Anders wohnen

Für neuartige Konzepte sind politische Initiativen gefragt

Von Thorsten Knuf

Drei Zimmer, Küche, Bad – und Aldi im Erdgeschoss: Das ist einer der neuesten Wohntrends in Ballungsräumen. Weil Wohnraum und freie Grundstücke knapp sind, stellt sich zunehmend die Frage, ob einstöckige Lebensmittelmärkte mit überdimensionierten Parkplätzen in besten Großstadtlagen tatsächlich der Weisheit letzter Schluss sind. Gerade die Discounter sind in den vergangenen Jahrzehnten expandiert, wo immer das möglich war. Heute bedauern viele Bauverwaltungen, dies zugelassen zu haben. Die Grundstücke ließen sich auch gut für den Wohnungsbau verwenden. Wenn sich die Handelsketten jetzt zu einer Mischnutzung bereit erklären, ist das eine gute Sache.

Das Potenzial für die Verdichtung von Städten ist nach wie vor enorm, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Studie deutlich machte. Allein auf Supermarktgrundstücken, auf den Dächern von Parkhäusern, Verwaltungen oder durch den Umbau leer stehender Bürogebäude ließen sich den Schätzungen zufolge mehr als 1,2 Millionen neue Wohnungen schaffen. Es geht hier nicht um bestehende Perlen der Architektur, sondern um profane Zweckbauten. Wenn hier die Baufirmen anrücken, entstehen nicht nur neue Wohnungen, sondern auch schönere Gebäude.

Das Problem ist, dass aus einem Flächenpotenzial nicht ohne Weiteres neue Bauprojekte werden. Ein branchenfremdes Unternehmen, das in einem dreistöckigen Büroklotz arbeitet, kommt wohl nicht von sich aus auf die Idee, noch ein Stockwerk mit Wohnungen draufzusetzen. Öffentliche Verwaltungen, die in Gebäuden der öffentlichen Hand residieren, kommen als Investoren auch kaum infrage. Um auf breiter Front Projekte dieser Art anzuschieben, braucht es politische Initiativen. Die Bundesregierung täte gut daran, sich mit diesem Thema näher zu befassen.

thorsten.knuf@stzn.de