Erster Prozess und weitere Anklagen im Tierschutz-Skandal

dpa/lby Memmingen. Mehrere Fälle von misshandelten Rindern erschüttern im Jahr 2019 das Allgäu. Fünf Betriebe geraten in der Folge ins Visier der Ermittler. Während in Kempten nun drei betroffene Landwirte angeklagt worden sind, ist die Justiz in Memmingen schon einen Schritt weiter.

Erster Prozess und weitere Anklagen im Tierschutz-Skandal

Abbildungen der Justitia an einer Scheibe am Eingang zu einem Gericht. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/Symbolbild

Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Skandals um massive Tierschutzverstöße bei Allgäuer Rinderhaltern kommt es zum ersten Prozess. Das Memminger Landgericht habe in diesem Zusammenhang eine Anklage gegen zwei Landwirte aus dem Landkreis Unterallgäu zugelassen, sagte ein Sprecher. Der Prozess soll demnach im Herbst dieses Jahres beginnen. Ein genauer Termin stehe noch nicht fest. Unterdessen hat auch die Kemptener Staatsanwaltschaft gegen drei Landwirte aus dem angrenzenden Landkreis Oberallgäu Anklage erhoben, die ihre Rinder nicht ausreichend versorgt haben sollen.

Zwischen Juli 2019 und Januar 2020 waren insgesamt fünf Höfe im Allgäu wegen teils massiven Tierschutzverstößen in die Schlagzeilen geraten. Bislang waren die Betreiber von drei Betrieben in diesem Zusammenhang angeklagt worden, zwei davon im Landkreis Unterallgäu.

Den beiden Männern, die sich wohl im Herbst vor Gericht verantworten müssen, wirft die Memminger Staatsanwaltschaft vor, 54 Rinder zwischen Juli und November 2019 nicht ausreichend versorgt zu haben. Einer der beiden Angeklagten hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe eingeräumt, Kälber preisgünstig von anderen Landwirten erworben zu haben. Manche Tiere seien krank gewesen, die Behandlungskosten habe er nicht stemmen können. Die Milchviehhaltung stellte der Betrieb mit drei Höfen in den Landkreisen Unterallgäu, Oberallgäu und in Kempten daraufhin ein. Im Januar 2020 verbot das Amtsgericht Neu-Ulm den Landwirten zudem vorläufig, weiter Tiere zu halten.

Zuletzt wurden auch drei Landwirte aus dem benachbarten Landkreis Oberallgäu wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz angeklagt. Dem Ehepaar und dem volljährigen Sohn werde vorgeworfen, zwischen Oktober 2019 und März 2020 etwa 100 Rinder auf ihrem Hof im Landkreis Oberallgäu vernachlässigt zu haben, sagte ein Sprecher der Kemptener Staatsanwaltschaft. Das Landgericht Kempten entscheidet nun, ob es dort zu einem Prozess kommt. Wie lang es bis zu diesem Beschluss dauere, sei aber noch unklar, sagte ein Sprecher des Gerichts.

Das Landratsamt in Sonthofen hatte den drei Landwirten zunächst verboten, selbst weiter Tiere zu halten oder zu betreuen, nachdem Kontrolleure auf dem Betrieb „dramatische Zustände“ vorgefunden hatten. Viele der 480 Milchkühe und 100 Kälber seien krank oder unterernährt gewesen, etwa jedes zweite Tier hatte demnach wegen mangelhafter Haltung Klauenprobleme. Insgesamt herrschten den Angaben der Behörde zufolge „unhaltbare hygienische Umstände“.

Die drei Landwirte hatten daraufhin gegen das Tierhaltungsverbot am Verwaltungsgericht Augsburg geklagt. Letztlich einigten sie sich mit dem Landratsamt darauf, dass sie vorerst selbst keine Tiere mehr halten, aber auf anderen Höfen arbeiten dürfen. Den eigenen Rinderbestand hat die Familie inzwischen verkauft.

Rosi Steinberger, Sprecherin für Verbraucherschutz der bayerischen Landtags-Grünen, forderte am Montag, eine Umgehung von Tierhaltungsverboten durch die Arbeit auf anderen Höfen zu verhindern. „Ein Tierskandal nach dem anderen zeigt doch, dass hier gehandelt werden muss“, sagte Steinberger. Zudem müssten die Kontrollbehörden effektiv zusammenarbeiten und Risikobetriebe mit Tierhaltung engmaschig kontrolliert werden.

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