpassen.

Ein Ersatzhabitat bringt der Stadt aber auch weitere Ökopunkte, die sie für andere Projekte noch dringend benötigen wird. Und es ist allemal besser, hier vor Ort die Probleme zu lösen, als die Ökopunkte irgendwo anders zu sammeln. So wie vor Jahresfrist, als die Stadt ihr Defizit über eine Flächenagentur ausglich, Punkte zukaufte und damit im Brigachtal bei Villingen-Schwenningen mithalf, den Holenbach zu renaturieren.

m.nothstein@bkz.de

Amphibien erhalten ein Ersatzhabitat

„Die Populationsbestimmung hilft, die richtigen Handlungsempfehlungen abzuleiten.“

Tobias Großmann, Leiter des Backnanger Stadtplanungsamts

Das Biotop Spitzwiesen entwickelte sich anders als geplant, aber gut

Im Jahr 2004 wurde auch das Biotop Spitzwiesen zwischen dem Sportgelände Etzwiesenstadion und der Kläranlage Schöntal angelegt. Es handelt sich dabei um eine Murrschleife mit einer Länge von 200 Metern. Das Ziel war, dem Fluss wieder Raum und Überschwemmungsflächen zurückzugeben, damit er ein Stück Flusslandschaft wieder selbst herstellen kann. Herausgekommen sind ein 280 Meter langer Wassergraben parallel zum Fluss und zwei Mulden mit einem Fassungsvermögen von 1100 Kubikmetern. Es handelt sich dabei nicht um Retentionsflächen im üblichen Sinn, sondern es sind Laichgewässer und Tümpel.

Es war als Renaturierungs- und Ausgleichsmaßnahme geplant. Das Problem war jedoch auch hier, dass einige Stellen verlandet sind, der Wasserfluss war an vielen Stellen nicht mehr gewährleistet. Zuläufe sind trockengefallen, weil sich Sedimente, also Sand, abgelagert haben.

Zuletzt stellte sich gar die Frage, ob die Stadt Ökopunkte wieder zurückgeben muss, weil die Ziele nicht erreicht worden sind. Das Landschaftsplanungsbüro Roosplan legte jedoch ein Gutachten vor, bei dem auch die Naturschutzverbände und die untere Naturschutzbehörde gehört wurden, und kam bei der Beurteilung der aktuellen Situation zu folgendem Fazit: Die Ziele, die 2004 fixiert worden sind, wurden zwar nicht erreicht, dafür aber existiert nun ein Biotop, das nahezu gleichwertig ist wie die eigentliche Überlegung. Tobias Großmann dazu: „Die Natur hat sich in eine andere Richtung entwickelt. Die Ziele wurden nicht erreicht, aber das, was entstanden ist, ist auch gut.“ Die Ökopunkte brauchten daher nicht zurückgegeben werden.

Im Rahmen der Biotopbewertung erkannten die Experten jedoch, dass eine bestimmte Biotoppflege erforderlich ist. Das Gebiet wurde in drei Sektoren unterteilt und wird im jährlichen Wechsel von einer Schafherde beweidet, sodass unterschiedlich hoch bewachsene Lebensräume, Bewuchsinseln und pflanzliche Strukturen entstehen, wo vielfältige Tiere laichen und sich verstecken können. So ist in den Spitzwiesen ein ökologisch hochwertiger Bereich entstanden.