2024 wurde ein junger Mann für den Mord an der Studentin Hanna verurteilt - jetzt ist er freigesprochen worden. Da kämpft selbst die Richterin mit den Tränen.
Der Angeklagte muss nach der Entscheidung des Gerichts für die bisherige Haft entschädigt werden. (Archivbild)
Von Von Britta Schultejans, dpa
Traunstein/Laufen - Im ersten Verfahren wurde er vergangenes Jahr wegen Mordes verurteilt, jetzt ist er ein freier Mann: Der Angeklagte im Prozess um den Tod der Studentin Hanna aus Aschau ist freigesprochen worden. Am Ende fordert selbst die Staatsanwaltschaft Freispruch - und die Vorsitzende Richterin Heike Will entschuldigt sich mit emotionalen Worten.
Es seien "keine Anhaltspunkte ersichtlich geworden, dass der Angeklagte für den Tod verantwortlich sein könnte", sagt sie. "Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es im Verlaufe der Ermittlungen zu etlichen fatalen Fehlern gekommen ist". Das müsse an anderer Stelle Konsequenzen haben.
"Rechtssystem hat Ihnen großes Unrecht zugefügt"
"Dieses Rechtssystem hat Ihnen großes Unrecht zugefügt", sagt Richterin Will an den Angeklagten gewandt und kämpft mit den Tränen. "Als Teil dieses Rechtssystems möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen." Im Zuschauersaal brandet Applaus auf.
Die Tränen der Richterin seien "dem Drama, das hier passiert ist, angemessen", sagt Verteidigerin Regina Rick, die auch schon Justizopfer Manfred Genditzki vor Gericht vertreten hat, und fordert Konsequenzen für die Richterin aus dem ersten Verfahren um den mutmaßlichen - oder vermeintlichen - Mord an Hanna und für die Ermittler der Kriminalpolizei in Rosenheim, die "Beweismittel regelrecht unterschlagen" habe.
Tod nach "Eiskeller"-Party
Hanna war in der Nacht zum 3. Oktober 2022 nach einer Partynacht in der Aschauer Disco "Eiskeller" tot im Fluss Prien entdeckt worden, mit vielen Verletzungen. Einige Wochen später wurde der junge Mann festgenommen und später angeklagt.
Im März 2024 verurteilte ihn das Landgericht Traunstein wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil aber wegen eines Verfahrensfehlers auf, sodass der Fall Ende September neu aufgerollt wurde - und nun zu einem gänzlich anderen Ergebnis kam.
Gericht nennt Zeugen "unglaubwürdig"
Die Anklage gegen den jungen Mann war in den Räumen des Amtsgerichts Laufen, wo das Traunsteiner Landgericht aus Platzgründen verhandelte, regelrecht zusammengefallen. Zeugen, denen gegenüber der inzwischen 23-Jährige die Tat gestanden haben soll, bewertet das Gericht als "unglaubwürdig" - und andere Beweise gegen ihn gab es nicht. "Keine Spuren", sagt Richterin Will. "Es gibt keine Mordwaffe" und "keinen einzigen überzeugungskräftigen Indizienbeweis".
Will spricht von einem "unerwartet schnellen Prozessende". Ursprünglich waren noch Termine bis kurz vor Weihnachten angesetzt gewesen. Der Prozess habe zwar nicht aufklären können, was mit Hanna geschehen ist, sagt sie. Er habe aber geklärt, dass der Angeklagte nicht verurteilt werden könne. "So unbefriedigend es auch erscheinen mag: Für dieses Verfahren, für dessen Nicht-Schuldspruch ist die Frage, ob es ein Unfallgeschehen oder Fremdverschulden war, nicht mehr von Relevanz."
Die Verteidigung war - anders als die Staatsanwaltschaft - von Anfang an davon ausgegangen, dass die Studentin betrunken und ohne Fremdverschulden in den Bach gestürzt und dort ums Leben gekommen war. Die Verletzungen vor allem am Kopf und am Oberkörper zog sich Hanna ihrer Ansicht nach zu, als sie rund zwölf Kilometer im Fluss trieb.
Anwälte fordern Konsequenzen
Der mittlerweile 23 Jahre alte Angeklagte muss laut der Entscheidung des Gerichts für die bisherige Haft entschädigt werden. Seine Anwälte Rick und Yves Georg kündigten in diesem Zusammenhang weitere Prozesse, beispielsweise ein Amtshaftungsverfahren, an. Sie forderten außerdem das Justizministerium und das für die Polizei zuständige Innenministerien auf, Konsequenzen zu ziehen.
Richterin Will äußert in ihrer Urteilsbegründung auch Verständnis dafür, dass das Ergebnis des Prozesses, der die Frage, wie Hanna zu Tode kam, nicht klären konnte, "unbefriedigend" sei. Sie spricht der Familie der Studentin, die sich im Laufe des Prozesses auch wegen der Arbeitsweise der Verteidigung als Nebenkläger aus dem Verfahren zurückgezogen hatten, "tiefstes Mitgefühl" aus.
Selbst die Vorsitzende Richterin Heike Will kämpfte zum Abschluss des Prozesses mit den Tränen. (Archivbild)