Anreiz für gesunde Streuobstwiesen

Einige Kommunen stellen Anträge für private Gartenbesitzer im Rahmen des Förderprogramms Baumschnitt-Streuobst. Experte Ingo Seiter betreut das Projekt für Backnang und Auenwald und hebt den Stellenwert von Pflege für die Bäume hervor.

Anreiz für gesunde Streuobstwiesen

Streuobstwiesen tragen auch zum Erhalt der Artenvielfalt in der Region bei. Archivfoto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG/AUENWALD. Um den Bestand an heimischen Streuobstwiesen in Schuss zu halten, hat das Land Baden-Württemberg 2015 erstmals das Förderprogramm „Baumschnitt-Streuobst“ aufgelegt. In dessen Rahmen müssen Teilnehmer ihre Bäume in einem Zeitraum von fünf Jahren zweimal fachgerecht zurückschneiden, um Mittel zu erhalten. Nachdem die erste Förderperiode in diesem Jahr zu Ende gegangen ist, konnten Stücklesbesitzer nun erneut die Förderung für den Zeitraum bis 2025 beantragen. Für Privatleute mit kleineren Wiesen und Baumbeständen übernehmen im Landkreis zahlreiche Gemeinden die Antragsstellung. Die Stadt Backnang hat 2015 beispielsweise fünf Sammelanträge für insgesamt 7035 Bäume gestellt. Pro Baum und Schnitt bot die Stadt zu den 15 Euro des Landes noch 5 Euro als zusätzliche Prämie. Bis Januar 2020 wurden 180000 Euro an Fördergeldern ausgezahlt, 136000 Euro an Landesmitteln, 44000 Euro steuerte die Stadt Backnang bei. Die Gemeinde Auenwald konnte im Jahr 2015 vier Sammelanträge mit insgesamt 4612 Streuobstbäumen an das Regierungspräsidium melden. Neben der Landesförderung von 30 Euro bekamen alle Stücklesbesitzer mit starkem Mistelbefall noch 20 Euro von der Gemeinde Auenwald pro Baum. Etwa 136000 Euro wurden so bis Januar an die Auenwalder Stücklesbesitzer ausbezahlt.

Und auch für den Förderzeitraum 2020 bis 2025 hielt man sowohl in Backnang als auch Auenwald das Angebot aufrecht, nachdem das Fazit des ersten Förderzeitraums positiv ausgefallen war. In diesem Jahr sind es in Backnang nicht ganz so viele Bäume, weiß Tobias Großmann, Leiter des Backnanger Stadtplanungsamts. Zwar seien es genauso viele Sammelanträge, diese umfassten jedoch nur 5844 Bäume. Das habe vor allem altersbedingte Gründe. Denn im Grundsatz könne man in den vergangenen Jahren ein gewachsenes Bewusstsein für das Kulturgut Streuobstwiese wahrnehmen. Nur: „Der demografische Wandel macht sich hier bemerkbar.“ Manche der kontaktierten Stücklesbesitzer hatten angegeben, dass ihnen die mit dem Förderprogramm verbundene Arbeit aufgrund ihres Alters zu viel sei. Und auch mit der Bekanntmachung des Förderprogramms war es in diesem Jahr schwieriger. „Neben der Abfrage der bisher Teilnehmenden haben wir mit OGV kooperiert sowie eine Pressemitteilung geschaltet. Eine Informationsveranstaltung war coronabedingt im April nicht möglich“, erklärt Großmann. Auch in Auenwald sind es mit 3975 Bäumen in diesem Jahr weniger als zuvor.

Misteln sind flächendeckend ein Problem auf den Wiesen.

Die Organisation sowie Hilfestellung in der Umsetzung des Baumschnitts liegt in den Händen Ingo Seiters. Der Ingenieur aus Berglen ist Experte in Sachen Streuobstwiesen und betreut die Stadt Backnang sowie die Gemeinde Auenwald. In der vergangenen Förderperiode sei er zudem für Weissach, Allmersbach und Aspach zuständig gewesen, diese hätten die Projektleitung jedoch inzwischen selbst übernommen. Seiter sieht die heimischen Streuobstwiesen durch mehrere Faktoren gefährdet: Der Klimawandel versetze die Bäume in Trockenstress, zudem ebnen steigende Temperaturen den Weg für Pilzbefall oder Schädlinge wie die Kirschessigfliege. Vor allem aber Misteln sind dem Experten ein Dorn im Auge. „Fast alle Teilnehmer am Förderprogramm haben angegeben, dass es an ihren Bäumen Befall gibt“, sagt er. Positiv hervorzuheben seien da die Wiesen in Steinbach und den Schöntalen. „Da gibt es nur punktuell Misteln.“ Die meisten Wiesen seien dort seit Langem im Familienbesitz und würden gut gepflegt, fügt Großmann an. Allerdings können die Wiesen noch so gut gepflegt werden – wenn der Stücklesnachbar seine Bäume nicht von Misteln befreit, hat man damit weiterhin Probleme. „Da hat man keine Handhabe“, weiß Seiter. Die Kommunen könnten nur bei stark verwilderten Gärten einschreiten und auch dann sei dies ein langwieriger Prozess.

Dass sich im Hinblick auf die Bäume im Projekt die Förderung gelohnt hat, ist laut Seiter gut erkennbar: „Der Zustand hat sich deutlich verbessert.“ Auch sei es für ihn gut zu wissen, wie es um die Fachkenntnis der Stücklesbesitzer bestellt ist und wo eventuell noch nachgeholfen werden muss. Ingo Seiter bietet den Teilnehmern im Vorfeld Schnittkurse an. Positiv wertet er hierbei, dass sie nicht nur gut besucht sind, sondern auch zunehmend von jüngeren Leuten wahrgenommen werden.

Ein fachgerechter Schnitt ist wichtig, denn stichprobenartig wird im Rahmen des Förderprogramms kontrolliert, ob auch alles mit rechten Dingen zugeht. Beanstandungen gebe es selten, erzählen Seiter und Großmann. Und wenn, dann besteht die Möglichkeit, nachzubessern. Im schlimmsten Fall aber würden die Fördergelder zurückgefordert. Seiter findet die Kontrollen gut: „Es ist ja nicht egal, was mit dem Geld passiert, sondern wichtig, dass die Wiesen erhalten und gepflegt werden.“ Wann genau im vorgegebenen Zeitraum zurückgeschnitten wird, bleibt den Teilnehmern selbst überlassen. „Fachlich richtig wäre der Frühling, ab Mitte Februar“, sagt Seiter. Aber da die Winter hierzulande nicht so streng sind, überstehen die Bäume auch einen Winterschnitt für gewöhnlich gut.

Um den Stand der Streuobstwiesen weiter zu stärken, hat Seiter Verbesserungsvorschläge: „Mistelprobleme müssen auch an Gewässerläufen angegangen werden.“ Dort seien oft Pappeln und andere Bäume betroffen. Zudem wäre den Stücklesbesitzern geholfen, wenn sie eine Möglichkeit hätten, das Holz zu entsorgen. „Man könnte zum Beispiel temporäre Häckselplätze einrichten“, schlägt der Ingenieur vor. Zudem gelte es, die kleinen Obstbauern bei der Vermarktung ihrer Früchte zu unterstützen. „Es gibt einen Riesenmarkt für regionale Produkte, der aber nicht richtig genutzt wird.“ Schließlich habe die Coronapandemie als positiven Effekt bewirkt, dass regionale Erzeuger etwa mit Hofläden wieder mehr Nachfrage verzeichnen.